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iPad glüht, Nexus One versteht kein UMTS: Hardware-Burnout im Innovationsrausch?

Wenn ich kurz die ersten Monate des Jahres überblicke, wird mir schwindelig vor Augen. Am 6. Januar ging die Rallye los: Amazon kündigte den weltweiten Verkauf des Riesen-Kindle DX an, wenige Tage später brachte Google das Nexus One an den Start, HP stellte das Slate vor, Apple legte mit dem iPad eins drauf, Nintendo warf den DSi XL auf den Markt, Microsoft ließ durchblicken, dass bald zwei „Pink“-Phones ihr Release feiern… und wenn ich auf die Uhr schaue, ist noch nicht einmal Mittag! Kommt nur mir es so vor, oder treibt in den weltweiten IT-Konzernen ein hyperaktiver Kobold sein Unwesen, der den Mitarbeitern in den Entwicklungsabteilungen, Laboren und Fertigungshallen mit der Speed-Peitsche Beine macht?

Wie auch immer, die Rastlosigkeit scheint nun langsam ihren Tribut zu fordern, immer mehr Nutzer berichten von offensichtlichen Burn-Out-Symptomen bei gefeierten Top-IT-Produkten. So meldeten sich wenige Stunden nach dem Verkaufsstart des iPad hundertfach Kunden, dass ihnen das Tablet unter den Händen verglühe, die Hitzeentwicklung sei zeitweise so stark, dass sich das Gerät aus Sicherheitsgründen selbst abschaltet. Die Abkühlphase dauert je nach Berichten zwischen 30 Minuten und einer Stunde.

Dann wurden Probleme beim Aufladen per USB gemeldet: das iPad sei angeschlossen, aber es wird kein Strom gezogen. Apple verteidigt sich schwach und gibt den Nutzern den Tipp mit auf dem Weg, dass das Laden nur bei „High-Power-USB 2.0“-Ports funktionieren würde. Kurze Zeit später fluteten dann neue Beschwerden die Foren: der WLAN-Empfang sei katastrophal, damit nicht genug – das iPad vergesse auch die Konfigurationen einmal gespeicherte Verbindungen, so dass sich die User immer wieder neu manuell verbinden müssten. „Ja“, sagt daraufhin Apple. „Das liegt… mit großer Wahrscheinlichkeit am Router!“ – und bezieht dafür Prügel. Mittlerweile tauchen die ersten Listen auf, in denen Kunden ihre Wünsche für ein iPad 2.0 aufarbeiten.


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Auch das Nexus One schwächelt im Feldeinsatz. Anders ausgedrückt: Das einst als „Superphone“ deklarierte Android-Handy muss gar eine Katastrophe sein, wenn man sich die Motz-Posts in den Support-Foren anschaut. Hier ein kleiner Auszug aus den Vorwürfen: Auch nach dem ersten und einzigen Firmware-Update gebe es weiterhin massiv Probleme beim UMTS Empfang, der Touch-Screen reagiert wann er will, Bluetooth fällt aus, die Hörer-Lautstärke ist zu gering, der Sound des Lautsprechers furchtbar und der Trackball sei reine Dekoration, aber für die Bedienung nicht zu gebrauchen. „Da Google nur minimalistische Züge beim Bearbeiten der Probleme zeigt, habe ich mir gedacht, dass ich ihnen mit einer Liste bekannter Probleme beim Nexus One auf die Sprünge helfen könnte“, schreibt der Urheber der Aufzählung und die übrigen pflichten bei. Google hat bis heute nicht darauf reagiert und bislang auch kein neues Update angekündigt.

Google musste sich schon im Januar böse Kritik gefallen lassen, als es hieß, dass der Suchriese einen grandiosen Null-Kundenservice anbieten würde: Eine Telefon-Hotline gab es nicht, Mails wurden nur zögerlich beantwortet beziehungsweise bei Anfragen die Zuständigkeit kurzerhand an die Netzbetreiber übertragen. Es herrschte und herrscht noch teilweise Automatismus-Denken beim Support, die FAQs müssen für die Kunden reichen. Irgendwann gab es offenbar ein Einsehen und Google postete Stellenangebote im Netz, in denen Phone Support Program Manager gesucht wurden, die dem Kundenservice neue Impulse geben sollen.

Der Eindruck, dass vorne wie irre produziert wird, sich die Probleme allerdings im Longtail stapeln, scheint also nicht ganz verkehrt zu sein. Wie seht ihr das? Was bringt die Innovationstreiberei, wenn zusehends mehr Schlamperei unter den Motorhauben entdeckt wird? Ich jedenfalls würde mir aufrichtig wünschen, dass alle mal wieder einen Gang runterschalten und sich der Takt der Produkt-Releases – der derzeit auf höchstem Kolibri-Niveau ist – wieder ein wenig normalisiert.

