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'Haptic Braille' und 'Touch Reader': Zwei Design-Studien, die Sehbehinderten lesen helfen sollen

Ich bin ja ein großer Fan von technischen Errungenschaften und Gadgets, die jenen unter uns das Leben erleichtern (sollen), die aufgrund einer Behinderung in vielen alltäglichen Situationen benachteiligt sind. Das hatte ich zuvor schon an mehreren Stellen erwähnt, zuletzt im Zusammenhang mit dem „Drop GPS“-System, das eine Konzept-Studie für eine Art Braille-Kompass war. Wie dieses, so richtet sich auch das „Haptic Braille“ getaufte Helferlein an sehbehinderte Personen, teilt mit jenem aber leider auch die Gemeinsamkeit, dass es sich bislang nur um eine Studie handelt.

Zu bedauern ist es deswegen, weil die Idee wirklich gelungen ist und vielen Menschen neue Möglichkeiten erschließen würde. Mit dem mausähnlichen Gerät sollen blinde Menschen nach Willen des Designers Baek Kil Hyun nämlich befähigt werden, alle Bücher lesen zu können – nicht nur die in Braille-Schrift verfassten. Hierzu wird „Haptic Braille“ einfach wie ein Handscanner über einen Seite gezogen, während eine an der Unterseite angebrachte Optik den Text „liest“, eine Zeichenerkennungssoftware (OCR) diesen analysiert und in Braille-Schrift „übersetzt“. Diese erscheint dann auf der Oberseite des Gadgets und kann von der Person in gewohnter Art mit der Fingern ertastet werden.     

Sieht man einmal von den Herausforderungen ab, vor die das Konzept in Bezug auf Software und technische Umsetzung gestellt wäre, könnte ich mir auch in der praktischen Anwendung einige Widrigkeiten vorstellen. So könnte sich etwa die gleichzeitige Bewegung der Maus und das Abtasten der Braille-Schrift etwas schwierig gestalten, da die Hand ja im Prinzip zwei Handlungen ausführen muss, die im Kopf koordiniert werden müssen. Wer mal spaßeshalber versucht, seine Maus von links nach rechts zu bewegen und dabei gleichzeitig mit den Fingern deren Oberfläche abtastet, versteht vielleicht besser, was ich meine. Das Problem ließe sich natürlich dadurch lösen, dass die Seite eines Buches zunächst komplett gescannt wird, bevor sie für die blinde Person lesbar gemacht wird.

Einen anderen Ansatz hat hier ein weiterer Gewinner – wie Haptic Braille – des diesjährigen Red Dot Concept Design-Wettbewerbs. Es handelt sich dabei um den „Touch Reader„, der im Grunde genommen das obige Gadget in Fingerhut-Größe darstellt. Er wird auf einen Finger aufgesetzt, mit dem man dann über einen Text streicht und diesen dann als Brailleschrift auf der Innenseite des Geräts quasi auf die Fingerspitze „gedrückt“ bekommt.

Ohne despektierlich klingen zu wollen, frage ich mich bei diesem Ansatz allerdings, wie eine blinde Person eine Textzeile, die sie nicht sehen kann, so genau mit ihrem Finger entlangfahren soll?

(Marek Hoffmann)

Über den Autor

Marek Hoffmann

Marek Hoffmann hat von 2009 bis 2010 über 750 Artikel für BASIC thinking geschrieben und veröffentlicht.

7 Kommentare

  • Cooler Ansatz, solche Lesegeräte könnten Blinde imho echt mobiler machen. …
    Wäre DIE Gelegenheit für die blinden Mitleser, sich zu erkennen zu geben, denn ihre Meinung würde an dieser Stelle natürlich ganz besonders interessieren.

  • Das ist wirklich mal was Tolles. Bin zwar nicht blind, kann mir aber vorstellen, dass diese Konsturktion doch sehr viel Vorteile für Sehbehinderte bringt.

