Sonstiges

Web 2.0 ohne Bloguser 2.0?

Toms Diner:

Schade das die Diskussionskultur in der Blogsphäre sich immer noch auf Steinzeitniveau bewegt. Persönliche Präferenzen und Kontakte sind wichtiger als Sachliche Argumente. Bashing ist Sport und grundsätzlich dagegen sein, ohnehin total In.
Web2.0, das sozialisierte Internetz, du kannst kommen. Aber erst, wenn auch User2.0 erfunden wurde. Ansonsten wird der Schuss schwer nach hinten losgehen. Denn alles was neu erfunden wird, wird als erstes mal nach persönlichen Vorlieben und Sympathien zum Erfinder abgeklopft. Dann wird Kontra-Position bezogen, die ganze Geschichte gemeinschaftlich nieder gemacht und am Ende noch ein wenig rumgejammert warum alles so Mist ist.

Provokativ:
Ich bin mir immer noch nicht sicher über die deutsche Blogosphäre, aber auffallen tut es schon, daß – oh Gott, wie doof dieses Schubladendenken eigentlich ist – es häufig zu beobachten ist: Statt Positives rauszupicken (ohne gleich alles schönreden zu müssen) wird konstant just das Negative herausgepickt. Entspricht diese Fehlerkultur der Erziehung in den Firmen, wo das leider Alltagsgeschäft ist? Oder verfälscht lediglich ein Teil der Blogosphäre diesen Gesamteindruck, weil die lautesten Schreihälse das Grós der Blogosphäre überschallen? Kann sein, denn im Gegensatz zu den amerikanischen Topblogs sind zahlreiche Topblogs in D bekannt für ihre Kritikfähigkeit. Und vieles definiert sich über die Topblogs, auch die mediale Wahrnehmung von außen. Das verstärkt nur noch den negativen Eindruck. Verwundert es aber nicht, daß einer der „hidden champions“ und anerkanntesten Blogger Markus Breuer ist (eigentlich war, da er nicht mehr bloggt), der sich durch seine ausgleichenden Artikel ausgezeichnet hat? Oder Jim Basman, der ebenfalls auf seinem Blog zwar durchaus kritisch sein konnte, man aber nie das Gefühl hatte, daß er komplett ins einseitig Negative abrutscht? Oder Volker Weber, der oW Knackpunkte anspricht, aber auch da hat man nie das Gefühl „er will andere fertigmachen“. Diese Blogs gehören/gehörten nie zu den Topblogs in D, dennoch haben sie mehr Einfluss auf die Blogosphäre als man denkt, schätze ich mal. In ihrer Art und Weise, wie sie eben bloggen. Und sie sind stellvertretend für die absolute Mehrheit der Blogger. Nur nimmt man diese Blogs leider zu wenig wahr, wie auch? Wie schon soeben angedeutet, richtet sich das verstärkende Organ der Blogosphäre – die Medien – an den höchsten, tollsten, lautesten, bekanntesten Blogs aus. Kein Wunder also, was da unter dem Strich herüberkommt.

Welche Auswirkungen hat dieser Eindruck? Ich merke in vielen Gesprächen mit Interessierten – nein, nicht immer nur Geschäftskunden -, wie sehr davor zurückgeschreckt wird, den Zeh ins kalte Blogwasser zu strecken. Natürlich halten sich just die Geschäftskunden noch viel mehr zurück, weil sie schlichtweg keine Lust auf das Genöle haben. Und es wird bei den Bloggern am deutlichsten, die sich nicht mal mehr trauen, sich öffentlich Gedanken zu machen, ob man nicht doch mit Blogs sein Haushaltseinkommen aufbessern könnte? Nach dem Motto „ieh, Geld verdienen ist böse“. Das Blogimage in D ist mE versaut, um es ruhig überspitzt auszudrücken!


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Home Office
Senior Social Media Manager:in im Corporate Strategy Office (w/d/m)
Haufe Group SE in Freiburg im Breisgau
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen

Alle Stellenanzeigen


Wie ich das halte? Ich lebe herrlich ungeniert, mache mir persönlich wenig Kopp um diejenigen, die mich hin und wieder kritisieren. Nein, das ist kein Trotzverhalten. Ich ignoriere bestimmte Nöler-Blogs zwar nicht, den Kritik ist aufschlußreich, doch beeinflussen sie mich nicht mehr in meiner Haltung und Rücksichtnahme. Ich stehe zu dem, was ich tue, wie ich es tue und was ich sage. Logo, man kann nicht erwarten, daß Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Dazu sind die Blogger viel zu unterschiedlich.