(André Vatter)

Über den Autor

André Vatter

André Vatter ist Journalist, Blogger und Social Median aus Hamburg. Er hat von 2009 bis 2010 über 1.000 Artikel für BASIC thinking geschrieben.

17 Kommentare

  • schöne Einleitung, gut geschrieben
    Ich werde noch auf das wepad und andere Modelle warten. Besonders aus China sollen gute Ersatzmodelle aufgetaucht sein, die sogar besser als ein iPad sein sollen, aber erstmal abwarten…
    Geräte aus erster Generation kaufe ich normalerweise sowieso nie… 🙂
    Apple hätte vielleicht einfach ein 12Zoll Screen bauen sollen, wo man sein ipod oder iPhone reinsetzen kann. Die beste und schnellste Art ein iPad zu erfinden. 🙂

  • Ja, mehr und besserer Kundenservice wäre dringend angeraten; bzw. fehlerfreie Geräte…

    Allerdings muss man ja gerade bei Google ehrlich gesagt zugeben, das nichts anderes als mieser Support zu erwarten war. Schliesslich hat Google auch bei Google Mail, Picasa, … bisher eher, hmm, „passiven Support“ geleistet. Wieso also hätte es beim Nexus One anders sein sollen?

  • Also meiner Meinung nach könnten sich die Hersteller auch ruhig mehr Zeit lassen, dafür aber qualitativ hochwertigere Produkte auf den Markt bringen. Das Problem liegt einfach darin dass jeder der Erste sein will / muss um keine finanziellen Einbußen zu erleiden. Das ist leider die heutige Marktwirtschaft. Hauptsache erster, Fehler kann man ja auch im Nachinein beheben…

  • schoener artikel, es hat sich also auch nach ca (gefuehlte) 50 jahren gadget produktion nichts geaendert… lol… die problem sind doch immer wieder die gleichen mit den ersten serien…

    aber sie sind heutzutage doch teil des hypes… teil des marketings.. ohne fehler wuerde nicht mal halb soviel geschrieben und verlinkt im netz ueber ein produkt… und darauf kommt es am ende doch an… marketing-technisch gesehen.

  • Das ist eigentlich kein besonders aktuelles Problem. Seid Hightech-Produkte wie Computer, Spielekonsolen, Handys etc. auch für die Masse der Kunden bezahlbar sind (was bei Computern und Konsolen ja schon in den 80ern und 90ern der Fall war), war es typisch, das die ersten auf dem Markt auch die meisten Mängel haben, bei der Einführung völlig neuer Technik ganz besonders.
    Das liegt zum einen daran, das diese „Geiz ist Geil“-Mentalität um sich greift, die bei den Kunden für eine höhere Fehlertoleranz der Produkte sorgt, was die Händler selbstverständlich ausnutzen. Zum anderen wird auf die Firmen aber auch Druck ausgeübt, ihre Technik möglichst schnell auf den Markt zu bringen – zum einen von parallel zum eigenen Konzern aentwickelnden Konkurrenten, die mit ihrer Alternativtechnik früher fertig sein könnten, aber auch von den Kunden, die alles lieber jetzt als später wollen. Das merkt man z.B. besonders stark an den Spielen: Selbst wenn sich ein angekündigtes Spiel nur um ein paar Wochen in der Veröffentlichung verschiebt, ist die Aufregung groß und die ersten Kritiken werden laut. Was macht also der Hersteller? Er lässt die Bugs drin und hat das Spiel sofort raus – der Kunde wollte es ja haben.

    Wenn wir etwas geduldiger wären, könnten die Firmen ihre Produkte auch langsamer, dafür hochwertiger produzieren. Natürlich wird es auch weiterhin schwarze Schafe geben, die ein Konkurrenzprodukt deutlich früher auf den Markt bringen oder es viel billiger verkaufen, dann muss man aber stark sein und lieber auf wirklich gute Qualität warten.

  • Ist doch wie bei den Autos: immer kürzere Produktzyklen, Tests finden ausschließlich durch irgendwelche Simulationen und Berechnungen statt, da wird lieber eine große Rückrufaktion bereits im Vorhinein eingeplant, ist im Endeffekt billiger. Dass es daneben gehen kann, hat Toyota grandios gezeigt. Bleibt nur abzuwarten, wann mal ein IT-Hersteller durch seine „Produktpolitik“ grandios auf die Schnauze fliegt.

