Sonstiges

das unerotischste Thema schlechthin: Datenschutz

es ist nicht so, dass wir in Deutschland das Thema nicht zu Genüge diskutiert hätten, nur erreicht es mE nach nicht mal ansatzweise einen spürbaren Teil der Bevölkerung. Warum? Es ist genauso wie mit dem Internet oder anderen Dingen, die man physisch nicht fassen kann. Daten haben etwas mit Technik zu tun. Mit Bits und Bytes. Was ist ekliger als das? Höchstens sexy für die paar verrückten Typen mit dicken Hornbrillen und Mac- und Linux-Computern unter dem Arm. Man kann das aber auch aus einer anderen Perspektiven betrachten. Welcher? Datenschutz ist ein viel zu kleines Wort. Für etwas, das meiner Meinung noch viel umfänglicher auf gesellschaftlicher Ebene ein Thema sein wird. Bröseln wirs auf.

Unsere Fähigkeiten, sich in uns fremde Dinge zu versetzen, sind außergewöhnlich beschränkt. Je weiter weg sie von unserem persönlichen Erfahrungshorizont entfernt sind, spielen sie in unserer jeweils eigenen Welt keine Rolle mehr. Fragt doch mal einen normalen Nutzer eines PCs, ob er ungefähr weiß, wie eine Mail von A nach B kommt und welche Wege sie nimmt. Antwort: „Ja, ich klicke auf Senden und der andere bekommt die halt“. Wenn man demnach über Daten und Datenschutz spricht, könnte man genauso über die Relativitätstheorie sprechen. Es ist völlig egal:) Er hat nicht einmal ansatzweise ein Gefühl für den abstrakten Begriff „Daten“. Der Mensch außerhalb der IT-Kreise hat nicht mal ansatzweise eine Vorstellung von dem Gefüge, was IT und was Internet technisch ausmacht. Ebensowenig hat ein ITler einen blassen Schimmer von den biochemischen Vorgängen in seinem Körper. Und die Komplexität des gesamten Themas ist unglaublich. Es ist dermaßen wachsweich, dass man es kaum greifen, geschweige denn auch nur ansatzweise sexy herüberbringen kann. Denn es hat sehr viel mit der Zukunft zu tun, weniger mit dem Jetzt. Aber dazu kommen wir gleich.

Irgendwas kocht da halt vor sich hin, aber man atmet und isst und lebt doch, ohne es wissen zu müssen. Die Welt dreht sich weiter, ohne dass man jemals etwas von Gravitationskräften und Umlaufbahnen gehört haben muss. Mir gehts doch auf dem Blog hier genauso: Wenn ich mal etwas über Datenschutz. Persönlichkeitsrechte, Privatsphäre oder Google schreibe, weiß ich, dass ich einerseits als Datenspinner und Googlespinner von der Mehrheit betrachtet werde. Die Welt dreht sich auch ohne mich weiter.

Mag alles sein. Jedoch, je mehr die Menschen ihr Leben digitalisieren werden, wird im gleichen Atemzug der persönliche Erfahrungshorizont erweitert. Man wird dann eben hin und wieder im Extremfall von Mails bombardiert, die von WISO stammen und darauf hinweisen, man habe irgendwo Deine Daten im Netz gefunden, mit denen man fröhlich auf indirekte Art und Weise Dein Konto leergeräumt hat. In der Summe werden sich auf der Zeitachse Erfahrungen kumulieren, die man mit anderen wie gehabt austauschen wird. Vorbei also die Zeit, dass man auf der Straße herumlief, sich mit Kumpels unterhielt und sich dabei im Privatbereich wähnte. Denn man wird im übetragenen Sinne lernen, dass man auf Internetstraßen so etwas wie Privatsphären nicht kennt. Die Erfahrungen aus dem RL werden nicht mehr aufs Virtuelle projiziert, sondern sie werden voneinander separiert. So what? Aber hallo! Wir reden von gesellschaftlichen Prozessen und Veränderungen, nicht von irgendeinem Ereignis, das keine Rolle spielt.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Home Office
Senior Social Media Manager:in im Corporate Strategy Office (w/d/m)
Haufe Group SE in Freiburg im Breisgau
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen

