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Ägypten vom Netz genommen

Ägypten offline: Die Regierung des nordafrikanischen Landes hat das Land größtenteils vom Internet abgekoppelt. Es begann mit Twitter, dann folgte Facebook. Später ließ die Regierung SMS- und Blackberry-Dienste abschalten und Google Mail blockieren. Wie Heise meldet, ist gestern gegen Abend 23:30 Uhr fast der gesamte Teil des ägyptischen Internets offline gegangen. Die Border Gateway Routen (BGP) der vier größten nationalen Anbieter sind laut dem Renesys Blog binnen Minuten zurückgezogen worden, die Kommunikation des Auslands mit den wichtigsten ägyptischen Providern damit praktisch nicht mehr möglich.

Betroffen sind die vier größten nationalen ISPs Telecom Egypt, Link Egypt, Etisalat Misr und Vodafone/Raya und damit alle ihrer Kunden: Privatleute, Unternehmen, Schulen, Internetcafes, Botschaften, Banken. Praktisch also der gesamte öffentliche Datenverkehr. Der Vorgang ist in der Geschichte bislang einmalig, schreibt Renesys weiter. In Tunesien wurden während des Umsturzes einzelne Routen blockiert; bei der gescheiterten Revolution im Iran machten Regierungsstellen die Interneteinwahl quälend langsam, schalteten das Netz aber nicht ab.

Heute die bislang größten Proteste erwartet


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Der Anbieter Noor allerdings ist weiterhin online, der Teil des Internetbackbones, der durch Ägypten führt, scheint ebenfalls nicht betroffen zu sein. Außerdem gibt es Berichte über weiterhin verfügbare Internetverbindungen in ägyptischen Luxushotels. Die weiterhin erreichbare ägyptische Börse verlässt sich auf Noor. Es gibt also Vermutungen wonach die Regierung Noor geschont haben könnte, damit die ägyptische Börse am Montag weiter Handel treiben kann. Am heutigen Freitag findet aufgrund des Freitagsgebets in Ägypten kein Handel statt.

Für heute werden die bislang größten Proteste der Bevölkerung gegen die Regierung von Hosni Mubarak erwartet. Mit der Abschaltung des Netzes – so weit es möglich ist – will die Regierung offenbar Proteste unterbinden und verhindern, dass Informationen ins Ausland gelangen. Weiterhin wird heute eine Störung der Mobilfunknetze erwartet. Der britische Guardian sammelt live Informationen aus Ägypten. Demnach haben einige Menschen zeitweise noch Zugang zum Netz, darunter einige ausländische Journalisten. Der Journalist Ben Wedemann twitterte vor wenigen Minuten noch, dass die Stimmung extrem angespannt sei, Proteste verboten wurden und Spezialkräfte auf den Straßen patrouillierten.

Es bleibt dabei: Die Kommunikation zu stören, ist für eine Regierung ein probates Mittel, um Proteste kurzfristig zu unterbinden und eine Revolution im Keim zu ersticken. Langfristig gräbt man sich damit aber das eigene Wasser ab, weil auf die Abkopplung des Internets vom Ausland meist die politische Isolation folgt. Der Willen eines Volkes lässt sich nicht für immer unterdrücken. Die ägyptische Regierung sägt mit derart despotischen Maßnahmen am eigenen Stuhl.

(Jürgen Vielmeier, Grafik: Arbor Networks)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

28 Kommentare

  • Und ein paar Spinner in unserem Land wollen auch „einen Knopf, mit dem man das Internet abschalten kann“. Bin ich froh, dass es das bislang noch nicht gibt bei uns und ich hoffe auch, dass es diesen „Knopf“ nie geben wird.
    Aber zutrauen würd ich das unseren Politikern schon.

  • @ Georg:
    Schön, dass Du das genau hier zur Sprache bringst – im Kontext mit dem obrigen Artikel eröffnet es die komplette Banalität dieses Vorfalls.

  • @Georg: Genau! Dieser Beitrag zur Lage in Ägypten ist bestimmt gekauft.

    @Archer: Dazu wird aber kein Knopf benötigt. Mit entsprechender „Überzeugungsarbeit“ bei den Providern (in einem Staat wie Ägypten wahrscheinlich leichter zu realisieren als hier), bringst du die Unternehmen schnell dazu zu kooperieren.

  • Können Unternehmen die auf das Internet angewiesen sind – IT-Firmen, Webdesigner usw – nicht Schadensersatz oder so fordern? Bei uns würde das sicherlich gehen.

  • @Sumit in Deutschland könnte man das Internet ja auch nicht so leicht abschalten. Denke kaum, dass man als Ägypter deshalb Schadensersatz fordern kann, da einfach andere Gesetze dort herrschen.. die sagen einfach „Pech gehabt!“

  • Hm,

    ich verstehe nicht das man das überhaupt abschalten kann.
    Wie sieht es den mit Funk, Satelliten Internet etc. aus, das sollte doch auch von dort über einen freien z.B. Europäischen Satelliten laufen können, oder ?

  • könnt Ihr Ignoranten euch nur Sorgen darüber machen das das Internet abgeschaltet wird ,denk ihr überhaupt mal über die Menschen in diesem Land nach die wirklich Angst um ihr Leben und ihre Zukunft haben?!Wie kann es möglich sein heutzu Tage das eine doch sehr westlich(scheinbar)gerichtetes Land sich so verhalten kann und mit solcher Gewalt auf die Menschen losgeht.Sie wollen nur gerechtigkeit.Ich bin sehr oft in dem Land und kenne es nicht nur aus den Medien und auch nicht nur als Tourist.Ich habe Angst um die Menschen da und um ein Land das unglaublich viel Schönes zu bieten hat.

