Social Media

Hässliches schön: Lässt sich die harte Realität mit Kunstfiltern à la Instagram aufhübschen?

Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit steige ich am Kölner Westbahnhof aus. Gleich in der Bahnhofsunterführung bleibt dem Pendler nichts anderes übrig, als durch ein Meer an getrocknetem Taubenkot zu stiefeln. Das ist nicht hübsch, das ist sogar ziemlich ekelig. Aber vielleicht muss das so sein. Woher soll man wissen, was Schönheit ist, wenn man Hässliches nie gesehen hat? Gut und Böse müssen im Gleichgewicht sein.

Doch da gibt es seit nunmehr zwei Jahren ein Tool namens Instagram, das aus jedem Bild einer Smartphone-Kamera mit Kunstfiltern noch etwas herausholt. Zahlreiche Apps haben die Filter-Funktion kopiert. Da liegt doch der Verdacht nahe, dass man selbst aus abgrundtief hässlichen Fotos noch etwas Schönes machen könnte. Geht das? Wir machen den Test.

Die Idee stammt von Macwelt-Redakteur Patrick Woods, der kürzlich im Urlaub an der Adria unterwegs war. Statt die üblichen Urlaubsschnappschüsse zu knippsen, widmete er sich den Schattenseiten: Treibgut, Müll, verendete Tiere. Das Foto einer Sprühflasche, die er am Strand fand, veröffentlichte er einmal mit einem Kunstfilter, einmal „nackt“ ohne Filter. Der Kunstfilter-Schnappschuss hatte fast etwas Anmutendes, das Originalbild war erwartungsgemäß hässlich. Das brachte mich auf die Idee, es einmal mit einer solchen Vergleichsserie zu versuchen.


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Hier ein paar Nachher-Vorher-Bilder, die ich in den vergangenen Tagen in Köln und Bonn mit einem Nokia Lumia 800 aufgenommen habe. Was Hässlich ist, liegt im Auge des Betrachters. Immer? Auch in diesem Fall?

Grünes Kunstglas auf Kopfstein, Yellow-Pop-Filter:

Weniger chic in der Realität: eine zerbrochene Flasche auf der Straße in der Bonner Altstadt:

Waren hier die Maler am Werk? Infection-Filter:

Schön wär’s. Die Tauben waren’s. Unterführung, Westbahnhof, Köln:

Schön hell ist es. Was gibt es daran auszusetzen? Gold-Filter:

Im echten Schlamm ist es nicht mehr so schön. „Parklandschaft“, Bonn-Rheinaue:

Hier ist klar, was es ist:

Allerdings unterdrückt der Schwarz-Weiß-Filter oben schon ein wenig den Brechreiz im Vergleich zum Original, oder? Bonner Altstadt vor einem Café:

Bunt behangenes Fenster, Schwarz-Weiß-Filter:

Und so sieht’s im echten Leben aus:

Ein Schuh, Infection-Filter:

Und hier die harte Realität nach dem Waten im Schlamm:

Disco? Gold-Filter:

Nein, nur eine „umgestaltete“ Unterführung in der Bonner Rheinaue:

Tja, was meint ihr? Waren die Vorlagen mies genug? Haben die Filter in allen Fällen noch was rausreißen können? Mein eigenes Fazit: In allen Fällen leider nicht. Ein hundsmiserables Original lässt sich allenfalls noch entfremden, aber nicht mehr aufhübschen. Was mir außerdem auffiel: Zwar mag inzwischen jede x-beliebige Foto-App Kunstfilter eingebaut haben, es gibt allerdings auch hier gravierende Qualitätsunterschiede.

Die oben verwendete Windows-Phone-App ThumbaCam kann in Sachen Bedienbarkeit vielleicht mit Instagram mithalten, beim Effekt der vielen, vielen Filter leider nicht. Die oben verwendeten Gold-, Infection- und der Black-and-White-Filter allerdings biegen jedes noch so schlechte Foto noch zurecht. Immerhin wurde mir klar: Hässlich ist nicht gleich hässlich. Es gibt da noch einmal zahlreiche Schattierungen.

Update, 10.10.: Just heute Morgen macht die Kölner Stadtreinigung doch tatsächlich die Unterführung am Kölner Westbahnhof sauber. Ich bilde mir einfach einmal ein, dass das etwas mit diesem Artikel zu tun hat.

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

20 Kommentare

  • hachja, instagram gehört halt zum hippster-dasein, wie die mass zum oktoberfest.

    apropos oktoberfest: dort hättest du ein bild einer hübschen kotzlache machen können. ob da ein filter auch was hilft?