  • Die „Speed-Peitsche“ sollte mal gegen eine „Kundenfreundlichkeit-Peitsche“ ausgetauscht werden. Wenn die Hersteller ein klein wenig mehr darauf hören würden, was die Kunden wollen, würden manche vielleicht auch mehr Geld für passende Produkte ausgeben – Stichwort matte Notebook Displays oder allgemein der Trend zum Klavierlack.
    Dass andererseits bei v1.0 Fehler gratis dazugeliefert werden, ist nun mal die Strafe dafür „Early Adopter“ zu sein und m.E. nicht weiter schlimm – wenn man denn so kundenfreundlich wäre und schnell ein Update liefert.
    Aber da lässt die Qualität neuster Technik Spielereien eben etwas zu wünschen über: http://www.sk-downloading.de/blog/kritisch-gedacht/ueber-die-qualitaet-neuster-technik-spielereien.html

  • Sein wir doch mal ehrlich: Egal welcher Hersteller – die meisten Produkte sind Bananenware … sie reift beim Kunden. Deshalb würde ich mir z.B. nie ein Gerät erster Generation kaufen…

    Scheinen einige anders zu sehen und die müssen jetzt eben damit leben…

  • Hi,

    es wird am Kunden vorbei produziert. Das betrifft nicht nur solche vermeintlichen „must-have-gadgets“, sondern auch Techniken und Buzzwords wie DVB*, HD, WLAN etc. Hauptsache mal auf dem Markt, geschmissen, ob es unsicher, inkompatibel oder gar nutzlos ist, interessiert erstmal keinen. Aber es ist nunmal wie es ist: Der Pöbel kauft. Und das ist entscheidend.

    Solange solche Hypes wie der des iPads möglich sind, wird das weitergehen. Selbst wenn die Teile in Flammen aufgingen, würde es sich weiterhin verkaufen, weil man selber keinen Trend verpassen „darf“.

  • Bin seit einem monat stolzer Nexus One besitzer……. hab keines der oben genannten Probleme……. ganz im Gegenteil…… funktioniert alles perfekt…… (viel besser als iPhone….. glaubt mir ) :………

  • Spätestens jetzt haben hoffentlich alle verstanden, dass der Kunde zunehmend zum Beta-Tester degradiert wird.
    Schade nur, dass es soviele „Nerds“ gibt, die sogar für ein iPad Schlange stehen. Warum denn nur???

  • Mal so generell: seit einigen Tagen lese ich diesen Blog und muss sagen, er gefällt mir sehr gut? Euer Schreibstill ist ruhig, unaufgeregt und macht Spass zu lesen. Weiter so! 🙂

  • Der Autor tut, als sei dies eine neue Entwicklung. Dabei ist es schon seit vielen Jahren so, dass Erstserienprodukte unausgereift verkauft werden.

    Und da Kunden nur sehr selten wirklich dazulernen und Produkte immer noch ungesehen kaufen, ist es kein Wunder, dass es nicht besser wird.

  • @Schorsch über die „Geiz ist geil Mentaltät“ bei apple Produkten zu schreiben passt nicht ganz!
    Bei den Preisen die apple aufruft, sollt man schon ein halbwegs ausgereiftes und getestetes Produkt erhalten. Für andere Hersteller mag das evtl zu treffen.

  • Die Kommentare hier sind Lustig.
    Computer Technik und amtliche deutsche TÜV geprüfte Sicherheit, ich glaub da hätten wir wohl gerade die ersten Kleinrechner mit Zulassung 😉
    Ganz zu schweigen vom Internet was ja gerade all unsere Politiker Rentner- Kinder Sicher und Filtern wollen ….
    Nein, gebe es keine Innovationen und Risiko bereite Unternehmen sondern nur noch Geräte, Software, Netze mit Funktionsgarantie und geprüfter „Sicherheit“ wäre die Welt wohl ärmer dann…..

  • Wer ernsthaft mit einem technischen Gerät arbeiten will oder es einfach nur ohne Ärger privat nutzt, wird nie aus der ersten Produktionswelle kaufen, sondern abwarten. Damit entfällt natürlich der „early adopter“ Bonus – wer den braucht (oder sich einfach gönnen will), muss halt leiden und beta-testen. Das kann ja auch Spaß machen.

    In der wirtschaftlichen Evolution haben sich bei nebensächlichen Produkten (um die medial der meiste Wirbel erzeugt wird) schnelle Starts durchgesetzt gegenüber dem bei Investitionsgütern gewohnten langsamen vorgehen und ausliefern reifer Produkte.

    Wenn ein Apple Netbook nicht funktioniert, stirbt keiner. In Krankenhäusern, Atomkraftwerken, bei der Polizei und Feuerwehr wird man keine solchen Spielkonsolen finden, sondern gehärtete „langweilige“ Systeme von Herstellern wie HP, IBM, Siemens … dort wird man reife Produkte erwarten können.

    Nicht auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten.