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Vorbild: Techblogger Richard Gutjahr auf eigene Faust nach Ägypten

Welchen Traum haben Technikblogger und -journalisten? Vielleicht einmal bei der Präsentation des neuen iPhones dabei sein, zufällig über das Gadget oder Startup des Jahres stolpern oder einen bisher unveröffentlichten Prototypen in einem Biergarten liegen sehen. Ähnliches galt bisher für Richard Gutjahr. Der deutsche Journalist ist einigen seit geraumer Zeit als Apple-Fanboy bekannt. So machte er sich vergangenes Frühjahr nach New York auf, um beim Verkaufsstart als Erster Apples iPad in Händen zu halten. Und eigentlich wollte er auch am Mittwoch in New York sein, um bei der Präsentation von „The Daily“ dabei zu sein, die erste eigens für das iPad produzierte Zeitung. Rupert Murdoch und Apple-Manager Eddy Cue werden vor Ort erwartet. Da darf ein Gutjahr eigentlich nicht fehlen.

Statt dessen flog Gutjahr nach Kairo – um von den Protesten gegen Präsident Hosni Mubarak zu berichten. Eine bemerkenswerte Entscheidung. Von vielen wurde kritisiert, dass gerade die deutschen Nachrichtensender zu wenig aus Ägypten berichten. Vorbildlich hatte bislang der arabische Nachrichtensender Al Jazeera informiert; der jedoch war Ende letzter Woche aus Ägypten ausgewiesen worden. Deutsche Journalisten sind zwar noch vor Ort, etwa ARD-Korrespondent Jörg Armbruster. Viel jedoch hatte auch die ARD am Wochenende nicht in Sachen Ägypten zu bieten. Der Mediendienst DWDL wirft ARD und ZDF gar klägliches Versagen vor. Eine Live-Berichterstattung aus erster Hand, ob im TV oder online, wurde schmerzlich vermisst. Das will Gutjahr jetzt auf eigene Faust ändern.

Der deutsche Journalist, der in München und Tel Aviv lebt, hielt sich zur Zeit der beginnenden Proteste in Tel Aviv auf. Da das nur 150 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt liegt, bestieg er eine Maschine und flog rüber nach Kairo. Bei seiner Ankunft erlebte Gutjahr geisterhafte Zustände. Er landete gestern Abend in einem einsamen Flughafen und schlug sich zusammen mit anderen Reportern in ein Hotel durch. Zur Stunde hat er sich ins Zentrum von Kairo durchgeschlagen. Über seine Erlebnisse berichtet er auf Twitter und in seinem Blog. Anders als das Festnetz scheint das Mobilfunknetz weiterhin benutzbar zu sein. Gutjahr bittet um Spenden via Flattr, um die hohen Roaming-Gebühren bezahlen zu können. Das dürfte das sein, wofür Flattr eigentlich erfunden wurde: um unabhängige, investigative Geschichten zu finanzieren.


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Das Festnetz-Internet ist in Ägypten bis auf den Provider Noor nach wie vor tot. Das Mobilfunknetz ist derzeit teilweise erreichbar. Der Anbieter Vodafone hatte sich vor Ort offenbar selbst zensiert und war dafür am Wochenende von Amnesty International kritisiert worden. Inzwischen soll Vodafone zumindest die Sprachdienste des Netzes reaktiviert haben. Der kritisierte ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat am Wochenende mit Ahmad Schafik einen neuen Ministerpräsidenten ernannt und ihm aufgetragen, für Reformen zu sorgen. Ungeachtet dessen werden heute und morgen in ganz Ägypten weitere Proteste erwartet. Die Opposition hat für morgen zu einem Generalstreik aufgerufen. Einzelne deutsche Unternehmen wie RWE und Daimler haben ihre Mitarbeiter aus dem nordafrikanischen Land ausgeflogen. Bislang sollen bei den Protesten seit dem 25. Januar über 150 Menschen ums Leben gekommen und hunderte verletzt worden sein.

Angesichts der Proteste in Ägypten rücken andere Themen in den Hintergrund. Ein neues Tablet, das dies und das kann, darüber kann jeder schreiben. Gutjahr setzt mit der sicherlich unbequemen und nicht ungefährlichen Reise nach Kairo ein Zeichen dafür, über den Tellerrand zu blicken und Mut zu beweisen. Hut ab!

(Jürgen Vielmeier, Foto: Richard Gutjahr)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • Na das nennt man dann wohl echten Journalismus. Ich finde es immer wieder toll wenn es noch Menschen gibt die dort auftauchen wollen wo andere fliehen und letztlich berichten.

  • Ihr verwechselt da wohl Festnetz und Mobilfunknetz. Heise hat darueber korrekt berichtet: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-und-ohne-Mobilfunk-4-Update-1179102.html

    Kurz: Internet & Mobilfunknetz sind down. Festnetz funktioniert.

    Und noch was… Gerade Vodafone wird nicht funktionieren. Das sind die, die als erster privater Anbieter den Hahn zugedreht haben. Deswegen wurden sie auch schon von Amnesty International geruegt. Man man, die Qualitaet der Beitraege hier nimmt rapide ab.