Der eigentliche Grund für meine sehr positive Haltung gegenüber Blogs? Die Blogosphäre – nicht im Sinne einer Gemeinschaft – besteht aus viel mehr Markus Breuern als man denkt. Man muss nur genauer hinhören und das Geschreie des kleinsten Teils der Blogosphäre herausfiltern. Die deutsche Blogosphäre ist wesentlich freundlicher als man zunächst annehmen würde. Und von meinem Gefühl her gehe ich davon aus, daß über 90% alle Blogger nix drauf geben, was andere Blogger über bestimmte Themen sagen, wie andere Blogs definieren etc. Sie definieren sich nicht durch Dritte, sie definieren ihr Blog für sich selbst. Solange sie nicht ins Kreuzfeuer geraten, klappt das auch mit dem beschaulichen Bloggerleben. Doch die Eigenheit von uns ist, da nehme ich mich nicht aus, daß wir anderen ungerne ihren Lebensstil zulassen, man mischt sich eben ein. Dann ist es schnell vorbei mit dem beschaulichen Bloggerleben. Und wohl nur wenige haben Selbstbewußtsein genug, auf die exaltierten Meinungen einen Pfifferling zu geben. Man kann noch so sehr ein Bloguser 2.0 sein, man wird schnell zum Bloguser 1.0 gemacht, spätestens dann, wenn man sich hochblogged, weil das Blog eigentlich gut ankommt.

Beispiel? Würde in D ein Darren Rowse (bekannt als Problogger) eine Überlebenschance haben? Könnte ein deutscher Darren sich innerhalb seiner Peergoup mit anderen austauschen, wie man Blogs über Werbeeinnahmen monetarisieren kann? Es müsste wohl jemand sein, der/die ein verdammt hohes Selbstbewußtsein hat und nicht so sehr auf die Meinungen Dritter schielt. Dennoch wird es schwer haben, sich in Ruhe mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und übertreibe ich, wenn ich sage, daß sich Topblogs ihrer guten Position durchaus bewußt sind, die in Zukunft dazu führen kann, daß man mehr als nur ein paar Kröten mit Blogs verdienen kann? Etwas Schielen nach USA läßt einen auf überlebensfähige Einnahmehöhen hoffen. D ist ja kein kleines Internetland. Behauptungen, daß Web-USA viel größer ist, ist an der Realtität vorbei. Es ist nicht unmöglich, daß ein deutsches Blog möglicherweise sogar die Trafficzahlen von Heise.de überholt. Kann es demgmäß sein, daß Topblogs unbewußt/bewußt ihre Ellbogen ausfahren und hochpoppende Konkurrenz plattreden? Verschwörung? Blödsinn? Übertreibung? Ja und nein. Es ist von allem etwas dabei schätze ich mal. Nennen wir es Neidblogging. Kann man sogar soweit gehen und sagen, daß die Übertragung des gesellschaftlichen „ich gönne dem anderen nix“ sich auch auf die deutsche Blogosphäre auswirkt? Niemand redet offen darüber, doch mE ist es schon lange kein Geheinis mehr, daß die Hoffnungen über das Wachstum der deutschen Blogosphäre vermehrt zum Neidblogging führen werden?

Erschlagt mich, wenn das alles an den Haaren herbeigezogen ist, aber ich müßte verdammt weit daneben liegen, wenn der Bloguser 2.0 tatsächlich etwas auf sich warten lassen wird. Klar werde ich mir damit wenig Freunde machen, aber so what, Kritiker von Kritikern sind halt unbeliebt 🙂

Provokativ aus:
Letztlich ist das aber alles nur eine Sache der Wahrnehmung, denn wenn man die Menschen hinter den Blogs betrachtet, stellt man auf einmal fest, daß alles nur halb so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird. Es sind lauter Normalos, manche lassen es auf Blogs krachen, manche eben nicht. Würde mich also nicht zu sehr von der vermeintlich überkritischen Blogosphäre abschrecken lassen.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

7 Kommentare

  • Hm, kompliziert. Wir erleben ja gerade den Wechsel von 40 Jahre beim gleichen Betrieb zu flexiblem Jobhopping. Druck lässt Systeme ausweichen und so kommen natürlich auch neue Ideen. Die werden anfangs natürlich mißtrauisch beäugt, so sind Menschen nun einmal.

    Vielleicht würde einiges auch besser laufen, wenn man sein Anliegen nicht als Benefit für die Menschheit und als nette Idee verkaufen würde, sondern klar sagen würde, dass man davon leben will.