Alle Stellenanzeigen


Ja doch, ich predige, das Heil der Menschheit liege im Netz. Zugleich aber predige ich ebenso, dass man sich stets bewusst machen sollte, dass eine zunehmende Digitalisierung des eigenen Lebens Konsequenzen nach sich zieht. Die wir zwar erneut aufgrund unserer beschränkten Fähigkeiten nicht voraussehen können, was aber niemanden daran hindern sollte, sensibler und bewusster die Entwickklungen zu denken. Dieses Heil im Netz kann zugleich zu einem Fluch werden. Lernen wir aus der Geschichte, wird niemand auch nur ansatzweise so dumm sein davon auszugehen, dass sich Gesellschaften nicht ändern. Auch hin und wieder zum Schlechten hin. Ein Gedankenspiel: Könntet Ihr Euch das Dritte Reich im Jahr 2100 vorstellen? Mit all den Möglichkeiten der Technik? Gute Nacht. Sämtliche persönliche Informationen bis hin zu Euren genetischen Daten liegen in der Hand von lokalen und überregionalen „Gau-Leitern“. Undenkbar? Ein Schreckensszenario? Gesellschaften bewegen sich stets irgendwo zwische Extremen. Selten am Extrempunkt. Übetragen auf die Datenproblematik und Transparenz eines Menschen bedeutet das, dass man in Teilen privat ist. In Teilen komplett öffentlich.

Was das bedeutet? Es bedeutet, dass man uU seinen Job verlieren kann. Oder erst gar keinen bekommt (StudiVZ, MySpace, Facebook…). Oder Versicherungskonzerne je nach Gentest -dont laugh, its coming- höhere Prämien im Bereich Gesundheit und Leben zahlen darf. Es bedeutet, dass man je nach Zugehörigkeit zu Gruppen in Social Networks unter seinen Freunden sozial anerkannter ist (SchülerVZ). Es bedeutet, dass man oW über Nacht im Verdacht stehen kann, ein Kinderschänder zu sein, ohne auch nur ansatzweise sich dagegen wehren zu können. Ein blödes Foto, das man fehldeutet und good bye. Reden wir von Morgen? Nope, wir reden vom Jetzt! Die zunehmende Vernetzung und Angleichung der Systeme an unser menschliches Sozialverhalten (Social Networks spiegel in Ansätzen genau das wider!) ist zugleich ein gigantischer Datenstaubsauger. Und wie bei allem im Leben, interpretiert man Daten je nach Sichtweise. Man wertet Daten aus. Maschinell und menschlich. Auch wir tun das ständig. Unser Gehirn empfängt, bewertet und speichert Daten ununterbrochen. Maschinelle Prozesse spiegeln das genauso wider. Indem wir aber interpretieren, bewerten wir. Wir bewerten Dinge und … Menschen. Auf persönlicher Ebene wie auch auf kommerzieller und staatlicher Ebene. Je mehr Daten wir haben umso besser können wir das. Die Einzelperson kann das jedoch schlechter als ein maschinelles System.

Die Frage ist aber, ob man das als Mensch will? Möchte man alles wissen? Was wir bisher sagen können: Ja. Bezieht sich das nur auf das naturwissenschaftliche Verständnis oder auch auf das Verständnis von Menschen? Ist das gut? Ist das schlecht? Unsere Gesellschaftsform hat dazu eine klare Antwort gegeben, die im Grundgesetz verankert ist: Jeder Mensch hat ein Anrecht auf Privatsphäre. Was man wiederum auf den Freiheitsgrundsatz bezieht, um jeden Menschen nach seinem Gusto sein Leben weitestgehend selbstbestimmt gestalten zu lassen. Ohne eingeschränkt zu werden. Was die Väter und Vorväter des Grundgesetzes nicht ahnen konnten: Die Entwicklung externalisierter Verarbeitungsmöglichkeiten unterwandert diesen Gedanken systemisch (Bsp: Die freiwillige Nutzung von StudiVZ zieht uU das unfreiwillige Auswerten der Daten durch Personaler nach, das ist jedoch nichts anderes als eine schreckliche Einschränkung der persönlichen Freiheiten im privaten Umfeld, derer sich die meisten von der Dimension nicht mal ansatzweise bewusst sind! Es hat keine Prio im Denken, man kennt es nicht zu Genüge aufgrund seines eigenen Erfahrungsumfelds). Und wir tun das freiwillig, indem wir diese neuartigen Maschinen nutzen. Nicht mit der Absicht, unsere Freiheit einzuschränken. Sondern unser Leben noch flexibler dank der Maschinen gestalten zu können. Auf diesem Weg wird es insofern noch einige Korrekturen geben, die aus den gesellschaftlichen Erfahrungen genährt werden. Wie immer? Wie immer. Wir tun, wir lernen, wir passen an. Die Ära der vernetzten Maschinen hat erst begonnen. Ich noch sonst irgend jemand vermag zu sagen, wo es hingeht. Auf dem Weg kann ich lediglich nur bestimmte Punkte herausgreifen. Exemplarisch. Denn nur daran lernen wir. Beispiel?

