Sonstiges

Wie steht es eigentlich um den neuen Volkssport Crowdfunding?

Der Trend des Jahres bisher? Für mich Crowdfunding. Du hast ein Projekt, aber keinen Investor? Dann sammel Geld über das Web ein und finanziere deinen Spielfilm, deine Smartwatch, dein Adventure, deine Android-Spielekonsole, deine Kriegserklärung gegen einen Abmahnanwalt. Crowdfunding wurde in den vergangenen Monaten parodiert, kritisiert, gefeiert. Es gibt kaum noch etwas, was nicht mit Crowdfunding gefördert worden wäre. Der Trend ist einer der erfreulichsten der vergangenen Jahre, auch wenn zumindest ein wenig Kritik angebracht ist.

Denn der wichtigsten Plattform Kickstarter etwa fehlt eine Kontrollinstanz. Nur ein gut gemachtes Video, hübsche Designkonzepte und ein schlagkräftiges Team dahinter alleine reichen nicht. Kickstarter garantiert nicht, dass ein gefördertes Projekt auch wirklich umgesetzt wird. Was ist, wenn die Geförderten gar nicht halten können, was sie versprechen? Dass sich etwa die Lieferung der gemeinfinanzierten Smartwatch Pebble aufgrund der hohen Nachfrage verspätet, mögen die Förderer verschmerzen können. Der Anbieter geht sehr offen mit dem Thema um und kann die Kleininvestoren damit beruhigen. Anders sieht es aus, wenn das Geld zwar schon auf dem Konto der Gründer ist, sie das Projekt aber offenbar gar nicht umsetzen können. 

Nur jedes vierte Kickstarter-Projekt ist pünktlich


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So etwa geschehen im Falle der Zion Eyes, einer Brille, mit der man HD-Videos aufnehmen und direkt auf Facebook posten können sollte. Bereits vor einem Jahr, am 31. Juli 2011, wurde das Projektziel von 55.000 US-Dollar übertroffen. Insgesamt gingen über 370.000 Dollar ein. Die Brille wurde bis heute nicht ausgeliefert. Die Macher des Projekts haben das Geld erhalten, Kickstarter hat seine 5 Prozent kassiert, aber dann passierte nichts mehr. Die 6-Monats-Frist, um das Geld zurückzubuchen verstrich für die meisten Förderer. Auch, weil es hieß, die Brillen würden erst im Dezember ausgeliefert. Seitdem passierte wenig. Die Brille wird es wohl nicht mehr geben, die Investoren ihre Ausgaben abschreiben können.

Gerade einmal 25 Prozent der erfolgreich geförderten Projekte werden zum anvisierten Zeitpunkt ausgeliefert, fand der AppsBlogger kürzlich zusammen mit Wissenschaftlern der Universität von Pennsylvania heraus. 75 Prozent kommen wenigstens bis zu acht Monate nach dem versprochenen Termin an (das schließt die pünktlichen 25 Prozent schon mit ein). Keine besonders berauschende Quote, zumal laut der Kickstarter Stats-Seite bisher nur 44 Prozent der Projekte überhaupt erfolgreich gefördert wurden.

Startups und Games

Auch Spiele scheinen kein Selbstläufer mehr zu sein. Castle Story erhielt mit 278.000 US-Dollar bislang zwar deutlich mehr als die gewünschten 80.000. Für die Neuauflage von „Shadow Run“ sammelten Cliffhanger Productions bislang allerdings „erst“ 190.000 Dollar ein – was noch weit vom gewünschten Ziel 500.000 Dollar entfernt ist. Möglicherweise fehlte allerdings nur ein aussagekräftiges Video mit Spielszenen, das die Macher jetzt nachgereicht haben.

Auch wenn eine Kontrollinstanz fehlt: Crowdfunding und vor allem Kickstarter sind in diesem Jahr angekommen in Medien und Netz-Community. Eine kleine Auswahl, über welche Crowdfunding-Projekte allein in den letzten vier Tagen berichtet wurde:

  • Das Kommunikationstool Swabr für Unternehmen will sich über Innovestment crowdfunden lassen.
  • Auch das Berliner Projekt FarFromHomepage will sein Webremix-Tool via Indiegogo finanzieren.
  • Die Android-Spielekonsole Ouya soll dank der Unterstützung von OnLive auch für PC-Spiele tauglich werden.
  • Mit Strata will noch eine weitere Smartwatch nach Pebble und Cuckoo an den Start gehen. Die gewünschte Förderung in Höhe von 100.000 Dollar wurde bereits um 50 Prozent überschritten.
  • Der Business Insider veröffentlicht eine Art Anleitung, wie zwei junge Gründer in vier Tagen mehr als 30.000 Dollar für ein Cocktailglas erhielten, sechsmal so viel wie sie wollten.