    So bin ich zur Zeit nicht mehr bereit an Umfragen mitzuwirken, denn die Ergebnisse werden ja an die Auftraggeber verkauft. Aber das worauf es ankommt, meine Aussage, die soll ich umsonst dafür lassen? Nö.

    Oder das Projekt eines Bekannten, das eine Web-Community bilden sollte. Und wenn dann genügend – kostenlose, weil freiwillig von Fans erstellte – Fachbeiträge zusammen sind, dann wird das Portal an eine große Firma, die was davon hat, verkauft. Meiner Meinung nach nutzt man damit die echte Begeisterung von Leuten die an ein nettes Projekt glauben, für seine Sache aus. Nö.

    Vielleicht kommt ja noch der Punkt an dem auch ich mit sowas auch anders umgehe, aber solange die Welt noch im Wandel (geklaut aus HdR 😉 ist und man das Gefühl hat, dass „wenn jeder an sich denkt ist auch an alle gedacht“ gilt, wird es schwierig sein. Ich vermute, es ist alles eine Sache der Gewöhnung.

  • jau, das trifft voll zu, daß man Web 2.0 insoweit ausnutzt, daß man mit den Usern nicht offen umgeht. Zur Fairness gehört dazu, daß man auch seine Ziele offenbart. Die User sind mündig genug zu entscheiden, ob man dann immer noch etwas beitragen möchte.

  • Ist es Zufall, dass die drei ausgewählten Beispiele (Breuer, Bassmann, Weber) nicht mehr zu den gaaanz jungen Bloggern zählen!?

    Viele Blogs, meines nehme ich da natürlich nicht aus, sind technisch und inhaltlich Spielwiesen für den Betreiber.
    Auf Dauer sind solche Experimente für Leser mit begrenztem Zeitbudget für Jux eher uninteressant.

    Andere Blogs wie „Notizen aus der Provinz“ fallen (oder besser fielen) schon die Kategorie „Alternative zu Buch/Zeitung“.
    Bei den Notizen von Breuer hab ich mich schon gewundert, welcher Aufwand in den Beiträgen steckt; wer hat die Zeit dafür…

    also jenseits der Zielgruppe jung, bunt, schrill 🙂 werden Blogs vielleicht bei den Semiprofessionell betriebenen Hobbys wie Foto, Eisenbahn, Sport eine Zukunft haben.
    Medien mit Inhalt und nicht zum Selbstzweck

  • Interessante Sichtweise, die ich so noch nicht hatte, aber in der ich mich zu einem gewissen Teil wieder finde. Dennoch denke ich, dass Blogs für den Großteil eine Meinungswiese darstellen, auf der jeder seinen Standpunkt darstellen möchte. Die Amis machen es eben positiv, ich persönlich versuche eben, die Dinge kritisch zu betrachten. Wobei das natürlich nicht heißen soll, dass ich alles nieder mache!

  • Der Blogger an sich ist nunmal leider keine Blogsoftware, die sich von Version 1.0 auf 2.0 updaten lässt. Auch wenn einige lernen sollten, dass man mit neuen technischen Möglichkeiten auch sein eigenes Verhalten umstellen sollte, so wird doch ein Großteil weiterhin den eher ordinären Umgangsformen pflegen. Das ist schließlich überall so, wo Menschen zusammen kommen. Auf der Arbeit. Im Sportverein. Im Ortsverein. In der Familie. Nur gibt es dort Verfahren, wie man solche Konflikte löst. Anschiss vom Chef. Mal ein Spiel auf der Bank sitzen. Eine Mehrheit für die Wahl organisieren. Enterben.

    Im Internet ist das nunmal nicht so einfach. Der berüchtigte Forentroll meldet sich einfach unter neuem Nick wieder an. Beim Blog-Kommentar-Spammer ist es nicht anders. Und mit den lieben Kollegen hat es das Onlinemagazin leichter, dort verschweigt man lieber die Meriten der Konkurrenz, Kollegenschelte verbietet sich aber. Nur die lieben Blogger bashen sich untereinander, was das Zeug hält. Einige zumindest. Die Standfestigkeit, die du dem Top-Blogger mit Rückgrat wünschst, sollte eigentlich jeder Blogger haben. Einfach nicht reagieren, wenn jemand mit Schmäh statt mit Argumenten antwortet. Wer loyale Leser hat, sollte auch auf deren Loyalität vertrauen, anstatt sich selbst auf Niveau-Untiefen herabzulassen.