Sonstiges

Rundumschlag gegen das Fernsehen

Es gibt ein Fünkchen Hoffnung, dass wir unsere Fernseher bald doch noch einmal aus dem Schrank holen können: Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks (WDR) rebellieren mit einem originell gefälschten Rundschreiben in Papierform gegen die Führung ihres Senders, gegen schlechte Arbeitsbedingungen von freien Journalisten und gegen das Fernsehen allgemein. Die gut gemachte Fälschung (PDF-Download) des monatlich erscheinenden WDR-Rundschreibens „WDR Print“ trägt den Aufmacher „Auferstanden von den Quoten“ und den Erscheinungstermin November 2011. Es ist eine Art Wunschdenken, wie der Sender in einem Jahr aussehen könnte.

Kritisiert wird in dem Schreiben vor allem, dass Günther Jauch für seine Rückkehr zur ARD viele Millionen erhält, in Europas größtem öffentlich-rechtlichen Sender bei einem Etat in Höhe von 1,35 Milliarden Euro aber nur 80 Millionen Euro für freie Journalisten zur Verfügung stellt, obwohl diese den Hauptteil der Inhalte liefern. Etwa 50 fest angestellte und freie Mitarbeiter haben sich an der Produktion des Blattes beteiligt. Unterstützt wurden die Plagiatoren – man ahnt es – von der Gewerkschaft ver.di. Beißendste Kritik ist vermutlich der Satz: „Alle guten Sendungen beginnen künftig um 20:15 Uhr. Alle schlechten nach 23 Uhr. Bisher war es genau umgekehrt.“

Und damit wären wir beim eigentlichen Thema, dem Fernsehprogramm an sich. Interessant ist nämlich auch eine artverwandte Meldung, die gestern erschien: ZDFneo, der Spartensender des ZDF für junge Zuschauer, hat seinen Marktanteil innerhalb eines Jahres nicht nur verdoppelt, was das Ziel war, sondern gar verdreifacht. Von 0,1 auf jetzt stolze 0,3 Prozent. Geholfen hat dabei vor allem der vergangene Monat und der verhältnismäßige Erfolg der US-Serie „Mad Men“.


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Beispielloser Erfolg?

Die erreichte in der ersten Folge 80.000 Zuschauer. ZDFneo feierte dies als einen beispiellosen Erfolg. Bei 80.000 Zuschauern? Die Serie kommt mittwochs um 22:30 Uhr, zu einer Zeit, in der im ZDF-Hauptprogramm Talkshows wie „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“ laufen. Zur Prime Time kommen deutsche Krimis, Schlagershows, „Die Bergwacht“. Erzielt man damit tatsächlich bessere Quoten als mit den besten Serien aus den USA? Wie konnte man nur so mutlos werden, eine der aufwendigst produzierten Serien der vergangenen Jahre auf einen Spartensender abzuschieben und ihn zur nachtschlafenden Zeit auszustrahlen? Ist das durchschnittliche Publikum wirklich nicht an Serien wie „30Rock“ oder „Weeds“ interessiert, oder hat man es nur noch nicht versucht? Worauf stützt sich die Erkenntnis, dass älteres Publikum an Erfolgsserien keine Begeisterung zeigt und lieber den „Bergdoktor“ guckt? Dabei gehen doch auch bei solchen Serien die Quoten seit Jahren in den Keller.

Es zieht sich durch alle Kanäle, und wenn man so will auch durch die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Etwas Neues wagen? Mal etwas riskieren? Mal etwas machen, das sich angenehm von der Konkurrenz abhebt? Gibt es nie oder nur all zu selten. Der Versuch der WDR-„Aktivisten“ ist deswegen aller Ehren wert. Immerhin ist es viel Geld, das wir für Fernsehgebühren aufwenden müssen, künftig wohl auch für die Möglichkeit des Empfangs auf dem PC. Dann soll dieses Geld doch bitteschön für Qualität verwendet werden, finden auch die Plagiatoren. Und für mutigeres Programm, das nicht nur auf die schnelle Quote schielt. Ob sie damit Erfolg haben werden, steht natürlich in den Sternen. Immerhin fand WDR-Intendantin Monika Piel die Fälschung gelungen und lädt die Urheber zu einem Treffen ein. Es könnte ein Anfang sein.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

