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Brave new world: Googles High-Tech-Brille wird per App zum Personen-Scanner

geschrieben von Felix

Die Google Glasses sollen noch in diesem Jahr erscheinen. Zum Preis von unter 1.500 US-Dollar. Alles soweit bekannt und keine Aufregung (mehr) wert. Durch die von Google mitfinanzierte Glass-App „InSight“ hat sich die Stimmung allerdings wieder etwas aufgeheizt. Diese gibt einen Einblick in die Möglichkeiten der Cyber-Brille – und sorgt nicht überall für enthusiastischen Jubel.

Der digitale Fingerabdruck

Wie der „NewScientist“ berichtet, handelt es sich bei „InSight“ um ein neues, von Google mitfinanziertes System zur Personenidentifikation ohne Gesichtserkennung. Im Rahmen der HotMobile technology conference wurde die Technologie von Wissenschaftlern der Duke University und University of South Carolina Ende Februar erstmals vorgestellt. In einem Forschungspapier erklären diese recht detailliert, dass Personen über Kleidungsfarben oder auch Bewegungsmuster identifiziert werden können – textile Extravaganz und ein auffälliger Gang machen eben unverwechselbar.

Ein Prototyp, der an 15 Freiwilligen getestet wurde, habe demnach bereits beeindruckende Ergebnisse gezeigt. Die Methode soll Alternativen wie der Gesichtserkennung überlegen sein, denn die Gesuchten ließen sich so auch in großen Menschenmengen finden. Technisch also irgendwie beeindruckend. Wenn es um die eigene Privatsphäre geht, aber irgendwie doch beängstigend.


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Auch bei „InSight“ geht es im weitesten Sinn um persönliche Fingerabdrücke. Kurz gesagt wird im Fall der Kleidungserkennung aber nicht nach Papillarleisten, sondern Farben (spatiograms) und Mustern (wavelets) gesucht. Fertig ist der „Fashion-Fingerprint“. Für viele Situationen ist dieses Verfahren ganz offensichtlich geeigneter als ein Gesichtsscan. Die scheitert  nämlich regelmäßig daran, dass kein Gesicht zu erkennen ist, weil der Gesuchte gerade nicht in die Kamera schaut. Hier spielt der Fashion-Fingerprint seine Stärken gegenüber der Gesichtserkennung aus.

Datenschützers Albtraum

Bei einer Anwendung wie dieser kommen aber geradezu zwangsläufig Datenschutzbedenken auf. Nach Aussagen von Srihari Nelakuditi, einem der beteiligten Entwickler, seien derartige Einwände aber im Vorfeld bedacht worden. Der visuelle Fingerabdruck werde lediglich für einen bestimmten Zeitraum gespeichert. Auch solle der Nutzer entscheiden können, welche Fotos automatisch von ihm aufgenommen würden. So, wie es sich anhört, kann das System also nur solange funktionieren, bis ein Klamottenwechsel ansteht.

Theoretisch gehen die Möglichkeiten des neuen Systems aber weit darüber hinaus, Menschen anhand der Kleiderfarbe auf überfüllten Bahnhöfen aufzuspüren. Lokales tweeten, beschränkt auf den räumlichen Rahmen einer Konferenz zum Beispiel, oder um Werbung zu machen. Mit digitalem Lebenslauf, gleich neben meinem rosa Hemd, dem neuen Arbeitgeber zuwinken. Auch das bekannte „Wie heißt du nochmal?“ bei Partybekanntschaften wäre überflüssig.

Unvermeidbare Entwicklung?!

Einiges davon hört sich tatsächlich cool an und irgendwie scheint es erstmals wirklich ein Gadget zu geben, mit dem die Augmented-Reality-Spielereien sinnvoll zur Anwendung gebracht werden könnten. Bisher war es ja eher ein Ausdruck eigener Hilflosigkeit, mit ausgestrecktem Arm auf einem viel zu kleinen Bildschirm die reale Welt digital zu übersetzen. Mit ist jedenfalls schnell die Lust daran vergangen, umständlich digital-real das nächste Restaurant zu suchen.

Mit der Google-Brille ändert sich das womöglich. Diese eröffnet fast unvermeidbar schon bald neue Möglichkeiten und Spielereien, an die heute noch niemand denkt – im positiven wie im negativen Sinn. Super, aber eben auch bedenklich. Was heißt das Recht am eigenen Bild noch, wenn jeder plötzlich eine kaum wahrnehmbare internetfähige Videokamera auf dem Kopf hat?

Klamottenfarben, Bewegungsmuster oder Bilderkennungen bieten zudem eine Menge Potenzial für ganz neue, bisher ungeahnte Auswertungsalgorithmen. Man denke etwa an autoritäre Systeme, die Polizei und Geheimdienste damit ausrüsten, um Gegner in der Öffentlichkeit aufzuspüren. Klingt wie düsterer Science Fiction, dürfte technisch aber machbar sein. Und was machbar ist, wird irgendwann auch genutzt. „InSight“ ist nur ein Anfang. Und völlig aufhalten lässt sich die einmal in Gang gesetzte Entwicklung ohnehin nicht. Der viel beschworene gläserne Mensch wird wieder ein wenig realer.

Bilder: Google

Über den Autor

Felix

Internetabhängiger der ersten Generation, begeistert sich für Netzpolitik, Medien, Wirtschaft und für alles, was er sonst so findet. Außerdem ist er ein notorisches Spielkind und hält seine Freunde in der „echten Welt“ für unverzichtbar.

10 Kommentare

  • Es besteht also eine nicht geringe Gefahr, sich als Träger dieses Gadgets schnell ein blaues Auge einzufangen.

    Ich hör schon das Geschrei in der Bahn: „Alta, haste mich gerade gefilmt, oder was? Nein? Bin ich etwa hässlich, oder was???“ 🙂

  • Immer noch schön eines druff auf die Persönlichkeitsrechte in unserem Alltag. Ich für meinen Teil finde es schlimm, wenn sich irgendwann Realität und Virtualität komplett angleicht trotz allen technischen Fortschrittes…

  • Wenn Abmahnungen gegen die Veröffentlichung eines Personenbildes, oder Verletzung der Privatssphäre ohne Einwilligung im Netz zumal aus gewerblichen Gründen, genauso Schnell geschrieben werden könnten wie für Music Mp3 oder dem neuen LSG könnten sich sicher viele Probleme schnell erledigen.
    Warum wird denn das Recht am eigenen Bild und der Privatssphäre nicht besser Geschützt, dies ist keine technische Aufgabe sondern eine Politische.
    Es ist daher falsch von Internetfirmen oder Hardware Herstellern von Lösungen zu Verlangen, genauso gut könnte man von einem Messerhersteller Verlangen Messer herzustellen mit denen man keine Menschen mehr verletzen kann.
    Die Politik muß dieses Regeln und darf nicht immer nur aus eigenen Interesse oder Lobbyinteressen wegschauen.

  • Ich würde einiges für so eine Funktion geben. Ich habe Prosopagnosie, das heißt ich kann keine Gesichter unterscheiden. Wie man sich vorstellen kann, bringt das im normalen sozialen Leben einige Probleme mit sich. Ich weiß nicht wie oft ich schon jemanden nicht wiedererkannt habe, mit dem ich eine halbe Stunde vorher geredet habe.
    Eine Funktion, die mir den Namen einer Person nennt, ohne dass diese Hilfe ersichtlich ist, auch wenn diese Wiedererkennung nur auf einen Tag beschränkt ist, wäre eine tolle Sache für mich.

    Wie bei allem kommt es halt mal wieder auf das WIE der Nutzung an, weniger auf das OB.

  • Irgendwie schon geil: Also laufen bald tausende von potentiellen kleinen Geheimagenten rum, die mittels Brille jeden x-beliebigen Passanten am Gang erkennen können. Nicht schlecht, aber was solls bringen? Nix.
    Achso, außerdem wären mir die 1.500 Dollar für so eine Brille viel zu schaden.

  • @Torsten
    …außerdem wären mir die 1.500 Dollar für so eine Brille viel zu schaden

    Angeblich soll der Marktpreis ca. 400€ Betragen.
    Zudem sind Google nicht mehr der Einzigsten welche solche Geräte herrausbringen wollen.
    Zum Beispiel das italienische Unternehmen Si14 will dieses Jahr eine Augmented Reality-Brille für unter 300 US-Dollar auf den Markt bringen. Den Prototyp präsentierte der Hersteller auf der CeBIT in Hannover.

  • Da hilft nur noch eins: Internet abschalten. Noch vor 15-20 Jahren war das Internet ein Witz, den keiner gebraucht hat. Niemand braucht das Internet, es ging ja schliesslich auch ohne.

  • Irgendwie wird doe Entwicklung immer lustiger.
    Als sich Navis im großen Stil durchsetzten, haben immer mehr Menschen ihren Orientierungssinn ausgelagert. Klar, solange das Navi souffliert, findet man sich in jedem dorf der Welt zurecht. Aber wehe, man soll mal zur Post zwei Straßen weiter gehen.
    Und nun darf man dank Google sein Personengedächnis auslagern.
    „Wer warst du nochmal? Ja, sorry, mein Akku ist leer. Ich weiß nur noch, dass wir vorhin geknutscht haben.“
    Tolle Partyzukunft 🙂