Aktuell befasse ich mich gerne mit Google. Eine exzellente Firma. Ohne Frage. Aber sie entwickelt sich zu einem Symbol einer vorausgeahnten Entwicklung, dass wir als Mensch zunehmend zu einem Datenmuster werden. Natürlich ist das gewissermaßen gemein, Google herauszupicken und auf denen herumzuhacken. Aber in einem viel größeren Komplex dient mir Google als Platzhalter. Es interessiert mich nicht, ob sie langfristig dadurch -durch die allgemeinen Diskussionen- zunehmend in Bedrängnis geraten. Es ist lediglich eine Firma. Ok, eine der bekanntesten Firmen. Aber genau darum kann man sich an denen stellvertretend für gesellschaftliche Entwicklungen abarbeiten. Firmen kommen und gehen, Entwicklungen bleiben bestehen. Ob mit oder ohne Google. Heute Google, morgen jemand anders. Google kann sich auf Dauer nur retten, indem sie wesentlich umfassender und proaktiver auf die gesellschaftlichen Entwicklungen eingehen, die sich im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Lebens andeuten. Firmen besitzen aber grundsätzlich dieses gesellschaftliche Verantwortungsgefühl nicht. Sie drehen sich um sich selbst und kümmern sich wenig um langfristige Entwicklungen. Sie besitzen jedoch Dank ihrer Finanzkraft die Möglichkeiten, in legislative Gestaltungsprozesse einzugreifen. Ebenso aber sehe ich auf der anderen Seite die zunehmende Verantwortung der Netzbewohner per se, sich dieser Rolle eines Gestalters bewusst zu werden, denn die Möglichkeiten dazu sind uns auf andere Art und Weise gegeben. Sozusagen als Gegenkraft im ureigensten Interesse. Ausgleichend, nicht gegensätzlich zu anderen Kräften, ich bin kein Terrorist:) Versteht mich daher nicht falsch: Ich bin wie jeder Mensch multidimensional. Ich verstehe und akzeptiere, dass eine Gesellschaft heute durch die Wirtschaft ernährt wird. Es wäre dumm, sich dagegen zu wenden, wer will schon verhungern? Wer will schon verhindern, dass man aufgrund Services und Produkten sein Leben besser gestalten kann? Zugleich aber gibt es Werte, die höher wiegen als ein gesundes, ökonomisches Gefüge. In dessem Zentrum immer der Mensch steht. Der sich entfalten, leben und ganz banal gesagt glücklich leben können soll. Damit er das kann, muss man wirtschaftliche und zwischenmenschliche Interessen zusammenbringen. In einem ewigen Spiel aus pro und contra.

Darum schließe ich diesen langen Gedanken mit Google ab, als Platzhalter, nicht aber wegen einem gesteigerten Interesse an Google als Firma. Ich bin nicht Googles Feind, aber zugleich auch nicht ein Freund.

Is data centralization in the hands of a single vendor an inherent threat to privacy? Yes. To draw an analogy, trusting the „Do No Evil“ line is like saying you’d support a President that you like changing the constitution to allow warrantless wiretapping. Centralization of power, even if it’s exercised benevolently at any given time, is not in our best interest in the long term. In fact, I’d argue that it’s highly irrational.

