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Basic Flashback: Google TV – die Einheit aus Fernsehen und Internet

Als Google vor einigen Wochen Google TV vorstellte, musste ich müde lächeln. Also noch einer, der den Versuch wagen will, das Internet auf den Fernseher zu bringen, was von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist. In dieser Woche musste ich mein Urteil revidieren. Denn Google TV ist eine der besten Ideen, die der Suchmaschinenriese in den letzten Jahren vorgestellt hat. Es könnte Fernsehen und Internet endlich sinnvoll vereinen und dem Zuschauer das beste aus beiden Welten bieten. Ich will euch erklären wieso.

Zunächst der Denkfehler, dem ich und viele andere unterlagen: Google TV ist keine Box und auch keine Komplettlösung wie Apple TV. Google TV ist nur die Software, eine Art Betriebssystem, das auf externen Fernsehboxen oder Komplettgeräten zum Einsatz kommt und Fernsehen und Internet vereint. Hardware-Partner wie Logitech und Sony liefern die Technik, während Fernsehsender für die Inhalte sorgen. Oder jeder andere, der sich berufen fühlt, denn Google TV soll eine offene Plattform werden.

Offene Plattformen sind immer so eine Sache. Meistens kommt wenig Attraktives dabei heraus. Im Falle von Google TV scheint das anders zu sein. Das System empfängt zum einen das aktuelle Fernsehprogramm und die Informationen darüber über den Programm-Guide. Diese Informationen verzahnt Google TV auf clevere Art mit dem Internet, erstellt also eine Art Mashup aus beidem. In der Praxis sieht das dann zum – fiktiven – Beispiel so aus, dass ARD und RTL ebenso als Kanal ansteuerbar sind wie Inhalte von Netflix, Apps, Spiele oder jede beliebige Website. Fernsehen und Internet verschmelzen endgültig und so sehr, dass man schnell vergessen könnte, dass es die Trennung jemals gab.


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Man braucht dann die Wohnzimmer-Couch gar nicht mehr zu verlassen. Chatten auf Facebook, Mails checken, Spiegel Online lesen, eBay-Auktionen verfolgen, geht dann auf dem Fernseher. Oder zu den Serien, die man über Videoload oder sonstwoher auf dem Rechner geladen hat, gesellen sich auf dem Monitor zum linearen Fernsehprogramm von Sat.1 und Pro7. Die in letzter Zeit ohnehin immer unschärfere Trennung zwischen Fernseher und Internet-PC – sie könnte ganz verschwinden.


Alle Serienepisoden auf einen Blick zum Sofort-Gucken. Braucht man noch ein besseres Verkaufsargument?

Angepasstes Android, kabellose Tastatur als Fernbedienung

Google TVs Charakter eines Betriebssystems kommt nicht von ungefähr: es ist eine angepasste Version des eigenen mobilen Betriebssystems Android. Mit an Bord sind in den USA bereits Netflix und Amazon, wo man sich gegen eine Monatsgebühr Serien anschauen oder gegen Einzelgebühr Filme herunterladen kann. Es sieht so aus, als würde das wie bei iTunes mit einem 1-Click-System funktionieren.

Als Steuergerät dienen neuartige Fernbedienungen mit vollwertiger Tastatur oder Apps für Android und iPhone. Erste Hardware-Partner sind Logitech und Sony. Sony etwa bietet einen Fernseher an, der ohne separate Box Google TV gleich integriert hat. Kostenpunkt in den USA: 540 US-Dollar. Alternativ gibt es von den Japanern eine Blu-ray-Box mit Google TV. Ebenfalls als erster Hardware-Partner involviert ist Logitech mit der Box Logitech Revue. Kostenpunkt beider Boxen liegt bei ungefähr 300 Dollar. Die Preise deuten bereits darauf hin, dass Google TV zuerst in den USA zur Verfügung stehen wird. In Deutschland ist ein Marktstart für 2011 geplant. Verhandlungen mit hiesigen Fernsehsendern sollen bereits laufen.

