Sonstiges

Musikindustrie: Die CD- und DRM-Falle

Tim Renner, ehemals Chef von Universal Deutschland, hatte Mr Wong auf der re:publica ein Videointerview gegeben. Zwei interessante Aussagen:
1. Die Musikindustrie saß in der CD-Falle, konnte sich nicht wie erwartet nach vorne bewegen, nachdem das Internet ihr Business zu bedrohen begann. Man konnte Kunden damals mehr als ein dutzend Lieder auf einer überteuerten CD verkaufen, obwohl der Kunde eigentlich nur 2-3 Lieder daraus haben wollte. Letztlich zahlte und zahlt auch heute noch der Kunde damit rund 4-5 Euro effektiv pro Song. Das schlug sich im hohen Einkommen nieder und es galt, diese Cash Cow am Leben zu erhalten. Denn, als börsenorientiertes Unternehmen hat man damit ein Problem, sein eigenes CD-Geschäftsmodell -bundle Musik, packe Trash oben drauf und kassiere für den Schrott ab- zu gefährden, indem man wie Apple eine gemeinsame Musikbörse auf die Beine stellt. Da schließt sich zugleich die DRM-Falle an:
2. Apple ist Marktführer, die mit 99 Cent pro Lied den Preis diktieren. Davon verbleiben den Labels aber „nur“ 68 Cent, was zu wenig sei, laut Renner. An dieser Stelle kommt nun DRM freie Musik ins Spiel, die auf iTunes für einen Aufpreis von 30 Cent verkauft wird. Die Hoffnung der Musikindustrie ist nun, dass man damit einen Preishebel in der Hand halten kann, um notwendige Mehreinnahmen zu generieren. Sprich, DRM freie Musik ist zwar für den Endkunden eine gute Sache, zugleich läuft man damit den Labels womöglich in die Preisarme, wenn sich der Mehrpreis durchsetzt:)) Ergo muss zwingend ein Einzelsong über 1 USD/1 Euro kosten, damit sich der digitale Vertrieb auf Einzelsongbasis lohnt? Hm, ich verstehe ansatzweise Renners Logik, aber finde das dennoch befremdlich aufgrund der Digitalisierung eines Produkt, wo Herstell- und Absatzkosten neu kalkuliert werden im Gegensatz zum physischen Vertriebsweg. Renner will mir also sagen, dass die Labels bei Apples Musikstore draufzahlen? come on, das hört sich nach totalem Unsinn an.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

8 Kommentare

  • Ganz einfach: First copy costs. Physikalischer Vertrieb und Herstellung scheinen preislich einfach nicht so sehr ins Gewicht zu fallen, wieRecording, Marketing und Orga und die Honorare für die Stars.
    Es stellt sich in letzter Konsequenz eben einfach die Frage, ob die moderne Welt eigentlich noch all das braucht, oder ob nicht Musik wieder das werden sollte, was es Jahrhunderte war: ein freies Kulturgut mit dem man halt nicht reich werden konnte.

  • ich kann kaum glauben das ein lied tatsächlich 99 cent kostet, wenn es früher schon immer geheisen hat das eine ganze cd inklusive sämtlicher kosten nur 50 – 100 cent kostet.

  • Ja. Herstellungskosten der CD sind bei etwas größeren Stückzahlen bei nur einem €. Der Durchschnittspreis einer CD im Laden liegt derzeit bei 15€ (ganz neu), 10€ etwas ältere und sonderpreis und bei Werbeaktionen der großen Märkte auch mal 6-7€. Das sollte also auch bei den digitalen Märkten ausreichen um Gewinn zu machen.

    Tim sagte ja auch nur, dass sich das für iTunes kaum lohnt. Versteh ich aber auch nicht ganz. Die müssen ja nur einmal die Server kaufen und dann war es das. Je erfolgreicher sie sind, desto mehr lohnt sich das.
    Die restlichen Einnahmen gehen dann an Künstler und Plattenfirma.
    Er sagt auch, dass die 68cent für die Plattenfirma zu wenig sind. Naja. Reich werden sie damit nicht, aber jeder verkaufte song im Netz ist ja wohl besser als ein illegal gesaugter.

    Um in die Single-Charts zu kommen reichen übrigens deutschlandweit wenige hundert CDs !!
    Die meisten Künstler können von CD verkäufen also wirklich nicht gut leben. Die ganz großen dafür um so besser.

  • … und wo bleibt der Künster? Was geht an ihm pro 99 Cent Song?

    Beispielrechnung (bin kein Experte): 99 Cent Song (10 Cent der Künstler, 31 iTunes, 58 Label), bei 100.000 Downloads = nur 10.000 € einmalig pro Künstler – da ist ja gar nix! Das spricht ja alles für den Direktvertrieb bzw. „low cost Label“ welche lediglich eine Aggregationsfunktion ausüben..

    Bleibt noch die Gema, was gibt das pro gespielten Song?

    Von CD kann ja lt. Experten keiner mehr Leben, d.h. diese werden dann auch bald bei MediaMarkt & Co. verschwunden sein…

  • Ja. Beim Künstler bleibt nicht so viel übrig. Im Prinzip laufen die Gewinne heute meistens über Konzerte und Merchandise.

    Du liegst mit deinen 10cent/10% für den Künstler leider immer noch extrem weit weg von der Realität. Ich hab hier ne sehr schöne Übersicht gefunden:
    http://www.bpb.de/themen/F0KE7G,0,0,Verteilung_der_Einnahmen_beim_MusikVerkauf.html

    Ich finde Interessant, dass der GEMA Anteil bei 6% liegt. Die vertreten ja bekanntlich die Rechte der Künstler. Treiben also bei Radiosender, Discos usw. Geld ein. Ein Teil davon fließt dann zwar auch noch wieder zum Künstler, aber das System ist glaube ich wieder recht ungerecht, sodass die, die sowieso schon von Verkäufen leben können noch mehr bekommen.

  • Bei Diskussionen wie dieser, dreht sich alles meist nur die Gewinnausschüttung und wie wenig davon beim Künstler ankommt.
    Es ist aber selten die Rede davon wie viel z.B. Labels investieren müssen um ein anständiges Produkt zur Marktreife zu bringen (Studio ect.).
    Von Marketing und Promotionkosten ganz zu schweigen.
    Wenn diese Maßnahmen alle greifen und der Künstler bekannt wird, kann dieser wiederum mit Livegigs ect. noch Geld verdienen, während das Label schon lange pleite ist.

    Anders sieht dann mit den Händlern, dem Staat und den anderen Abgreifern aus, die diesem Prozess verhältnismässig wenig beisteuern und trotzdem, bei geringem oder null Risiko, noch Marge machen.

    Von der GEMA ganz zu schweigen, die ja grundsätzlich an jeder Stelle, sei es bei Radio, Live, Download oder CD-Verkauf die Hand aufhält, aber ungern an die kleinen (ausgeschlossenen) Mitglieder wieder etwas ausschüttet.

    Es gibt einen netten Beitrag, der aus der Sicht eine Mitgliedes, einen kleinen Überblick über Geisteshaltung der GEMA verschafft:

    GEMA Brief Ausgabe 63 September 2007

    Beitrag von Jörn Pfennig/Berufsgruppe Komponisten unter der Rubrik:

    Delegierte stellen sich vor

    http://www.gema.de/presse/publikationen/gema-briefe/