19 Kommentare

  • Moment mal… Du sprichst hier von öffentlich rechtlichem Fernsehen und der Jagd nach hohen Quoten. Beim Privat-TV mag das stimmen, aber dir sollte bewusst sein, dass das öffentlich rechtliche Fernsehen die Quote nicht als Hauptziel hat. Darum zahlen wir doch GEZ. Denn anders kann man Programm mit niedriger Quote doch nicht finanzieren, da erzielt man ja kaum Werbeeinnamen.
    Der Quatsch mit der unabhängigen Berichterstattung kommt beim Thema GEZ natürlich auch noch hinzu.

    Das öffentlich rechtliche Fernsehen soll die nachrichtliche Grundversorgung sichern und dem Bildungsauftrag nachkommen. So sieht es jedenfalls in der Theorie aus.

    Oder fragst du dich nicht, warum zur besten Sendezeit kaum Blockbuster oder zielgruppenrelevante Casting-Shows laufen?
    Wenn es nur um die Quote ginge, würde sicher ein anderes Programm laufen.

    Ich stimme dir zu, dass sich im öffentlich rechtlichen TV einiges ändern muss (beispielsweise werden in den dritten Programmen verschiedenste Bundesligazusammenfassungen produziert mit gleichem Inhalt.. von unserem Geld.. Verschwendung.).. Ja, mir geht auch das „Herbstfest der Volksmusik“ auf den Sack, aber für diese Zielgruppe muss eben auch produziert werden, nur darum kümmert sich RTL und co eben nicht, weil es nicht die Quote wie DSDS bringt.

    Bei Programmänderungswünschen im öffentlich rechtlichen Rundfunk mit Quoten zu argumentieren funktioniert nicht.

  • Auch die Öffentlich-Rechtlichen unterliegen dem Quotendruck. Nicht so sehr wie die Privaten, aber auch hier werden Sendungen abgesetzt oder verschoben, wenn sie nicht erfolgreich laufen. Und ganz klar buhlen auch ARD und ZDF in Sachen Werbegeldern darum, mehr Zuschauer zu haben als RTL und ProSieben. Ich sag ja nicht, dass die „große Schlagerparade“ ganz aus dem Programm verschwinden und ARD und ZDF nur noch junges Programm machen sollten. Aber ein bisschen mehr Mut könnte ihnen nicht schaden. Mad Men hätte man zur gleichen Sendezeit problemlos auch im ZDF-Hauptprogramm zeigen können und damit einen *echten* Erfolg gelandet, da bin ich mir sicher.

  • Für mich ist 22.30 Uhr keine nachtschlafende Zeit, das gehört zu meiner Hauptfernsehrguck-Zeit. 😉

    Und ohne gutes Programm werden sich Spartensender nie durchsetzen. Wenn die Mehrheit der Deutschen nur die ersten 7 Kanäle durchzappt, dann soll das nicht mein Problem sein. Ich bin durchaus fähig 30-40 Programme zu nutzen.

    Und wer sich über GEZ aufregt aber nur analog empfängt, das ist auch selber schuld. Bekomme ich anlog sagen wir mal 10 ÖR Programme, so sind es digital 20-25 Programme. Wer die nicht in Anspruch nehmen will, der hat eben Pech.

    Schaltet den analogen Mist (ganz besonders Kabel!!!) endlich ab, dann werden die Schnarchnasen schon irgendwann aufwachen.

  • Diese Ergebenheit gegeüber US-amerikanischen Fernsehserien macht mich krank. Mit sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich 30Rock, Weeds, Lost und wie sie alle heißen nur höre. Was zur Hölle findet die Generation iPhone nur an diesem Käse, wozu die Flucht in die US-Fiktion? Ist das eine Art Fernweh? Oder ist es einfach besonders „cool“, US-Serien zu gucken? Am besten natürlich noch im O-Ton – warum? Weil da die Witze besser rüberkommen natürlich. Das ist beim iPhone übrigens genauso, da kommen die Witze auch besser rüber. Da wird das Geschwätz von Onkel Alfred gleich erträglicher. Den könnt ihr ja eh nicht leiden, ihr wollt lieber einen Uncle Sam.