An letzterem Beispiel zeigt sich allerdings auch schon, wo der Hase im Pfeffer liegt: Kaum jemand erreicht die gewünschte Summe, wenn er es nicht schafft, in Bekanntenkreis, sozialen Medien und der Presse für seine Sache zu trommeln. Dass Crowdfunding angekommen ist, zeigt aber nicht zuletzt eine hohe Nummer an Parodien auf den Trend. Vor einem Monat bereits nahm The Onion Kickstarter aufs Korn. Vergangene Woche erschien auf dem Satirenetzwerk Jest eine weitere, herzerfrischende Satire: Ein Komiker, der sich für Michael Bay ausgibt, will dort angeblich seinen neuen Film mit ein paar Milliönchen fördern lassen. Der „Transformers“-Regisseur wird dort nicht gerade zimperlich behandelt:

Das alles mag darüber hinweg täuschen, dass der Trend Crowdfunding derzeit viel kleiner ist als vielfach berichtet. Blogger Felix Salmon rechnete kürzlich aus, dass eine von vielen Medien zitierte Markteinschätzung nicht ganz stimme. Statt 1,5 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr sollen in Wirklichkeit nur 165 Millionen Dollar über Crowdfunding investiert worden sein, also nur etwa ein Neuntel der prognostizierten Summe. Wie viel es in diesem Jahr wird, möchte keiner so genau sagen. 2,8 oder 3,2 Milliarden Dollar wie in einer Studie von Massolution aus dem Mai, dürften es wohl nicht werden.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • Finde ich toll, dass Du die ganze Thematik mal kritisch beäugt hast. Ich glaube auch nicht, dass alles dort erfolgreich ist oder wird- weil eben vielen das letzte bissl Elan, Know-How etc. fehlt. Einer, der aufräumt & uns sagt, dass lediglich 1/9 investiert worden sind von der Märchensumme war mal von Nöten! Danke!

  • Wenn man so sein Geld investiert, dann muss es Spielgeld sein und es darf nicht weh tun, wenn es weg ist. Ansonsten gibt es andere Möglichkeiten sein Geld zu investieren.

  • Crowdfunding ist momentan hip und in und liegt voll im Trend! Viele erfolgreiche Storys und steigende Umsätze sorgen für eine (völlig berechtigte) gute Stimmung. Allerdings muss man auch davon ausgehen, dass mit steigenden Crowdfundingprojekten die Anzahl der Totalverluste auch steigt. Letztlich greift da irgendwann die Statistik. Und so gemein es klingt: früher oder später wird auch die Anzahl der Betrugsfälle steigen. Ein erster größerer Betrugsversuch fand kürzlich auf kickstarter statt (vgl. auch http://www.gamestar.de/news/branche/2567349/crowd_funding.html). Bei aller Euphorie ist eine kritische Sichtweise immer erforderlich. Web 2.0 hin und Social Media her, beim Crowdfunding geht es letztlich auch „nur“ um Geld. Ein Schelm, wer böses dabei denkt 🙂
    In diesem Sinne ein gelungener Artikel!

  • Alles fängt mit einer tollen Geschichte an, bei der es nur Win-Win-Situationen gibt … kein Risiko, hohe Gewinne … so auch beim Crowdfunding.

    Am Ende kommt die große Ernüchterung … Es gibt dann nur eine Handvoll Gewinner (Plattformbetreiber, Abwickler, Video-Spot-Dreher, vielleicht auch der eine oder andere Geldnehmer, …) und massig viele Verlierer … Das sind die zahlreichen Möchtegerninvestoren, die bis zum Schluss fest an die Geschichte glauben, dass es für Null Risiko extrem hohe Renditen gibt 😉

  • das ganze crowd sourcing prinzip ist sehr gut durchdacht und es ist auf jeden fall potenzial in dieser geschichte. was mich verblüfft ist ansich das crowd creation. die aktion, die mcdonalds durchführt ist sowohl marketing- als auch produktentwicklungstechnisch einfach nur genial

    das crowdfunding ist auch eine tolle geschichte. sehr gut geeignet für kreative köpfe mit start-up-projekten, denen das mittel zur ausführung fehlt.