  • sorry, aber die demonstrierenden ägypter sind idioten.

    sie fordern „freiheit“. die haben sie schon längst. von wegen totalitäres regime… nicht nur dort sitzen leute im knast die eine unbeliebte politische meinung haben.

    bald werden sie ja ihre dämliche demokratie haben und dann werden sie sehen wie schön geregelt doch alles vorher war.

  • Also das ist schon eine sehr drastische Maßnahme. Ich als Computer Süchtling könnte es nicht lange ohne Netz aushalten. Es ist schon sehr schade wie die freie Meinungsäußerung unter Druck gesetzt wird.

  • Wie es im Artikel bereits steht. ist die Abkopplung des Internets vom Ausland keine langfristige Lösung. Ich hoffe nur, das solche Methoden in Zukunft nicht öfter zu sehen / lesen sind.

  • @#3 Jörg: Gemessen am Leid in der ganzen Welt sind alle unsere Probleme Pillepalle.

    Aber man kann natürlich alles diesem absoluten Maßstab unterwerfen; fangen wir damit an, wenn Dich Deine Kollegen mobben, Dir einer Dein Handy klaut, das Ding gerade kein Netz hat oder Stuttgart 21 durchgezogen wird.

    All‘ das ist mit Blick auf die Toten am Moskauer Flughafen, die Anschlagopfer im Irak, die Bürgerkriegstoten in Afghanistan oder die verprügelten ägyptischen Demonstranten ziemlicher Kleinkram.

    Aber was wirst Du sagen, wenn Dir die Gewerkschaft, Dein Chef, die Polizei, der Netzbetreiber oder der Mappus sagen, dass Deine Probleme im Vergleich ziemlich banal sind, ihnen das egal ist und auf das Leid in der Welt verweisen

    Und wo sollte man bei Basic Thinking eine offene kritische Anmerkung oder Nachfrage zu den Schleichwerbe-Vorwürfen unterbringen, wenn nicht in den Kommentaren?

  • @#16 Marc:
    Wo? Ganz einfach: Per Mail an den Verantwortlichen. Oder wenn Du dringend in die Öffentlichkeit damit willst, dann nutze einfach dein eigenes Blog oder das von Netzpolitik – wo man sich eben mit dem Thema beschäftigt.

    Die Kommentare sollten doch dazu gut sein, das Thema des Beitrages zu kommentieren – nicht die Geschäftspraktiken des Betreibers in Frage zu stellen.

    Und vergiss bitte nicht, dass es sich um Links handelt. Es sind „nur“ Links! Und eben diesen Umstand muss ich doch als Maßstab heranziehen, wenn so ein Kommentar unter so einem Artikel steht. Kommentar im Verhältnis zu Artikel. Aber wen interessiert schon Ägypten… Lass doch lieber auf ein künstliches „Bloggergate“ aufspringen.

  • Die armen Menschen in Ägypten. Warum können solche Machtübergänge nicht friedlich passieren. Bei den gewaltsamen landesweiten Protesten gegen die Regierung in Ägypten sind am Freitag nach Informationen des Gesundheitsministeriums 38 Menschen getötet worden. Wie Vertreter des Ministeriums am Samstag in Kairo mitteilten, kamen jeweils zwölf Menschen in der Hauptstadt sowie in der Stadt Suez ums Leben. Rund 1900 Menschen seien verletzt worden, unter ihnen 500 Polizisten. Seit Beginn der Proteste am Dienstag hat es somit fast 50 Todesopfer und 2500 Verletzte gegeben. Die Menschen tun mir richtig leid.

  • „Die Kommunikation zu stören, ist für eine Regierung ein probates Mittel, um Proteste kurzfristig zu unterbinden und eine Revolution im Keim zu ersticken.“
    Dem ersten Teil stimme ich zu und ergänze … zu stören bzw. zu steuern. Das funktionierte ja auch schon vor Facebook und Webkommunikation, siehe Golfkrieg, ich glaube 1992. Um eine Revolution zu ersticken, dafür braucht es brutale Gewalt. Ich bin mir nicht sicher, ob dafür der Zug nicht schon abgefahren ist. Schätze die Mächtigen von Kairo bis Washington sitzen in Geheimkammern und diskutieren (Worst-Case-)Szenarien … Was wenn Mubarak fällt …. Was wenn wir die Demonstrationen mit aller Gewalt niederstrecken … was käme danach? Chaos? Demokratie? Die Muslimbrüder?

  • Wer weiß ob die Demokratie in Ägypten in Zukunft was Gutes bringen wird. Wenn die meisten Ägypter eine fundamental Islamistische Partei an die Macht wählne, die in Ägypten momentan übrigens die größte Oppositionskraft ist, dann haben wir hier in Europa bald nicht mehr so viel zu lachen.

  • Eine großartige Leistung, wenn ein Volk von sich aus aufsteht und sich demokratische Verhältnisse erkämpft.

    Das Netz abzuklemmen zeugt schon von ziemlicher Hilflosigkeit und Naivität. Es gibt immer Möglichkeiten Nachrichten zu übermitteln, und sei es, dass man sich auf Vornetzzeiten besinnt. Gut organisierte Revolutionen gab es auch schon vor dem Internet

  • Schade, wenn jetzt doch noch ein paar Worte zum Schleichwerbe-Netzwerk-Vorwurf auf BT kommen, werde ich sie nicht mehr mitbekommen.

    Probleme aussitzen fand ich schon bei Helmut Kohl nicht gut. Ciao.