    Mir wird schlecht, wenn ich sehe, dass vernünftige Leute ihren Wochenablauf danach gestalten, wann man wieder eine neue US-Serie saugen kann. Dann verstehen sie die Hälfte nicht, reimen sich die Zusamenhänge irgendwie zusammen – aber hauptsache O-Ton, wegen der Witze. Verdammt, in Lost gibt es keine Witze.

    Und parallel laufen im WDR, NDR, Phönix, Arte usw. richtig gute Reportagen und Verbrauchersendungen. Markt, oder „Zu Tisch ins…“ zum Beispiel. Die will sich aber keiner geben – erstens sind die uncool, weil nicht us-amerikanisch. Und zweitens bilden sie die Realität ab, vor der man sich ja flüchten will.

    Wenn alle doch so auf US-amerikanische Serien, den US-Slang im O-Ton und den ganzen dort vermittelten Lebensstil stehen, warum ziehen sie dann nicht einfach dahin?

    Jetzt könnt ihr ja alle in Eure iPhones tippen, dass da im Blog ein Irrer – ihr würdet sagen „douchebag“ kommentiert, der sich fremdenfeindlich äußert (wobei sich das „fremd“ auf US-Seriengucken bezieht, aber die Bemerkung hat keinen Platz mehr in Euren 140 Twitter-Zeichen.)

    Ich jedenfalls ziehe mir jetzt meine Schuhe an (gute Budapester, keine Chucks), gehe raus in die Realität (zum Bäcker, nicht zu Starbucks) und hole mir einen Kaffee (keinen irgendwas mit „ing“ am Ende). Anschließend esse ich vielleicht noch einen Sauerbraten oder so (und keinen Bagel) – trotzdem werde ich nicht so fett wie die von Euch vergötterten Macher Eurer US-Serien. Und wäre ich nicht krank, würde ich heute Abend auf eine Party gehen – aber nur, wenn kein Hiphop läuft.

  • Auch wenn es stimmt, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk die nachrichtliche Grundversorgung bieten soll und einen gewissen Bildungsauftrag hat, sollten die Quoten nicht ganz außer Acht gelassen werden. Schließlich soll ja die breite Masse und nicht nur einige wenige Zuschauer angesprochen werden.

    Doch unabhängig davon entbindet dieser Status aber nicht vom verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Gebührengeldern. Und ich glaube da läuft zur Zeit einiges ganz schön schief.

  • @Jürgen: Okay, bezüglich des Quotenkriegs hast du in der Praxis sicher recht, in der Theorie sieht das ganze aber EIGENTLICH anders aus. 😉
    Ich gebe dir völlig Recht, dass ein wenig Mut beim neuen Programmen hilfreich und zu wünschen wäre…

    Aber leider haben es US-Serien mit fortlaufender Handlung in Schland eher schwer. LOST zum Beispiel ist ja wohl unbestritten eine großartige Serie. Dennoch konnte auf Kabel1 erst bei einem Sendezeitpunkt nach 23 Uhr eine akzeptable Quote eingefahren werden.

    Das ZDF will diesen „Fehler“ vermutlich nicht nachmachen, auch wenn es aus der sicht von uns, der Zielgruppe, natürlich nur wünschenswert wäre.

  • Hallo,

    warum funktioniert das nicht, mit Quoten im öffentlich rechtlichen Rundfunk zu argumentieren? Schließlich werden die Quoten auch gemessen und dafür wird auch Geld (unsere Gebühren) ausgegeben. Natürlich kann ich dann auch argumentieren oder fragen, warum denn das „Herbstfest der Volksmusik“ um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, eine Dokumentation (die ja unter den Bildungsauftrag fällt) erst um 23.00? Oder Spielfilme erst so spät, teilweise auch in der Woche? Das ist Gebührenverschwendung.

    Wird die heute Jugend wirklich für so dämlich gehalten, dass die Meinung verbreitet ist, mehr als DSDS & Talkshow’s interessiert uns nicht? Nur haben wir keine Alternative dazu, weil parallel halt Volksmusik, Heimatstadl oder irgendwelche Schmonzetten laufen. Dafür kommen die interessanten Filme, Dokus und Serien auf dem x-ten ÖR-Ableger (Neo, und was weiß ich wie die alle noch heißen).