Viel wird von einem Erfolg abhängen, ob Inhalte-Anbieter mitziehen werden. Sender wie RTL und Pro7 haben eigene Video-Portale im Netz, die man als ganzes oder inhaltlich für Google TV bereitstellen könnte. Fraglich ist, ob die Sender dazu Lust haben. Denn als App über Googles Android Market würden Gebühren an Google fällig. Unwahrscheinlich, dass man bereit ist, dafür zu zahlen.

Das beste aus beiden Welten

Was ist nun das Besondere an Google TV? Meiner Meinung nach ist es die gleichzeitige Nutzung zweier Infrastrukturen, die in der Vergangenheit seltenst intelligent verzahnt worden sind. Wir haben auf der einen Seite die DSL-Leitung. Die eignet sich ganz wunderbar, um Websites und gelegentliche Downloads durchzuschicken. Der Empfang von Qualitäts-Videosendungen im großen Stil ist dafür aber weniger geeignet: lange Ladezeiten oder mäßige Bildqualität und vor allem: ein Kollaps der Netze: Online-Videos machen bereits 26 Prozent des weltweiten Internet-Datenverkehrs aus, meldet Cisco. Tendenz steigend. Weitere 25 Prozent nimmt P2P-Filesharing ein, was ebenfalls einem großen Teil Videos geschuldet ist. Die Netze sind überlastet – dabei gibt es doch auf der anderen Seite Fernsehkanäle, die dafür viel besser geeignet sind.

Hier hätten wir Digitalfernsehen per Satellit, DVB-T oder Kabel. Das eignet sich ganz wunderbar für die Übertragung des Fernsehprogramms, gerade die Kabel-Anbieter können auch Internet. Aber ein Angebot aus beidem zusammen sucht man vergeblich. Kabel-Anbieter wie Kabel Deutschland schaffen es zwar, 32 Mbit/s und mehr an Daten über das Netz zu schicken. Ein einfaches Video-on-Demand-Angebot, sprich: die Verzahnung von Internet und Fernsehen, bekommen aber selbst diese Anbieter nicht hin, die alles aus einer Hand liefern. Das schafft zwar die Telekom mit T-Entertain, aber auch wieder nur zu Lasten des Internet-Backbones.

Besser als HbbTV

Und jetzt kommt Google mit seinem Betriebssystem für Fernseher daher und vereint Internet, Video on Demand und lineares Fernsehen. Während sich die Fernsehmacher noch streiten, ob das lineare Fernsehen nicht ausgedient hat und ob es Programme wie RTL 2 in zehn Jahren überhaupt noch geben soll, setzt Google einfach beides um. Und wir als Zuschauer haben nach wie vor die Wahl, ob wir uns lieber ganz gezielt eine Sendung ansehen oder uns nach einem harten Arbeitstag von egal-wie-sinnlosem Fernsehprogramm berieseln lassen. Und als positiver Nebeneffekt wird der Verkehr auf den Internet-Autobahnen nicht stärker belastet als bisher.

Google schlägt damit auch die pan-europäische Initiative HbbTV, die das Fernsehprogramm um einige Extra-Services aus dem Internet erweitert. Dabei handelt es sich aber um keine Verzahnung, sondern eine Widgetisierung in weit kleinerem Umfang. Ganze Webseiten oder Sendungen on Demand bietet HbbTV nicht. Es handelt sich dabei mehr um einen modernen Videotext. Google TV ist mit seiner Kombination aus TV, Internet, Spielen und Musik da einen großen Schritt voraus. Ich glaube, das könnte ein ganz großer Erfolg werden.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

24 Kommentare

  • App TV: Google legt vor…

    Google hat heute seine Website für Google TV veröffentlicht und stellt damit den wohl umfassendsten Gegenentwurf zum neuen Apple TV offiziell vor. Apple und Google verfolgen dabei unterschiedliche Konzepte bei der Eroberung des Fernsehens: während Appl…

  • „Offene Plattformen sind immer so eine Sache. Meistens kommt wenig Attraktives dabei heraus.“

    *Hust*

    Google TV kann ich mir schon als großen Gewinner vorstellen, schade nur dass ich grundsätzlich keinen Fernseher benutze.

