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Twitter und Olympia: Das große Zwitschern


Die Worte „Twitter“, „Olympia“ und „Skandal“ sind in diesen Tagen irgendwie verknüpft. Spiegel Online weiß warum: Der Kurznachrichtendienst umgarnt die Stars, und die zwitschern eifrig – und manchmal über das Ziel hinaus. Der Schweizer Fußballnationalspieler Michel Morganella twitterte über den Gegner Südkorea, dem man just unterlegen war (Übersetzung laut dpa):

„Ich könnte alle Südkoreaner verprügeln. Geht euch abfackeln, Bande von geistig Behinderten.“

Das schoss über das Ziel hinaus, auch wenn ich darin nicht unbedingt eine rassistische Beleidigung erkenne, was ihm viele vorwerfen. Obwohl er sich später dafür entschuldigte und seinen Twitter-Account löschte, wurde Morganella aus dem Schweizer Olympia-Team geworfen. Er ist nicht der erste, dem sein Twittern während oder im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele bislang zum Verhängnis wurde.

Morddrohung für den vierten Platz


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Die griechische Dreispringerin Paraskevi Papachristou hatte sich abfällig über afrikanische Einwanderer in ihrem Heimatland beklagt und war ebenfalls von ihrem Verband ausgeschlossen worden. Im Namen von Hockey-Nationalspielerin Natascha Keller hat sich ein Journalist den üblen Scherz erlaubt, auf einem Fake-Account einen Anti-Griechischen Tweet loszulassen. Der Vorfall, der in Griechenland für Verstimmung sorgte, wurde glücklicherweise schnell aufgeklärt.

US-Synchronspringer Tom Daley wollte sich die Verunglimpfungen durch einen enttäuschten Fan auf Twitter nicht länger antun. Er schaltete die Polizei ein, die einen 17-Jährigen festnahm. Dieser hatte unter anderem geschrieben, er werde Daley finden und dann im Schwimmbecken ertränken. Daley war im 10-Meter-Synchronspringen Vierter geworden.

Kein Gold wegen Twitter

Und dann war da noch der Auslandskorrespondent Guy Adams, der sich über die fehlende Live-Übertragung der Eröffnungsspiele in den USA beim offiziellen Berichterstatter NBC beschwerte. Sein Account wurde gesperrt, nachdem er die E-Mail-Adresse des Programmchefs veröffentlichte und seine Follower dazu aufrief, ihm Beschwerdemails zu schicken. Zwar beantragte NBC laut einem Bericht des „Telegraph“ die Löschung, Twitter soll den Sender aber selbst auf die kritischen Tweets hingewiesen haben. Laut Twitters Statuten sind Sperrungen nur vorgesehen, wenn private E-Mail-Adressen veröffentlicht werden. NBC und der Zwitscherdienst sind offizielle Medienpartner der Spiele.

Angeblich wegen zu vieler SMS und Tweets auf den Straßen habe es Probleme bei der Übertragung der Positionsdaten an Fernsehsender während eines Radrennens am Sonntag gegeben. Zumindest war das die offizielle Stellungnahme eines IOC-Sprechers. Zu viel Zeit auf Facebook und Twitter seien daran Schuld, dass sie die Goldmedaille verpasst habe, sagte die australische Schwimmerin Emily Seebohm. Sie hatte bereits in einem Vorentscheid des Finals einen neuen Weltrekord über 100 Meter Rücken aufgestellt, dafür viel Lob von ihren Fans erhalten und sich dutzende Male dafür bedankt. Das habe in ihrem Kopf das Gefühl ausgelöst, es schon geschafft zu haben, wie sie dem „Sydney Morning Herald“ sagte. Daraufhin habe sie im Finale wohl eine Nuance zu wenig gegeben. Sie holte „nur“ Silber hinter der US-Amerikanerin Missy Franklin.

Twitter, Twitter, Twitter.

Der Bezug zu Twitter ist kein Zufall, wie Spiegel Online schreibt und ich auch am Freitag vermutete: Twitter ist auf dem Weg zu einem professionellen Medienunternehmen. Bessere Publicity hätte sich das Social Network gar nicht wünschen können. Die offizielle Medienpartnerschaft und der eine oder andere Skandal dürften sich für den Dienst voll ausgezahlt haben. 500 Millionen Nutzer soll Twitter laut Semiocast denn auch inzwischen haben, auch wenn nur 170 Millionen davon aktiv sind. (Bei Facebook sind es 955 Millionen aktive Nutzer.)

Die Promis erhalten dabei das Gefühl, in einem kleinen, abgeschlossenen Rahmen zu zwitschern. Dabei vergessen sie oft, dass ihre Aussagen für jedermann zu sehen sind. Der Schweizer Korrespondent Klaus Zaugg etwa sieht den geschassten Fußballer Morganella auch als Opfer: Da werde ein naiver 21-Jähriger mit Millionen überschüttet, aber der Verband versäume es, ihn auf die Gefahren von Facebook und Twitter hinzuweisen. Die Schuld gibt er also nicht den Netzwerken, sondern, nun ja, den Erziehungsberechtigten.

Zu Recht. Denn Twitter ist inzwischen die Art und Weise, wie Olympioniken heute kommunizieren. Frei von der Presse, ungefiltert, aber eben auch mit all den Risiken, die das birgt. Für viele eine ganz neue Herausforderung.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Twitter)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

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