    Warum hat denn ein Schmidt keine Sendung mehr bei der ARD?
    1. Weil er keine guten Quoten hatte
    2. Weil er schlecht war/immer schlechter wurde
    3. Einfallslosigkeit
    4. Desinteresse
    (Punkte 1-4 in der REihenfolge beliebig tauschbar)

    Natürlich sind Quoten auch im ÖR-Programm wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Und im Grunde genommen ist das Programm auch zu den privaten nicht mehr soooo unterschiedlich. Die ÖR kopieren einfach und produzieren billiger (Daily Soaps, Spielshows).

    Aber naja, ändern wird sich eh nichts, da man nicht viel dagegen machen kann. Man zahlt, ob man schaut oder nicht und finanziert so die ganzen Arbeitsplätze. Auch nen Modell.

  • Man sollte sich einmal folgendes vor Augen halten:

    Die ÖR Sender Deutschlands bekommen ca 7,5 Milliarden Euro ! an Gebühren !! , dazu kommt noch Einnahmen von Werbung und Verkäufe von Sendungen.
    Also haben sie ca. geschätzte 8 Mrd !! „Gewinn“ jährlich zur Verfügung und das meist durch Gebühren Garantiert.

    Zum Vergleich das ist weit mehr als zb der weltweite Konzern Google im Jahr Gewinn hat!! , selbst Apple muss sich dafür „Strecken“. Gerade Microsoft könnte wohl noch mithalten.

    Mit dem Geld könnte man vermutlich den Hollywood Serien den Rang streitig machen und die USA würde Deutsche Serien schauen statt wir die aus Amerika.
    Aber was bekommen wir ? Volksmusik , Polit Talkshows und billige Heile Welt-Serien.
    Nein das ist schon lange kein „ÖR – Fernsehen“ mehr sondern eher ein Politisches Ministerium mit allen Beamten Versorgungs Ansprüchen.
    Das „Fernsehgeschäft“ ist doch eher ein lästiger Zusatz 😉

  • tja das Problem liegt an den oberen Etagen der ÖR. vielleicht wirds mal beser wenn die Weggestorben sind.

    Ich wäre ja dafür das man die Spitze auch paar Jahre wählte, und eine maximale Amtsdauer von 4 Jahren gibt (auch für „Spitzen Moderatoren“ wie Yogeshwar -der war ja gestern nur peinlich…). So kommt öfter mal frischer Wind ins System und andere bekommen mal ne Chance.

  • @Karl

    wo lief zuerst „Die Simpsons“?
    wo lief zuerst „Star Trek Next Generation“?

    wo liefen zuerst folgende 80er Kultserien:
    – Trio mit vier Fäusten
    – Ein Colt für alle Fälle
    – Robin of Sherwood

    wo lief im Kinderprogramm Captain Future und die dreibeinigen Herrscher und vieles anderes gute was ich heute leider schon fast vergessen habe?

    warum geht das heute nicht mehr?

  • Abgesehen von einzelnen Sendungen auf 3sat und Phoenix kann man den ÖRR inzwischen echt in die Tonne treten. Desinformation statt Aufklärung ist schon lange das heimliche Motto…

  • @andreas:
    „…Warum hat denn ein Schmidt keine Sendung mehr bei der ARD?…“

    Alle ausgebrannten Privat-Stars werden inzwischen beim ÖR beschäftigt. Auch Schmidt hat sich sein Burn-Out mit Millionengage bei der ARD versilbern lassen, jetzt, nachdem er geheilt ist, geht’s wieder zurück zu den Privaten. Der Bart ist schon ab…

  • Öffentlich rechtlicher Rundfunk ist Staatsrundfunk und daher zu tiefs Verabscheuungswürdig und immer zu misstrauen.

  • Die ÖR sind nun einmal das Schlachtschiff des deutschen Fernsehns. Trotz größter Konkurenz der Privaten immer noch wie ein Fels in der Brandung.

    …Nein, mal im Ernst. Es ist doch so, das man alle abgewrackten TV Stars nur dort sieht. Ich denke, Jauch hat eine Fehler gemacht.