Marshall Kirkpatrick, Read Write Web

Und ein allerletzter Punkt zum Abschluss: Wenn es eine Creative Commons Lizenz für urheberrechtlich geschütze Werke gibt, die im Zuge der Digitalisierung den Umgang mit Rechten erleichtern soll, warum denkt man nicht über ein Creative Commons von „Menschendaten“ nach? Wieso fällt es einem Social Network, um ganz konkret zu werden, so schwer, einen Passus einzuführen, der es Kommerziellen untersagt, Bilder, Foreneinträge, Twitteresques usw zu sichten, auszuwerten und zu speichern? Wer gibt Kommerziellen das Recht, Menschendaten zu sichten, nur weil sie im Netz stehen? Es geht sie nichst an! Und eine CC-Lizenz kann der User selbstbestimmt anpassen. Wenn es ihn nicht stört, kann er oW ein kommerzielles Grabbing seiner Daten zulassen. Oder einer Weitergabe der Daten unter Maßgabe der Verwendung der gleichen Lizenz zustimmen (=“share alike“). Je nach Datensatz, je nach Umfeld.

Letztlich, fuck it (sorry)… ich weiß, es juckt nicht, was ich schreibe. Warum ich es dennoch tue? Als Blogger muss man gewissermaßen ein hoffnungsloser Fall von Optimismus sein. Es ist bisserl wie Borg. Man ist teils selbst ein Borg, weils gut ist, will sich aber nicht gänzlich assimilieren lassen, was in sich widersprüchlich ist:)

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

32 Kommentare

  • Wow, ein langer aber sehr guter Beitrag.

    Bei dem Beispiel mit dem 3. Reich 2100 bzw. dem allwissendem Gauleiter musste ich schlucken. Das ist selbst mir noch nie so bewußt gewesen!

  • Natürlich ein trockenes Thema, aber du machst es mit deiner Gedankenwelt sehr lebendig!

    Könntest es ja auch in mehrere Beiträge z.B. über eine Woche aufteilen, denn so ein Thema verwächst nur auf Dauer mit unserer Wahrnehmung, von daher wäre es auch schade, wenn der Beitrag nach 24 Stunden schon auf Page 2 landet. 🙂

  • Gerade weil Daten so schwer erfassbar sind, konnten keine wirklichen Regelungen getroffen werden. Die Frage ist nicht, was mit Daten geschieht, denn das kann man sich sowieso ausdenken. Selbst wenn Google (als Variable) deine Daten nicht „missbraucht“, haben sie eine Akte von dir, damit können sie sowohl positives als auch negatives leisten. Die eigentliche Frage ist, ob es legitim ist, dass so viele Daten weiterwandern können, dass die eigentliche Anonymität des Internets im Mitmachweb verschwindet. Um bei Google zu bleiben: Wenn ich einen Gmail-Account habe und mich einlogge, ist meine IP gespeichert, gehe ich nun auf verschiedene Seiten, die Google Adsense nutzen, weiß Google also immer noch, dass ich das bin. Ich glaube Daten an sich sind oft nichts wert, wenn sie nur brachial entstehen, weil jemand mal etwas in die Datenbank eingibt. Interessant sind Daten erst, wenn sie in einer weitläufigen Akte existieren. Es ist zunehmend so geworden, dass Datenbesitz im Internet die Millionen- und Milliardenunterschiede macht.

    Die Gesellschaft hütet sich eben nicht davor, weil sie oft langsam ist, auf der anderen Seite will die Regierung auch ja nicht, dass solche Daten verschwinden. Privat hat sich eben aufs Netz übertragen, nur wissen die wenigsten, dass das eben mehr oder weniger eine öffentliche Privatsphäre ist, die zwar nicht von jedem, aber doch von großen Mächten observiert wird.

    Das IT „unsexy“ ist, gefällt mir ja irgendwie noch, sodass ich mit meinen fettigen Haaren, einer Hornbrille und einer Pizza weiter in die Röhre gucke, bis ich mir mal einen TFT-Monitor kaufe.

  • Danke Robert. Ich versuche schon immer unseren ganzen Baseball-Kids tipps zu geben was Privatspähre im Netz bedeutet….

    Und das mit dem Gauleiter und dem Genkram macht Google doch schon!!!!

    ———————
    Google-Health
    ———————
    Google Health puts you in charge of your health information. It’s safe, secure, and free.

