Technologie

Ein Weg aus dem Tal der Ahnungslosen? Politikern das Internet schmackhaft machen

Vielleicht musste es wirklich einmal ein Unternehmer sein, dem die Hutschnur riss. Einer dieser Unternehmer, die doch von der Politik so hofiert werden. Dass ausgerechnet so einer die Politik für ihre Digitalfeindlichkeit kritisiert, stößt in der Tat auf Gehör: „Wir werden von gefährlichen Ahnungslosen regiert“, sagte SinnerSchrader-CEO Matthias Schrader gestern in deutlichen Worten, als er gerade einen Rekordumsatz eingefahren hatte. Im Klartext:

„Viele Politiker sind digitale Analphabeten. Das ist für Deutschland ein echter Standortnachteil. Behörden und Politik schüren gezielt die Angst vor dem ‚Datenhunger amerikanischer Konzerne‘, riskieren aber mit ihrer Gesetzgebung in der Praxis insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter und gefährden Arbeitsplätze. Auf der anderen Seite setzt der Staat auf rechtsverletzende Tools wie den Staatstrojaner, der dem Datenmissbrauch Tür und Tor öffnet. Das ist mehr als nur bigott.“

Das dürfte gesessen haben. Und was dem ganzen die Krone aufsetzt, ist, dass dieser Staats- oder Bundestrojaner offenbar auch noch schlampig programmiert worden ist. Wieder kein gutes Aushängeschild für den Technikstandort Deutschland.

Von „studentischen Hilfskräften“ programmiert


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Sascha Lobo schrieb dazu in seiner Kolumne am Mittwoch: „Der Staatstrojaner wirkt gegen den Stuxnet-Wurm wie ein defekter Tretroller bei einem Wettrennen gegen einen mit Kerosin betankten Ferrari.“ Der CCC kommentierte am Wochenende in seiner Analyse des Trojaners süffisant: „Wir sind hocherfreut, dass sich für die moralisch fragwürdige Tätigkeit der Programmierung der Computerwanze kein fähiger Experte gewinnen ließ und die Aufgabe am Ende bei studentischen Hilfskräften mit noch nicht entwickeltem festen Moralfundament hängen blieb.“

Die hessische Firma DigiTask, die diesen Trojaner programmiert hat, wirbt auf ihrer Website mit dem Slogan „Innovation durch Kompetenz“. Sie wehrt sich gegen Unterstellungen, sie habe beim Bundestrojaner schlampige Arbeit geleistet: „Die Software wurde vor fast drei Jahren geliefert – das sind in der IT-Branche Lichtjahre“, sagte Winfried Seibert, Rechtsbeistand des IT-Unternehmens. Es liege in der Verantwortung der Entwicklungsbehörden, Updates zu bestellen, von denen es welche gegeben haben soll.

Was tun? Langsam gehen uns die Parteien aus

Ob die das getan haben, wer eigentlich für das Updaten eines Staatstrojaners zuständig ist und warum man Updates nicht einfach über den Trojaner selbst nachgeladen hat, ging in der förderalen Vielstaaterei unter. „Wir halten uns strikt an die rechtlichen Vorgaben“, sagte etwa Ralf Jäger (SPD), Innenminister des Landes NRW, das ebenfalls eine Version des Trojaners benutzt haben soll.

Wenn das Gesetz ist, was wollen dann eigentlich diejenigen, die es erlassen haben? Dass die Menschen endlich wieder Angst vor dem Internet und anderer Technik bekommen? Wieso? Wem wäre damit gedient? Welchem Industrieland bringt es etwas, den Fortschritt abzuschaffen und das Internet zum Teufel zu wünschen? IT-Sicherheitsunternehmen, von denen kein namhaftes aus Deutschland stammt? Das Internet wurde von keiner Bundesregierung der vergangenen 20 Jahre sonderlich umschlungen. Von der Piratenpartei einmal abgesehen, gehen uns langsam die Parteien aus, die wir noch wählen können, um das zu ändern. Ein Politikerroulette als App? Ein Social Network für Volksvertreter? Vorgefertigte Lösungen für E-Government, die wir selbst als Open Source erschaffen und dann der Politik zur Verfügung stellen?

Was es auch ist, aber wir werden uns etwas einfallen lassen müssen, wie wir den Politikern das Internet schmackhaft machen. Denn egal, ob Bundestrojaner, ELENA oder ein anderer misslungener Ausflug in die bundeseigene Vorstellung des Internets: aus Schaden scheint die Politik zu langsam klug zu werden.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

23 Kommentare

  • Schade finde ich das man gerade bei diesem Thema nichts von den Piraten gehört hat. Hier hätten sie punkten können, da es gerade um ihre Kernkompetenz geht! Jetzt wäre Medienpräsenz gefragt.

  • Wie sagte einer so schön… was soll man von Politikern bezüglich des Internets erwarten, welche sich die Email in Papierform von ihrem Sekretär überreichen lassen müssen, da diese selbst nicht abrufen können.

  • Es wird doch immer der mündige Bürger von den Politikern verlangt, es ist langsam wirklich an der Zeit, dass die Bürger das Gleiche von den Politikern fordern…
    Diese sitzen aber nur in ihren Stühlen, lassen sich von weiteren Statistiken beeindrucken und fragen sich, warum die Politikverdrossenheit zunimmt…

    Grüssle

  • Matthias Schrader’s Aussage stimme ich zu 100% zu. Die meisten Internet – Versuche der Politiker enden ja nicht gerade mit Erfolg. Auf der einen Seite Staatstrojaner einsetzten und auf der anderen Seite über die amerikanischen Konzerne schimpfen. Wenn man selbst Dreck am Stecken hat sollte man nicht über andere herziehen

  • Es ist einfach auf die Politiker zu schimpfen, nur ist das die halbe Wahrheit.
    Das „Tal der Ahnungslosen“ ist viel größer quer durch alle Teile der Bevölkerung auch bei vielen die das Internet täglich nutzen.