  • mittlerweile sind 90% der fotos meiner „freunde“ bei facebook mit nem filter versehen.

    da wird jeglicher scheiß fotografiert und gepostet.

    essen was eigentlich lecker aussehen sollte, sieht auf einmal aus wie die totale matsche.

    irgendwelche unrealen sonnenuntergänge usw.

    ich denk mir einfach nur noch meinen teil dazu… es soll eben unbedingt cooooooooooooool aussehen.

  • Schon die Qualität der Ausgansbilder ist dermaßen grottig (unscharf, unterbelichtet, körnig etc.), damit sähen auch Topmodells nicht gut aus. Sorry. Mit welchem Smartphone hast du die Bilder gemacht?

    Wo jetzt das Neue oder Interessante an dem Artikel sein soll, weiß ich nicht. Schon zu Analogfilmzeiten wurden hässliche Motive so weit verfremdet, dass sie zu Kunst wurden. Der Unterschied zu damals: Heute hat fast jeder die Möglichkeiten dazu in der Hosentasche. Damit hat man zwar noch lange kein Gespür für Motive, aber das hindert die wenigsten daran, sich für Künstler zu halten. Ich kann es auch nicht, aber ich verschone wenigstens meine Umwelt mit meinen Versuchen. 😉

  • @Ben:

    > Schon die Qualität der Ausgansbilder ist dermaßen grottig
    > (unscharf, unterbelichtet, körnig etc.), damit sähen auch Topmodells nicht gut aus.

    Schonmal überlegt, dass das Absicht und genau die Aussage des Artikels gewesen sein könnte?

    > Sorry. Mit welchem Smartphone hast du die Bilder gemacht?

    Sorry. Steht oben im Text.

    > Der Unterschied zu damals: Heute hat fast jeder die Möglichkeiten dazu in der Hosentasche.

    That’s what I’m trying to say. 😉

  • Sicherlich wurde durch die Filter jetzt nicht Sch… zu Gold. Aber zumindest doch: Aus Sch… ein bisschen weniger Sch…

    Der eigentlichen Aussage muss man damit ja schon zustimmen. Im Prinzip ja auch keine schlechte Sache, wenn sich dadurch nicht jeder zum Künstler auserkoren fühlen würde und die sozialen Netzwerke damit überschwemmen würde.

  • Vielleicht sollten gerade arme Städte kostenlos elektronische Sonnenbrillen mit Kunstfilter an die Bürger verteilen und schon denkt jeder er lebe in der schönsten Stadt Deutschlands. Solche Brillen hergestellt aus irgend einem asiatischen Apple-Werk sind doch in der Masse billiger als Stadtarbeiter. Schön wenn Technik die Lebensqualität erhöht 🙂

  • Schön liegt immer im Auge des Betrachters. Und irgend wie ist der Vorher/Nachher-Effekt schon spannend. Nicht alles aber doch so manches kann man dadurch schön oder zumindest interessant machen. Gelungenes Projekt das zum nachmachen inspiriert und sei es auch nur aus reiner Neugierde ob es selber auch so gut gelingt 😉

  • „Schonmal überlegt, dass das Absicht und genau die Aussage des Artikels gewesen sein könnte?“

    Nö. Ich dachte, es geht um Filter/Effekte, die hässliche Motive in Schönheiten verwandeln sollen. Um miese Photos zu verbessern gibt es andere Möglichkeiten. 😉

  • uiii, meine Schwester wollte früher immer jedes Bild mit Sepia-Farbeffekt. Erzählt ihr bitte nicht dass es Instagram gibt!! Zugegeben: Vieles geht, wozu man früher ein richtig guter Fotograf oder zumindest ein Photoshop-Freak sein musste… irgendwann hat man sich daran aber statt gesehen. Die neuen, auf alt getrimmten Bilder mit 70iger-Jahre-Polaroid-Farbstich oder Lomo-Effekt sind halt was sie sind: Kitsch wie der röhrende Hirsch. Aber auch ist in den letzten Jahren wieder in freier Wildbahn zu sehen 😉

  • glücklicherweise scheint das phänomen in meinem umfeld noch nicht so um sich gegriffen zu haben. vielleicht bin ich aber auch einfach nicht in den richtigen sozialen netzwerken registriert.

  • Instagram ist tatsächlich schon ein gewisses Phänomen. Doch eines, das man – denke ich – logisch erklären kann. Denn objektiv brachtet bleiben hässliche Motive auch mit Filter weiterhin hässlich. Niemand wird eine Kotzelache schmackhaft oder appetitlich finden, nur weil sie mit einem Lomo- oder Polaroidfilter bearbeitet wurde. Noch wird ein totes Tier niedlicher, weil es in eine Retro-Optik versetzt wurde. Vielmehr ändert sich durch die Filter die Ästhetik eines Bildes – nicht aber die des photographierten Objektes. Das muss man schon auseinanderhalten.
    Was Instagram also tut, ist, die Wahrnehmung zu täuschen. Und zwar mit Fehlfarben, Vignetten, Bleich-Effekten etc. pp. Hiermit werden Bilder in ihrer Ästhetik und Anmutung aus ihrer wahren Relation gerissen und eine künstliche Distanz zum photographierten Objekt aufgebaut, die mit den „wahren Farben“ und der „Ansicht der Wirklichkeit“ nicht gegeben ist. Instagram lässt uns die Welt auf eine gekünstelte und der Realität entgrenzte Weise wahrnehmen, so wie eben es schon Lomo- und Polaroidphotos es taten. Schauen wir auf ein solches Photo, nehmen wir es nicht als Abbild der Wirklichkeit mehr wahr, sondern als Darstellung einer verschobenen Grenzrealität; etwas, das war aber nicht ist. Denn über Jahre hinweg haben wir gelernt, das Bilder in dieser Optik einer gewissen Zeit entspringen; wir nehmen sie als alt, vergangen, nostalgisch und damit irgendwie ästhetisch besonders wahr. Wie das Photoalbum von Oma. Was Instagram ausspuckt hat nicht’s mit Kunst zu tun, sondern mit dem Hervorrufen eines pawlowschen Wahrnehmungsreflexes. Es ist ein ähnlicher Effekt wie mit dem Found-Footage-Filmgenre. Auch das beruht auf einer einfachen, erlernten Wahrnehmungsart: schlecht aufgelöste, verwackelte Filme nehmen wir als „wirklicher“ wahr, als glatt gebürstete Hollywood-Produktionen – nur daher funktionieren Blair Witch, Cloverfield und Co. Bilder aus Instagram „sehen wir also anders“ als Standardhandy-Photos. Ebenso wie wir alte Bilder unserer Eltern anders sehen: wir achten wenig auf Komposition, Lichteinfall, Dreck, etc., sondern die Farben, die gewisse Gefühle und Emotionen und nostalgische Anwandlungen wecken. Dennoch lässt sich auf bei Filter-Bildern ein steiler Schnitt machen und erkennen, welcher Photograph sich bei seinem Instagram-Bild mühe machte, wer begabt ist oder gar ein professioneller Photograph. Denn über ein einfach mieses Bild kann selbst der beste Filter nicht hinwegtäuschen.

    … so denke ich mir das jedenfalls gerade XD Kann natürlich auch totaler Schwachsinn sein, was ich da geschrieben habe.

  • Ich finde das ist echt lächerlich!Ich meine die machen Photos, bearbeiten die ein bischen und sagen das Kunst! Ich kann auch meine alten Socken photografieren und sagen das ist Kunst!!

  • Allgemein find ich ja, dass die Leute heutzutage viel zu viel von sich preisgeben… ob nun über facebook oder twitter oder instagramm… du hängst mal wieder besoffen in ner kneipe ab? schön für dich, aber nerv mich doch nicht damit. und verteil bitte keine fotos davon, weil neidisch bin ich deswegen auch nicht.

    zu filtern… im richtigen Mass eingesetzt, find ich sowas schön… schwarz-weiss oder sepia-fotos zum geburstag, um omi an ihre Jugend zu erinnern, sind schön und gut, aber doch bitte nicht ständig und überall.

    Und um die Botschaft des Artikels zu unterstreichen: Kotze bleibt Kotze, auch wenn ich sie mit einem pop-art-filter bearbeite.

  • Coole Idee, nur holen die Filter wirklich nicht viel raus. Gott sei Dank machen die wirklich guten Foos eben noch die Beleuchtung, das Motiv usw. aus.

  • Instagram kehrt nur das hervor, was immer schon so war: Die Vorliebe für den Effekt, der noch nie so leicht zu applizieren war wie heute und folglich deutlicher zu beobachten ist. Hinzu kommt der Trend zur Retro-/Immitation. Vermutlich steckt dahinter auch eine Suche nach Identität: Einmal zurück in die Vergangenheit, um das Neue besser zu versehen oder unbeschwerter hinzunehmen. Das Wesen der Fotografie aber bleibt davon unberührt. Präzise, authentische und lebhafte Fotos erkennt man erkannt.

  • Test ?

    Man kann nicht da durch, dass man bunte Filterchen benutzt aus schlechten Fotos bessere machen.

    Verkorkter, billiger Wein wird ja auch nicht besser schmecken, wenn man ihn aus Designergläsern trinkt.