  • @Visus: Glaube eher, DU hast da was verwechselt.
    @Thomas Pfeifer: „Schade, dass BT nur durch seine eigene Technikbrille guckt.“ Man munkelt, dass die Webevangelisten das auch tun. 😉

  • @Jürgen Vielmeier: Denke ich nicht, denn wenn Heise den Titel des Artikels schon „Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk“ nennt, dann meinen sie nicht „Ägypten ist offline und ohne Festnetz“.

    Wie gesagt: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-und-ohne-Mobilfunk-4-Update-1179102.html

    „Die ägyptische Regierung schaltet nach dem Internet auch Mobilfunknetze ab, um die massiven Proteste einzudämmen. Alle Mobilfunk-Betreiber in Ägypten seien angewiesen worden, den Betrieb in ausgewählten Regionen einzustellen, teilte der Telecom-Konzern Vodafone mit. Die ägyptischen Behörden seien per örtlichem Gesetz dazu berechtigt, „und wir sind verpflichtet, uns dem zu beugen», betonte das britische Unternehmen. Die ägyptischen Behörden würden die Situation zu gegebener Zeit klären, meint Vodafone.“

    Demnach ist die Aussage hier im Blog „Das Mobilfunknetz ist hingegen größtenteils in Betrieb geblieben.“ einfach falsch. Richtig ist lediglich, dass Teile davon WIEDER in Betrieb sind. „in Betrieb geblieben“ sind sie aber nicht, weil sie zwischenzeitlich ja nicht in Betrieb waren.

  • @visus Und wenn man mal die bösen Links im Beitrag anklickt, erfährt man aus erster Hand, wie es um die Mobilfunknetzte gegeben ist:

    Zitat Richard Gutjahr „Zu meiner Überraschung begrüßen mich noch im Flughafenbus gleich 3 Mobilfunknetze.“

    Einfach mal…

  • @dud0r: hast du visus Kommentar überhaupt gelesen? Er schreibt doch selber „Richtig ist lediglich, dass Teile davon WIEDER in Betrieb sind“ … es geht doch gar nicht darum, was jetzt ist, sondern eben, dass BT das in dem Artikel (auf die Vergangenheit bezogen) falsch schreibt.

  • @visus: Da muss ich jetzt aber genauso korrekt sein und darauf pochen, dass wir beide nicht genau wissen, ob die Netze nun abgeschaltet waren oder nicht. Heise schreibt, dass die Mobilfunkprovider in Ägypten angewiesen worden waren, die Netze abzuschalten, aber ob das außer Vodafone wirklich alle gemacht haben, steht da nicht. Ich hab das entsprechend oben geändert. Einigen wir uns auf ein Unentschieden? 😉

  • Also sorry aber auf meinen 10? Nachrichtensendern auf Astra läuft Ägypten praktisch aus allen möglichen perspektiven rauf und runter.

    Das ntv und N24 schon lange keine Nachrichten mehr zeigen ist ja nix neues. Kommt ja noch mehr auf 1extra und phoenix.

    Anyway, was gutjahr da macht ist für mich katahstrophentourismus und Selbstdarstellung sonst nix. Bisher fand ich ihn ok aber Hey: das ist was anderes wie die Apple ipad Warteschlange und es reicht wenn Al jazeera, CNN, BBC World, France 24, russia Today USW live berichten

  • @Jürgen Vielmeier: Wir sitzen beide natuerlich nicht vor Ort und haben die Informationen nur durch Dritte, da gebe ich dir Recht. Unentschieden accepted.

  • Tina, dass R. Gutjahr aber noch ganz andere Dinge macht, die deinem journalistischem Anspruch vielleicht eher genügen, wird von allen Kritikern komplett ignoriert. Er ist nicht nur der Apple Fanboy, auf den ihn alle gerne reduzieren möchten. http://goo.gl/9V7qA

    Aber so, wie ich duch die Blog tigere, um ihn zu loeben, bist du halt unterwegs, ihn als unfähig hinzustellen.

    Seine bisher erschienen Berichte im Blog sind eigentlich das beste Argument gegen seine Kritiker. Einfach mal lesen und sachlich urteilen.

    Und wer legt eigentlich fest, welcher Journalist berichten darf und welcher nicht? Willst du die Kriterien festlegen? Ich wünsche mir eher Vielfalt in der Berichterstattung.

  • Oliver, ich meinte keine Twitter-Vielfalt: Ich wäre trotz Twitter-Account dafür die komplette Fehlbesetzung. Aber wenn dort ein Journalist seinen Job macht, ist egal, welche Kommunikationskanäle er nutzt, wenn er sie sinnvoll einzusetzen versteht.

    Ich finde die Diskussion total interessant, weil sie ein stückweit die Bigotterie offenlegt. Oder wie ich schon bei Udo Vetter schrieb: „Alle (Netz)affinen bejubeln immer die Möglichkeiten der neuen Medien und wenn sie mal einer (auch für sich) nutzt, sind plötzlich die „erfahrenen“ Journalisten der sonst so verpönten „Holzmedien“ die Größten. Wie verlogen ist die ganze Diskussion eigentlich?“