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Gegen das Vergessen: MySpace probt ein letztes Aufbäumen

Was wurde eigentlich aus MySpace-Tom aka Thomas Anderson, der vor fünf Jahren seine Plattform für über eine halbe Milliarde Dollar Rubert Murdoch unterjubelte? Sein letzter Blogeintrag auf MySpace datiert zurück auf den 2. Mai 2009. War dies der letzte Tag, an dem sich etwas Berichtenswertes in dem Netzwerk ereignete?

MySpace dümpelt schon lange Zeit im offenen Meer vor sich her, das ist kein Geheimnis. Was aber immer deutlicher hervortritt, sind die hässlichen Rostflecke am Rumpf des einstigen Web 2.0-Tankers. Die Taktfrequenz der Innovationen kam schon vor Monaten zum Erliegen, die Nutzer fliehen und alles, was Murdochs News Corp. dazu zu sagen hat, ist das Durchhaltemantra: „Ja, irgendwann! Entertainment! Irgendwann!“ Vergangenes Jahr rauschte Facebook bei den Nutzerzahlen an MySpace vorbei. Heute verfügt Zuckerbergs Netzwerk weltweit über 400 Millionen Mitglieder. MySpace? Bringt es gerade noch auf 100 Millionen – Tendenz dramatisch weiter abnehmend.

Umso überraschter darf man sein, dass es der „USA Today“ gelungen ist, die MySpace-Doppelspitze Jason Hirschhorn und Mike Jones zum Interview zu überreden. Das wirklich Überraschende an den Informationen, die wir hier erfahren, ist aber nicht ihr Gehalt, sondern die Zuversicht, mit denen sie vorgetragen werden.


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Das Herz schlägt offenbar noch

„Es wäre dumm, die Rechnung ohne uns zu machen“, stellt Hirschhorn klar. Es gebe noch immer einen „Puls der Popkultur“ auf MySpace (das metaphorische Testen der Vitalfunktionen ist keine freie Übersetzung von mir). Das Unternehmen will wieder ein wenig mehr in Entwicklung und Design investieren, um Labels, Nutzer und vor allem Werbekunden an Land zu ziehen. Im Mittelpunkt der angekündigten, nicht annähernd bahnbrechenden Änderungen stehen vier Elemente:

1. Die Profilseiten der Nutzer sollen weiterhin persönlich bleiben („Thanx 4 the add! Lol, Greetz!“), aber nun klarere Strukturen aufweisen. Jones räumt ein: „Das Produkt ist zu groß und verstopft.“ Es sei „aus dem Fokus“ geraten.

2. Die professionellen Seiten der Stars sollen weiter aufgebohrt werden: Eine übersichtliche Navigation, aber auch mehr Content (wie Künstler-Enzyklopädien) sind geplant.

3. Casual Games, wie „Wild Ones“ (erfolgreich auf Facebook), sollen die Attraktivität der Plattform und die Verweildauer der User erhöhen. Laut Jones zocken heute 30 Prozent der Mitglieder – 50 Prozent sollen es werden.

4. Die Integration der Twitter-Feeds soll vorangetragen werden: Tweets erscheinen auf MySpace, MySpace-Updates auf Twitter.

Das war es. Oh, am Rande des Interviews wurde noch erwähnt, dass ein „neues Unternehmenslogo“ (hatten wir das nicht erst kürzlich?) im Gespräch sei – meiomei: hoffentlich lehnen sich die Jungs nicht zu weit aus dem Fenster.

Man wird sehen, ob ein paar Flash-Games, Filmtrailer und Bandinfos die Plattform im Glanz alter Zeiten neu erstrahlen lassen können. Ich habe da so meine Zweifel. „Wenn wir an Twitter und Facebook denken, denken wir weniger an Wettbewerb, als an Partnerschaft, Vertrieb und Synchronisierung“, beteuert Hirschhorn. Und ich glaube, genau hier liegt das Problem: MySpace hat sich lange genug ausgeruht und andere machen lassen. Facebook schießt beinahe monatlich neue Features aus der Hüfte. Man bestaune den dortigen App-Wahn, das neue Location-Feature oder das geplante, gigantische VoIP-Netz für 400 Millionen Mitglieder. Was macht MySpace? „Ah… wir bieten jetzt auch E-Mail-Adressen für unsere Nutzer.“

Änderung bis zum Sommer: oder das war es

MySpace hat nicht mehr viel Zeit, um sich zu retten. Es wird geschätzt, dass die Plattform für das vergangene Jahr rund 350 Millionen Dollar Umsatz anmelden wird und damit noch knapp profitabel dasteht. Es gibt also noch ein kleines Polster für Innovationen, das gut überlegt aufgebraucht werden sollte. EMarketer hat errechnet, dass die Ausgaben der MySpace-Werbekunden in diesem Jahr um 21 Prozent fallen werden. Und dann ist da noch Google: Der Suchriese zahlte MySpace 2007 um die 900 Millionen Dollar, damit auf dem Netzwerk drei Jahre lang Google als Standardsuche integriert wird. Dieser Vertrag läuft im August aus. Ob Google ihn verlängert wird, steht auf der Kippe. Neben dem Mitgliederschwund dürfte sich Mountain View auch an den jüngsten Äußerungen Rupert Murdochs (Chef der MySpace-Mutter News Corp.) stoßen, in denen Google als dreister Content-Dieb bezeichnet wird. Zudem ist Murdoch gerade mit der Vorbereitungen einer Klage gegen Google beschäftigt.

Ich wage jetzt einmal eine Prognose: Wenn es MySpace bis zum Sommer nicht geschafft hat, signifikante Änderungen auf der Plattform durchzusetzen, ist es das Aus. Kein Marketingverantwortlicher bei klarem Verstand wird ab diesem Punkt noch Geld in das Netzwerk pumpen. 2004 überholte MySpace Friendster und ließ es sich hinter sich im Staub. Fünf Jahre später überholte Facebook dann MySpace – irgendeine Konsequenz muss es auch hier geben.

(André Vatter)

Über den Autor

André Vatter

André Vatter ist Journalist, Blogger und Social Median aus Hamburg. Er hat von 2009 bis 2010 über 1.000 Artikel für BASIC thinking geschrieben.

17 Kommentare

  • Für mich klingt die Taktik, die Zuversicht bei den Features, unterschwellig mehr nach „Wir halten das Teil jetzt so lange, bis gar nichts mehr bei rumkommt“ und machen dann dicht. Sozusagen „ein Ende mit Ecken (und Kanten)“ statt ein „Schrecken ohne Ende“. Als würden sie versuchen das Ganze irgendwie noch sauber zu machen, bevor sies auslaufen lassen oder so…

  • Besser hätte man das Problem Myspace wohl kaum zusammenfassen können… Und irgendwie sehe ich auch für die VZ-Gruppe ein eher düsteres Schicksal am Horizont heraufgrauen… Ich halte Myspace, wenn auch eher sporadisch noch die Treue und warte ab, was dort passieren wird. Hat doch Myspace gerade für den Bereich Musik/Musiker immer einiges an interessantem Potential gehabt, dass ich gern weiter nutzen werde…

  • Vielleicht sollte sich MySpace davon verabschieden, eine Social Communitiy für alle sein zu wollen. Der Markt ist mit Facebook erst mal dicht. Musik, Bands, Künstler da scheint MS mir noch punkten zu können und Facebook auch (noch) überlegen zu sein. das sollte man imo noch weiter ausbauen. Stärke stärken, klarer Fokus auf spezialisierte Zielgruppe haben noch keinem Unternehmen geschadet.

  • myspace? Total unübersichtlich, web 0.4 Design besten falls – IMHO total unnütz.
    Facebook, Twitter und weitere ‚Tanker‘ werden auch irgendwann untergehen.

  • MySpace gibt’s ja noch? Es heißt ja immer, wenn es um Musik geht, kann MySpace vorn durchaus noch mitreden, aber sonst? Ich denke da in die gleiche Richtung wie Mr. Mo, mit Konzentration auf die Musik könnte das Angebot vielleicht überleben.

  • Diese rBeitrag kommt gerade richtig zu meinen Überlegen meinen MySpace-Account dicht zu machen.

    Facebook und Soundcloud (für Musiker) sind einfach wesentlich besser als die ganzen Klickibunti-Myspace-Seiten.
    Bei letzterem bin ich auch gern bereit für einen Premium-Account zu bezahlen, wobei die Preise noch relativ hoch sind.

  • Naja, für Künstler und Musik gibt es purevolume.com, daß deutlich komfortabler und vom Profil schärfer als der Trödelmarkt mySpace positioniert ist. Was mySpace derzeit fehlt ist schlicht: Begeisterung der Macher für ihr eigenes Baby, kurz Leidenschaft und damit auch die Voraussetzungen, coole Dinge mit Nutzen oder Funfaktor zu machen, oder wenigstens Style. mySpace hat nichts davon: Keinen Nutzen, keinen Fun und keinen Style. So what, die Titanic ist auch gesunken.

  • Schöner Artikel.

    Also über MySpace mache ich mir schon länger Gedanken, ich persönlich habe schon damit abgeschlossen und nutze es privat auch gar nicht mehr. Schade ist nur das ich mir immer ein nettes Taschengeld mit dem Gestalten von MySpace Seiten verdient habe aber was solls.

    Naja Dennis hat das MySpace Problem ganz gut zusammengefasst.

    Allerdings wüsste ich auch nicht wie man so ein schwär fälliges, langsames und träges Netzwerk auf die Geschwindigkeiten von Twitter und Facebook bringt (und nein damit meine ich nicht die Programmierung oder die Hardware 😉 )

    Btw: die VZ-Netzwerke sehe ich auch schon abstürzen. Die haben es wenigstens schon zu dem schönen Feedback Button geschafft und langsam kommen einige Neuerungen aber die haben auch zu lange geschlafen…

    „irgendeine Konsequenz muss es auch hier geben“

  • Schön zusammen gefasst. Sicher eins der Hauptprobleme sind die Änderungen die eher alles erschwert als vereinfacht haben. Damit dann verbunden das jedes neue Feature erstmal Ärger macht. Damit fängt Facebook aber auch an.
    Zum Feedback Button beim VZ, ja äussert gelungen, erinnert mich irgendwie an Facebook und da bin ich mir nicht sicher ob man sich nicht doch etwas weit aus dem Fenster lehnt.

  • Für mich war Myspace schon ewig schrott. Diese undurchsichtigen Mitgliederseiten… ich weiss garnicht warum soviele auf den mist abfahren *confused*

  • Ich halte es für einen Fehler diese „tollen“ Features nur für die Musiker zu machen. Die „normalen“ User sind vermutlich der größte Teil – und auch vermutlich der größte Teil der abwandert.
    Die Folge wird daher sein:
    a) Die Userzahlen gehen weiter zurück, das wird sich auch auf die Werbeeinnahmen auswirken.
    b) Wenn die Musiker/Musikindustrie merkt, dass die User woanders sind, MÜSSEN sie den Usern folgen und woanders werben. Dann fehlen – trotz Features – auch noch die Musiker…
    Ich bin daher gespannt wie´s in einem Jahr aussieht…

  • MySpace ist regelrechter Designmüll und hat sich selbst absurdum geführt. Mich wollten Freunde auch überreden, aber wozu, keine Struktur, bunt wirres Zeug. Die Leute sind wohl deshalb nur dort, weil es den Messenger gibt und die Seite irgendwie dazu gab, meines wissens. Selbst zur Promotion der eigene Seite bringt das nichts. Im Zeitalter, wo man mit Boonex.com eigene Socials kreieren kann, ist es nur noch erwähnenswert.

  • Hi, schöner Artikel. ich als kleines Indielabel mache mir laufend Gedanken über Myspace. Vernachlässigen wir mal die Tatsache, dass das Unternehmen User braucht, damit ausreichend Benutzer die Werbung sehen, sehe ich folgendes Szenario:

    Eine klar strukturierte, entschlankte Plattform zum Medien- und Musikmarketing, zur Präsentation von Bands, Musik und ähnlichen Inhalten. Gerne auch weiterhin mit Interaktionscharakter.

    Es ist ja – zum Glück – jetzt schon nicht notwendig, dass man als Ottonormalverbraucher registrierter User ist. Alle Inhalte sind – sofern der Profilanbeiter das möchte – ohen Login frei zugänglich. Und da liegt meines Erachtens die Lösung: Interessenten nicht mehr „rein“ locken zu wollen, die dann nur ein weiteres, ungepflegtes profil anlegen, sondern den Inhalt nach „draußen“ zu tragen. Fertig.

    Nirgendwo sonst bekomme ich als Label, Manager, Bookingagentur oder Fan so direkten Zugriff auf alles, was ich in Minutenschnelle über eine Band (oder zB. einen Film) wissen will. Vond er Bandeigenen Webseite mal abgesehen. Für meine Arbeit ist Myspace also nach wie vor das NonPlusUltra, wenn auch ein uraltes, überfrachtetes. Vergleicht mal die Hits auf Myspace Profile mit der Zahl der Fans einer Facebook-Seite, da liegt Myspace weit vorne.

    FB sollte Community und soziales Netzwerk sein, MS eine Medieplattform.

  • myspace kann man echt langsam in die Tonne tretten… Jeden Tag irgendwelche „verschlimmbesserungen“! Man könnte echt meinen die seien Betrunken, oder stünden unter Drogen… Dauernd funktioniert was nicht, user komentare und anfragen. Werden dauernd ignoriert, keine chance auf eine Antwort. Das nervt eigentlich echt nur noch… Schade drum, aber ich werde wohl auch. Sehr bald zu denen gehören, die endgültig aufgeben und abwandern… Grüsse Maha

  • Also ich kenne mittlerweile auch kaum noch jemanden der MySpace nutzt. An sich sind alle zu Facebook und Co. abgewandert. Technisch und optisch ist MySpace nicht auf der Höhe der Zeit. Ist sicher nur noch eine Frage der Zeit bis die Seite ganz den Bach runter geht. Schade eigentlich. Ich war früher öfter dort unterwegs.

    Greets Klaus