Die amerikanische Firma „Recorded Future“ betreibt nach eigenen Angaben eine Echtzeitüberwachung des Internets – und will damit in begrenztem Rahmen auch zukünftige Ereignisse voraussagen können. Dazu beobachtet das Unternehmen zehntausende Webseiten, Blogs und Twitteraccounts, um den „verborgenen Zusammenhängen“ zwischen Organisationen, Vorgängen und Personen auf die Spur zu kommen.
Das Ziel ist es, bei jedem relevanten Geschehen herauszufinden, wo es passiert ist, wer daran beteiligt war und wann es voraussichtlich wieder vorbei sein wird. „Und das coole ist“, sagt der Firmenchef Christopher Ahlberg gegenüber dem Magazin Wired, „dass wir in vielen Fällen tatsächlich den Ereignisverlauf vorhersagen können.“
Für die Behauptung, zumindest in diesem begrenzten Fällen in die Zukunft blicken zu können, nennt der promovierte Informatiker zwar keine Belege, dafür verweist er zum Beweis der Leistungsfähigkeit seines Systems auf einen Vorfall aus dem März dieses Jahres. Damals hatte der israelische Präsident Simon Perez der Hisbollah vorgeworfen, im Besitz von Langstreckenraketen zu sein. Durch die Analyse früherer Äußerungen des Hisbollah-Chefs konnte „Recorded Future“ die israelischen Anschuldigungen untermauern.
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Der Ansatz der Firma, öffentlich zugängliche Quellen auszuwerten, ist nicht neu. Im Geschäft der Nachrichtendienste ist es schon lange üblich, durch ihre Verknüpfung ein Gesamtbild zu erstellen, das dem Durchschnittsbürger verborgen bleibt. 2008 sagte der damalige CIA-Direktor Michael Hayden: „Es ist manchmal wirklich eine Genugtuung, wenn man ein schwieriges Problem deswegen lösen kann, weil jemand dumm genug war, die entscheidenden Informationen offen herumliegen zu lassen.“ Neu ist bei „Recorded Future“ allerdings die Geschwindigkeit, in der die Analysen erstellt werden. „Wir können hier wirklich in Echtzeit Dossiers über beliebige Personen anfertigen“, versichert Ahlberg.
Kein Wunder, dass Googles Investmentzweig und die mit der CIA verbundenen Firma In-Q-Tel in das noch junge Unternehmen investieren. Das gemeinsame Engagement der beiden Firmen ruft allerdings auch Kritiker auf den Plan. Die finanzielle Beteiligung an demselben Unternehmen bedeutet zwar noch keine direkte Zusammenarbeit zwischen dem Geheimdienst und dem Suchmaschinenbetreiber. Aber es nährt das Misstrauen derjenigen, die bereits jetzt eine zu große Nähe zwischen der US-Regierung und dem Datenkonzern ausgemacht haben (wollen).
Im Mai war Obamas Technikberater Andrew McLaughlin in die Kritik geraten, weil der Regierungsbeamte noch immer ein zu enges Verhältnis zu seinen ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten bei der Suchmaschinenfirma pflegte. Auch die Zusammenarbeit des amerikanischen Inlandsgeheimdienstes NSA mit Google zur Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen in Mountain View wurde kritisch beäugt, weil man befürchtete, über kurz oder lang erhalte darüber die Regierung Einblick in die immensen, von der Suchmaschine gesammelten Daten. Das aktuelle Investment in „Recorded Future“ ist vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht geeignet, die verbreitete Skepsis gegenüber dem kalifornischen Datensammler zu zerstreuen.
(Nils Baer)