    Organize your health information all in one place

    Gather your medical records from doctors, hospitals, and pharmacies

    Keep your doctors up-to-date about your health

    Be more informed about important health issues
    ———————

    Ja ich packe meine Krankengeschichte und alles darein…

    Dann ist mir der Name dieses Erbgut-Social-Networks entfallen, wo sich Google auch beteiligt hat- DNA Auswertung und dann Freunde nach DNA suchen……..

    Denkt mal drüber nach, wie weit das noch von „Roberts Gauleiter“ entfernt ist…..

    und diese Seiten wie Verwandt.de wo man schön sämtliche Familienverbindungen einträgt…. jaaaaaa

  • Gerade nochmals über das Thema nachgedacht, vielleicht muss man es sogar in homöopathischen Dosen dem Nutzer vorlegen.

    Nach der gestrigen WISO-Debatte wurde ich von meiner Mutter 3 mal angerufen, damit sie auch ja nur genug Passwörter ändert. Am liebsten hätte sie ihren Pincode bei der Bank gleich mit geändert.

    Die mehr als 300 Kommentare im Blog von Lizdba zeigen ebenso, dass dieses Thema bisher nur schläft.

    Das Weiterdenken, in Visionen, wie du es sonst bei einigen anderen Themen machst, ist im Thema Datenschutz fassbarer als man denkt.

    Ich will keine Gauleiter!

  • meiner meinung nach ziemlich abstraktes thema, das nichtmal alle erfassen können, weil sie nicht dazu in der lage sind.

    nebendem das die aufklärung nicht alle erreicht, wollen es auch garnicht alle „annehmen“. siehe an studivz und co wo alle brav ihren lebenslauf ect. reinknalln, damit sie mitreden können. da muss man sich fragen was ist wichtiger? in dem moment cool zu sein, oder seine daten zu schützen.

  • Besonders der abschließende Gedanke der „private data commons“ gefällt mir. Denn ein großes Problem, das ich sehe: Das Urheberrecht – auch eine Form von „Datenschutz“ im Wortsinne – steht kulturevolutionär an seinem Ende; und vermutlich tut das gerade der ganze Datenschutz. Nicht nur von Seiten „böser“ Unternehmen aus, sondern weil man nicht mehr den Anspruch darauf erhebt. Ich hab kürzlich mit einer Reihe Elftklässler zum Thema gearbeitet – mit dem Ergebnis, dass dort kaum jemand auch nur die Spur einer Sensibilität ausweist.

    Weist man dann auf Bedrohungen hin wie z.B. einen eventuellen totalitären Staat, der in den Besitz der Daten gerät, ist der Schock groß – aber schnell wieder weg. Das schreckt nicht. Vermutlich auch, weil man intuitiv weiß, dass nicht nur man selbst jede Menge Dreck am Stecken hat: Sondern jeder. „Der Cyberspace“ (wie man das bis vor einigen Jahren noch geannt hat) wird sich vermutlich eher auf Seiten der Auswertung (also faktisch: der Wertung, vor allem Abwertung) der Daten ändern müssen, die von allen anfallen. Er muss basistolerant werden.

    Und ja: Da entpuppe auch ich mich als hoffnungsloser Optimist;).

  • Unterschreib ich sofort Robert!

    Ein sehr guter Beitrag zu einem in der Allgemeinheit nicht verstandenen Thema, wie wahr. Hab selbst immer Probleme Nicht-ITlern die Brisanz des Datenschutzes zu erklären. Es ist abstrackt und nicht im Alltag greifbar.

    Muss Dein Post nochmal lesen, gibt mir Denkanstöße – Creative Commons für ‚Menschendaten‘ – gefällt mir. Grübel….

  • Hallo Robert,

    in Deutschland sterben jedes Jahr rund 820.000 Menschen. Ein Großteil davon war online unterwegs. Die Daten der Toten schwirren weiterhin im Netz rum. Es gibt kaum eine gangbare Praxis diese Daten aus dem Netz zu filtern. Können mich Kommentare, Bilder, Texte oder Profile eines verstorbenen Angehörigen belasten? Der tote Verfasser/Autor kann sich ja nicht mehr wehren bzw. selbst die Daten löschen. Die Rechtssprechung sagt, das ein Toter gar nicht mehr unter das Datenschutzgesetz fällt. Auch ein Problem das immer aktuter wird und sogut wie nirgends wo besprochen wird. Die Rechtssprechung sagt, das ab dem Tod des Verfassers aus seinen Daten wie Bildern „Kunst“ wird (§ 22 Abs. 3 des Kunsturhebergesetzes), somit nicht mehr unter Daten im Sinne von Datenschutz fallen. Irre!

    LG, Roberto

  • Naja, man muss nur warten, bis man mit den Daten mehr machen kann. Das was ich heute morgen gelesen habe, dass man anhand der Schatten Menschen identifizieren will – und das auch aus dem Weltraum – macht mir schon Angst. Im Prinzip braucht man nur das Gang-Profil eines Menschen, also letztlich nur Daten, und kann dann Weltweit feststellen wo er gerade ist.

  • @Roberto, ist das so wirklich richtig? Greift da nicht letztlich das Erbrecht, das sehr viel stärker als Datenschutzrecht oder andere Rechte greifen sollte?

    @Horst, wow… hast Du dazu einen Link parat?

  • Als ich Mitte der 90er Jahre ein (damals technologisch führendes) Firewallprodukt in Deutschland produzierte und vermarktete, bemerkte ich, dass das gar nicht so einfach ist, wie ich anfänglich dachte.

    Irgendwann stellten wir den Grund fest: Datenschutz/ Netzwerk-/ Datensicherheit ist nicht nur „unsexy“, wie Du schreibst sondern höchst lästig. Auch für die mit den dicken Hornbrillen.

    Internet funktioniert doch scheinbar auch prima ohne Firewall und (Daten-)schutz. Und durch den Schutz wird aber immer irgendwie die persönliche Kommunikationsfreiheit eingeschränkt. Es ist lästig und unsexy und man hat irgendwie keinen echten, greifbaren Vorteil dadurch, nur einen abstrakten „Schutz“, von dem irgendwelche anderen immer sprechen, den man aber persönlich noch nicht schätzen gelernt hat.

    Erst wenn die negativen Auswirkungen häufiger auftreten und für den Einzelnen persönlich erfahrbar und greifbarer werden, wird der Schutz (obwohl man gerne darauf verzichten würde) notgedrungen akzeptiert.

  • Hallo Robert,

    Du hast vollkommen recht, das Erbrecht kommt danach ins Spiel und es liegt in der Hand der Angehörigen die Daten des Verstorbenen zu „verwalten“. Nur, wer weiss schon wo der Verstorbene welche Daten ins Netz gestreut hat? Und so lange diese Daten nicht ausdrücklich eingefordert werden, sind die „Freuwild“ für die Datendiebe und Hacker. Und leider ist das der Regelfall denke ich. Wenn ich morgen sterbe, dann werden meine Eltern bestimmt nicht daran denken meinen facebook-Account samt Bildern und sonstigen Daten von mir per Antrag löschen zu lassen. Wie soll das geschehen? Per E-Mail an den Support? Wohl kaum.

    Wie gesagt 820.000 Tote alleine in Deutschland pro Jahr.

    Lieben Gruß,

    Roberto

  • Zu #10 und #15 ist ja Wahnsinn, wußte ich so auch noch nicht.
    Also doch an alle Daten ein ‚Verfallsdatum‘ hängen, damit dann diese Daten sich automatisch löschen?! So einen Vorschlag gab schon mal.

  • aber wenn man schreibt, daß es nur über Kultur und Wissenschaft möglich ist, das Netz als Technik vernünftig in der Gesellschaft zu verankern und der Monetarisierungsgedanke dies pervertiert und dem im Wege steht, wird man wieder niedergeschrieen und als naiv abgestempelt.
    Aber ist nicht eher naiv, an ein ‚don’t be evil‘-Geschwätz zu glauben und anzunehmen, Konzerne würden (zum ‚Wohle der Menschheit‘) auf Möglichkeiten verzichten, sich einen Wettbewerbsvorteil (z.B. durch Raserdatenauswertung oder mangelnde Medienkompetenz der Nutzer) zu sichern?
    „[…] hoffnungsloser Fall von Optimismus sein. Es ist bisserl wie Borg. Man ist teils selbst ein Borg, weils gut ist, will sich aber nicht gänzlich assimilieren lassen […]“ – Ich werte das mal als Resignation. Schade irgendwie, aber verständlich.

  • Ich finds immer ein bisschen traurig. Viele Leute reagieren nur, wenn es sie selbst trifft. Also Neubau Flughafen XY stört mich erst dann, wenn die Flugzeuge über meinen Garten ihren Anflug fliegen usw. oder halt was will ich mit Datenschutz, wass soll da schon passieren. Desshalb müsste man tatsächlich einen Schutzmechanismus finden, der die Leute quasi davor bewahrt. + Danke für diesen Beitrag!

  • Irgendwie ist das Problem ja auch, dass es als extrem sexy gilt, Daten zu hinterlassen. Anerkennung läßt sich persönlich nur erlangen, wenn man sich zu erkennen gibt (und die notgedrungene Anonymität einer Hackerkultur gibt es in der Blogosphäre nicht). Ich merke das als Blogger ja selbst, dass ich mich freue, meinen (Nick-)Namen oder den Titel meines Blogs irgendwo im Web zu lesen. Je mehr man von sich preisgibt, desto mehr Anerkennugn erhält man über social networks und andere Web 2.0-Plattformen. Und konkrete Anerkennung ist nunmal ein meist höher gewertetes Gut als abstrakter Schutz vor irgendwelchem Datenmissbrauch.

    (Letzterer wird aber gerade in der letzten Zeit auch in etablierten Medien greifbar in Form der Abbuchungen ohne EInwilligung.)

  • @JuHi
    Ich glaube tatsächlich, dass der Gedanke höchst naiv ist, das Unternehmen nicht jede erdenkliche Möglichkeit nutzen, ihre Gewinne zu maximieren. Insofern finde ich verschiedene Ansätze von Google und Studivz und Konsorten schon höchst bedenklich (wenn ich mir deren AGBs oder EULAs so anschaue).

  • […] Robert Basic macht sich Gedanken über den Datenschutz und empfiehlt eine Art Creative Commons Lizenz für “Menschendaten”. Damit soll es einen rechtlichen Schutz für Daten zur Person und ihren Äußerungen geben, der grundsätzlich restriktiv (antikommerziell) voreingestellt wäre, vom Einzelnen jedoch auch (individuell) freier gehandhabt werden könnte. […]

  • Vielen Dank für diesen hervorragend zusammengestellten und geschriebenen Artikel!!!
    Ich freue mich schon darauf, ihn in meinem Vortrag an der Stuttgarter Volkshochschule zum Thema „Sind Sie schon ein gläserner Bürger?“ zu zitieren.

    Auf die Sache mit dem 3. Reich kamen wir, als ich bei Ver.di Anfang dieses Jahres einen Vortrag über RFID gehalten habe und eine ältere Dame, die die Nazi-Diktatur miterlebt hat, für ihr Entsetzen fast keine Worte mehr fand.

    Ich denke, dass wir ITler (ich zähle mich dazu, auch wenn ich eine Lese- und keine dicke Hornbrille brauche) in der Verantwortung stehen, so viele „Normalbürger“ wie nur möglich über die Risiken und Nebenwirkungen des (bequemen) Online-Lebens aufzuklären.

    Im übrigen ist mir der Datenschutz genauso wichtig wie ein anderer, der sich auf eine ebenso abstrakte Gefahr bezieht und daher auch nicht als „sexy“ gilt: Der Umweltschutz.

  • Die Creative-Commons-Idee für personenbezogene Daten gibt es schon länger: http://netzpolitik.org/2007/iconset-fuer-datenschutzerklaerungen/

    Im Übrigen ist Datenschutz als Thema weder cool noch uncool (ich mag diese Sex-Metaphern nicht so). Das hängt nämlich ganz davon ab, ob die Leute, die es machen, cool sind. Und wenn sie es nicht sind, müssen sie halt mit den coolen Leuten rumhängen. 😉

    Das mit den ekligen Bits und Bytes liegt nämlich nicht am Thema selber, sondern nur daran, dass die Geschichten dazu manchmal falsch erzählt werden. Da liegst du mit dem Gauleiter-Beispiel schon besser.