  • Also quasi Boxee nur von Google … naja mal sehen, es ist auf jeden Fall suboptimal, dass sie nicht auf billige ARM-Hardware setzen …

  • Dass Google kein x-beliebiger Player ist ala „noch einer“, der irgendwas versucht, sollte eigentlich von vornherein klar sein. Insofern finde ich diese Eingangswendung ziemlich irreal, despektierlich – geradezu als „Majestätsbeleidigung“ (g). Dazu hat Google in der Medienrecherche bereits viel zu viel auf die Beine gestellt, das wirklich funktioniert.
    Ich bin jedenfalls sehr gespannt drauf und verspreche mir, den Vorvideos nach zu urteilen, sehr viel davon hinsichtlich Integration und Medienorgansation von TV und Internet.

  • Hammer Artikel. Das macht Basicthinking eben aus. Ich glaub ich schick euch auch mal ne Flasche Wein, um Aufmerksamkeit zu erringen und nen kleinen Werbe-Artikel zu ergattern, für low Money. D- 🙂

    Hm, ich denke, das Tv wird im Laufe der Zeit sterben.

    In 50 Jahren wird wohl kaum einer einen Fernseher zuhause haben. Eher so ne dünne große Art Leinwand, vlt. im Schreibtisch integriert. Da steht man dann darüber und klickt halt via Touch Screen herum. Irgendwie so halt… *g*

  • Das glaube ich nicht

    ein heimkino und lineartv wird garantiert bleiben

    Radio gibt’s ja in Zeitrn von mp3 auch noch. Wieso: weil es gut ist wenn eine Redaktion einem mal was anderes vorspielt.

    Oder würdest du in eine Kantine gehen wo’s täglich nur deine eine leibspeise gibt?

  • naja nach all dem was man so von Google hört, betrachte ich es mit Skepsis was Google so mit meinen Daten anstellt…

  • Im Prinzip gibt es das schon alles in vielen kostenlosen Media Center wie zb. „XMBC“.
    Darf sich jeder heut schon auf seinen Rechner Installieren und muss nicht auf das Google-TV warten.
    Auch die dafür geeignete Wohnzimmer PC mit Anschluß für den Fernseher wie zb die Zotac ZBox.
    Das neue ist nur das bundle dieser Software mit entsprechender Hardware.

    Übrigens ist Google da nicht allein auch das freie und quelloffenes Media Center „Boxee “ gibt es demnächst mit einer eigenen „Hardware – Box“.

  • Solch eine Lösung ist schon längst überfällig. Ich möchte mir in der heutigen Zeit nicht mehr vorschreiben lassen, wann ich welche Sendung gucken kann. Es gibt schon so viele Angebote im Netz, gut das Google versucht diese zu kanalisieren. In den USA haben sich Netflix und Co schon längst durchgesetzt. In Deutschland wird das allerdings bestimmt noch etwas dauern.

  • Ich muss Michael zustimmen! Die Eingrenzung des eigentlich als uneingrenzbar Konzipierten war mir schon längst ein Dorn im Auge! Und da Buugle eh schlimmer ist als Google – scheiß auf die Datenfrage und rein ins unermütliche online-TV 😀

  • „Ich möchte mir in der heutigen Zeit nicht mehr vorschreiben lassen, wann ich welche Sendung gucken kann.“
    Fernseher aus und ein Buch lesen ?