  • lokales crowdfunding zur unterstützung sozialer projekte – wenn das geld dann auch sichbar da ankommt wo es hinsoll finde ich gut. mei und wenn einer von gier getrieben crowdsourcing unterstützt, selbst schuld. und ein paar clevere abzocker gibts mit und ohne kontrolle immer.

  • da stimme ich meinen Vorrednern zu, das Geld kommt in dem Fall da an wo es hin soll, wenn nun einer sein Projekt in den Sand setzt dann (sei es) vorsätzlich oder fahrlässig, kann man selber nichts dagegen unternehmen.

  • I wird a moi so soagn… des machen doch nur Techis und Nerds 😉
    das verhält sich ähnlich wie mit der G+Nutzerschaft… doch wenn die Techis mal den Offlinern erklärn was dahintersteckt, könnts sein dass bald a weng mehr geht!

  • Crowdfunding ist eine tolle Sache und es gibt echt schöne Projekte! Finde die Sichtweise, wie du es hier darstellst mit dem kritischen Blick aber auch sehr gut, denn wie man erkennt, verrennen sich dabei viele Leute bzw. Projekte.

  • Ihr scheint das Crowdfunding nicht ganz zu verstehen, weil hier ständig von Gewinnen und investieren geredet wird.
    Crowdfunding heißt ihr spendet(!) das Geld und bekommt ein Geschenk als Dankeschön(meist das fertige Produkt).
    Geld gibt es da keines zurück!

  • „Gerade einmal 25 Prozent der erfolgreich geförderten Projekte werden zum anvisierten Zeitpunkt ausgeliefert, fand der AppsBlogger kürzlich zusammen mit Wissenschaftlern der Universität von Pennsylvania heraus. 75 Prozent kommen wenigstens bis zu acht Monate nach dem versprochenen Termin an.“

    Also werden doch alle realisiert und ausgeliefert?

  • Wer kein Geld hat soll zuhause bleiben. So lautet die allgemeine Devise. Das ist bei einem neuen Business nicht anders. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf diese Weise ein nennenswerter Betrag zustande kommt. Und das Geld braucht man ja in der Regel schnell.

  • Hallo Jürgen,
    du hast mit den kritischen Worten durchaus eine Schwachstelle angesprochen. CrowdFunding ist ein komplett junges Phänomen, das aber auch aus einer Notlage heraus geboren werden „musste“ und sich ebenso notwendig weiterentwickeln „muss“. Wer bekommt denn heute noch als junger Unternehmer Kredit bei einer Bank. Basel 1,2,3 verhindern das und damit auch die mE wichtigste Kraft einer Volkswirtschaft – die Fähigkeit zur Innovation.
    Banken haben jede Menge Kontrollmechanismen aber haben die denn funktioniert? Bekanntlich nicht – im Gegenteil, die kosten dann den Steuerzahler Geld. Insofern würde ich meinen, dass du mit deiner Kritik durchaus recht hast aber man dem Phänomen CrowdFunding eine Chance geben MUSS. Banken haben in 250 Jahren nicht viel gelernt und gemessen daran entwickelt sich CrowdFunding atemberaubend schnell.

  • @Vires: Die 75 Prozent schließen die ersten 25 Prozent schon mit ein. 😉 Gebe zu, dass das missverständlich formuliert war und hab’s oben konkretisiert. Thx. 🙂

    @Klaus: Allgemein stehe ich dem Trend ja positiv gegenüber. Hoffe, der Beitrag kam jetzt nicht als zu kritisch rüber.

  • Wenn man einen Traum hat, warum soll man nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, diesen in die Tat umsetzen zu können? „NUR“ 44 Prozent erfolgreich geförderte Projekte kann man auch sehen wie ein Glas: ist es halb voll oder halb leer? Ich finde gut, dass es solche Plattformen überhaupt gibt.