    ….Behörden und Politik schüren gezielt die Angst vor dem ‘Datenhunger amerikanischer Konzerne’, riskieren aber mit ihrer Gesetzgebung in der Praxis insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter und gefährden Arbeitsplätze….

    Das heißt doch nichts anderes als die Forderung den Datenschutz faktisch „Abzuschaffen“ um mit den US Unternehmen persönliche Daten um die Wette einsammeln zu können?
    Nur wenn für kommerzielle Unternehmen der Datenschutz nicht mehr gelten soll , warum dann noch für den Staat?
    Dann könnten doch wie schon teilweise geschehen Behörden Priv Unternehmen zum Schnüffeln beauftragen oder diese dafür zu Nutzen wie Facebook , Clouddienste ect.

    Der Beitrag stimmt hier „Hinten und Vorn“ nicht Zusammen.
    Einerseits verlangt er vom Politiker die Unternehmen weitgehend vom Datenschutz Auflagen zu Entbinden für bessere Profite, andererseits schimpft er auf die Schnüffelei des Staates ?
    Wie soll das richtig zusammenpassen in der Gesellschaft?

  • Schöner Artikel. Leider ist Deutschland schon seit gefühlten 20 Jahren sehr feindlich und seit bestehen des Internets regieren digitale Analphabeten. Schon schade, das man im Ausland am leichtesten Geld verdient.

  • …Leider ist Deutschland schon seit gefühlten 20 Jahren sehr feindlich und seit bestehen des Internets regieren digitale Analphabeten ?…

    Wo ist gerade Deutschland „Internetfeindlich“ ?
    Ich sehe hier gerade im Vergleich zu anderen EU Staaten oder auch Bestrebungen in den USA , was Filterungen , staatliche Schnüffelein, Einschränkungen und Sperren angeht hierzulande viel mehr „Freizügigkeit“.
    Gerade möchten eng. Politiker das halbe Netz wegen „Porno“ Filtern, andere Länder haben eine regide Vorratsdatenspeicherung ect.
    Frankreich und Italien diskutieren regelmäßig Gesetze die das halbe Internet und Bloggerszene krimminalisieren.
    Die USA möchten gerade regide DNS-Sperren im geplanten Protect-IP Act einführen? zumal dort die Überwachung mittels Trojaner ect. viel ausgeprägter ist als hierzulande.
    Deutschland ist noch mit das Internetfreundlichste und freizüglichste Land, also so große digitale Analphabeten scheinen es bis auf einige lautsarke „Hinterbänkler“ gar nicht zu geben?

    Hier beschwert sich lediglich ein Unternehmer dem der ausgeprägte Datenschutz seinen zweifelhaften Geschäften stört , statt sich diesem zum Vorteil zu machen!
    Es ist dort Einzuordnen wie der regelmäßige Ruf nach Steuersenkungen und Abbau der Arbeitnehmer Rechten.

  • Dass ich mal mit Herrn Schrader einer Meinung sein werde hätte ich ja auch nicht gedacht; daher: „Willkommen im Club Herr Schrader, freut mich, dass Sie dabei sind.“
    Schöner Artikel – Danke

  • Nicht die Politiker, unser dummes Wahlvolk ist schuld.
    Seit Jahrzehnten wählt es CDU oder SPD, egal was sie verbrochen haben. Ist doch klar, dass die mittlerweile machen was sie wollen.

  • Wer braucht schon einen Kerosinbetriebenen Ferrari wenn es in den meisten Fällen auch ein Tretroller tut?

  • Das Problem liegt am öffentlichen Beschaffungswesen. Man erinnere sich an das Desaster mit der Autobahnmaut. Und ein in Vergabdingen versierter Unternehmer schafft es gerade im Sicherheitsbereich immer, nach einmaliger erfolgreicher Teilnahme an einem Bietungswettbewerb sein Produkt fürderhin so zu gestalten, dass er ausschliesslich in der „freihändigen“ Vergabe beauftragt wird – d.h. es wird nicht mehr ausgeschrieben, es gibt keine Konkurrenz mehr usw. UND es entstehen, wie bei DigiTask schon strafrechtlich in der Vergangenheit belegt, anrüchige „Freundschaften“ zwischen Beschaffern und Lieferanten. Das funktioniert fast nie, man sieht es ebenso am Desaster des Chip-Personalausweises, der Gesundheitskarte, den Public-Private-Partnerships usw.

  • nun ja, .. da wo Wirtschafts-Freie Zonen nicht einer Kontrolle von bzw. durch Politik obliegen, MUSS der Staat sich nunmal selber helfen können.

    Polyethik kann und darf sich meiner Meinung nach nicht erlauben die Grauzonen, die ihr selbst zu einer Gefahr werden können, unausgeleuchtet zu lassen. Das grenzt an Selbstaufgabe und darf zum Schutz aller unter gar keinen Umständen stattfinden.

    Aber wer weiß.., mit ein bißchen mehr SEO in der Webentwicklung, erhält das Internet vielleicht wirklich eine ganz rationale wirtschaftlich-politische Basis. (Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.)