  • cooler als die scanmaus finde ich das fingerding.
    das ist doch für eine blinde person nicht schwer, ein buch mit links zu greifen und mit dem cyberfinger rechts die zeilen eines buches abzufahren

    buddel

  • hehe,
    irgendwie gehen alle (ich auch) davon aus,
    dass blinde personen alle braille können
    oder auch nur an lesen interessiert sind.
    ich kenne sehr viele sehende menschen,
    die noch nie ein richtiges buch gelesen haben

    buddel

  • es gibt leider auch nur zu viele sehende Menschen, die offensichtlich noch nie ein richtiges Buch gelesen haben.

    Find ich ne gute Sache diese Erfindung, bei der Fingerhut-Variante könnte ich mir vorstellen, dass es schwierig wird, nicht in der Zeile zu verrutschen?

  • Jetzt hat BT auch schon AIDS. Warum nicht eine Schleife für Grippe oder Durchfall, da sterben hier mehr Menschen dran.

  • Interessanter Artikel, vor allem, da ich selbst zu den betroffenen gehöre. Ich bin blind und muss schonmal insofern eine Aussage korrigieren, als dass es uns ja, dank der E-Books mittlerweile möglich ist, Bücher am Computer zu lesen. Hier kann man dann entweder auf die Braille-Zeile zurückgreifen, um den Text eben in der Blindenschrift zu lesen, oder man lässt sich den Text von einer synthetischen Stimme vorlesen. Das ist zwar nicht perfekt, ist aber auch längst nicht so unterirdisch, wie man sich das vielleicht vorstellt. Allerdings macht uns das DRM und dieser ganze unsägliche Kopierschutz-Wahn da häufig einen Strich durch die Rechnung, da solche Schutzmaßnahmen den Screenreader, das ist das Programm mit dem wir den Computer bedienen, häufig aussperrt und wir die Texte dann nicht mehr lesen können. Kein Wunder also, dass ich mir in der Vergangenheit die Bücher entweder selbst einscannen, oder andere weniger legale Beschaffungswege suchen musste.

    Was die erste vorgestellte Variante angeht, halte ich das für nicht sonderlich praktikabel. Ich habe vor einigen Jahren auf einer Hilfsmittel-Messe mal einen Stand einer Firma besucht, die sich mit Computerspielen für Blinde beschäftigte. Dort wurde mir eine Maus in die Hand gedrückt, die auf den Tasten Braille-Punkte hatte, die einen Pfeil bildeten, der dem Spieler anzeigte, in welche Richtung man die Maus bewegen musste, um den Gegner zu finden, um ihn anschließend abschießen zu können. Vielleicht lag es nur an mir, aber ich empfand das alles andere als angenehm oder irgendwie spaßig. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass das Lesen, was ja noch um einiges anstrengender sein dürfte, damit großartig angenehm ist.

    Wenn der „Blinde“ unbedingt unterwegs, z.B. in der Uni Texte lesen will, gibt es mittlerweile andere gute Ansätze. So kann man die S60-Smartphones, wie zum Beispiel das Nokia n95 oder so, mit einer Sprach und einer OCR-Software ausstatten. Man fotografiert dann einfach die Seite und bekommt 30 Sekunden später das Ergebnis vorgelesen. Das funktioniert zwar noch nicht perfekt, macht aber gute Fortschritte.

    Dazu muss ich noch sagen, dass in meiner Generation, ich bin jetzt 24, die Brailleschrift aufgrund der Vielen Arbeit mit Notebooks auch ganz ordentlich an Bedeutung verloren hat. Es ist einfach unpraktisch in Schule und Uni immer eine Braille-Zeile mitzuschleppen und lässt man sich alles von der Sprache vorlesen, kann man, sofern man gut trainiert ist, die Informationen sogar schneller, als durch Lesen aufnehmen. Das führt natürlich dazu, dass Lehrer und Verfächter der Punktschrift kopfstehen, weil darunter natürlich die Rechtschreibung leidet, aber es ist viel einfacher, einen Text schnell in den Scanner zu legen und anschließend durchzuhören, als ihn in Punktschrift ausdrucken zu lassen. Sowas funktioniert vielleicht an speziellen Blindenschulen gut, aber ein Dozent an der Uni oder ein Arbeitgeber hat natürlich kein gesteigertes Interesse an solchen Möglichkeiten.