  • Also, ich nutze einen iMac 27“ als reines Multi-Media-Home und TV-Gerät und zwar in Verbindung mit der TV-Hardware von Elgato. Als Media-Center dient Front Row (Auf Alternativen wie Plex oder MediaCentral verzichte ich derzeit). EyeTV von Elgato lässt sich gut in Front Row einbinden, genau so das PlugIn „CouchServer“, so dass letztendlich alles mit der kleinen Apple-Remote steuerbar ist. Via iPhone, etc. geht`s natürlich auch … Dies gilt auch für den Zugriff auf TV-Programm-Daten während (!) der Film läuft (Quelle tvtv). Somit ist das eine Lösung die bereits JETZT das Internet und TV wie hier beschrieben gut verbindet, ohne irgendeine „Box“ dazu zu packen …

    Dazu kommen Optionen, die Multi-Media-Inhalte, inkl. dem LiveTV von jedem (!) Ort aus nutzen zu können, bspw. auf dem iPhone oder iPad, aber auch von vielen anderen Geräten. Oder bspw. das TV von einem absolut beliebigen Ort zu programmieren, um Sendungen auf zu zeichnen. Die Nutzung solch eines TV-Computers (iMac & eyeTV) innerhalb eines WLAN mit anderen, bspw. mobilen Geräten ist eh sensationell, denkt man bspw. nur an den Aufbau eines im Haus verteilten Audio-Multi-Room-Systems, etc.

    Somit ist das bspw. eine Lösung, welcher GoogleTV weitgehend überlegen ist. Das wirklich interessante bei Google sind die Apps. Dazu muss man aber auf OS 10.7 schauen, dass in 2011 auf den Markt kommt und genau diesen Vorteil auf dem Computer bietet (halt wie beim iPhone, etc.). Mit anderen Worten: Man upgradet seinen „TV-Computer“ einfach auf 10.7 und hat die Google Bedienungslösung. 🙂 Und das, bei aktuell etwa 300.000 Apps !!! im Angebot. Die Apps auf einem Notebook/MacBook interessieren mich gar nicht, aber auf dem TV-Computer sind sie einfach genial …

    Was weder bei GoogleTV noch bei anderen Lösungen / MediaCenter funktioniert, ist der Gedanke am TV zu surfen. Zum TV-Gerät habe ich immer einen gewissen Abstand, so dass klassischen Browser-Seiten gar nicht lesbar sind. Auch sich per Tastenkombination „einzoomen“ ist nicht praxisgerecht, so meine Erfahrung. In dem Fall muss ich die Wohnzimmercouch durchaus verlassen oder ich habe ein „welch auch immer Pad“ neben mir liegen, das ich ganz nebenbei als Remote-Control nutzen kann.

    Für Sony & Co. ist GoogleTV trotzdem eine gute Lösung, denn so machen diese ihre Nur-TV-Geräte ein wenig zu einem TV-Computer, was diese bisher nur in jämmerlicher Form geschafft haben, bspw. mit den Lösungen wie „Bravia Internet Video“. Viele Couchpotatoes ist das genau recht, denn die können sich oft einen „Computer“ eben nicht als TV-Gerät vorstellen, so das sie dankbar die Kombination aus TV-Gerät & GoogleTV annehmen werden. Und für Google-Apps Entwickler ist das natürlich auch ein guter Markt.

    Was Google wirklich mit GoogleTV vor hat, habe ich mal selber in einem Artikel auf meinem Blog gepostet

    http://www.pepperoni.net/newwork.biz/2010-06-03/googletv-was-soll-denn-das/

    Sehr interessant sind auch die Seiten von Bertram Gugel (kein Witz ,-)

    http://www.gugelproductions.de/blog/2010/googletv-ist-zu-klein-gedacht.html

  • ich glaube, dass der Kampf Google TV gegen Apple TV im Kern der Kampf gegen simpel (Apple) gegen kompliziert (Google) ist. Es würde mich nicht wundern, wenn Apple diesen Kampf auch diese mal wieder gewinnen würde.

  • Ich denke, dass die Leute irgendwann nach so einer Verknüpfung der Technik verlangen. Wer sich jedoch als Hersteller durchsetzt ist schwierig zu sagen. Danke, guter Artikel!

  • herkömmliches TV wird und muss allmählich aussterebn. der Ansatz von Google TV ist der richtige. eines Tages wird es sich durchsetzen.