Sonstiges

Muss man Böses tun, bevor man Gutes tun kann?


Die Faszination des Bösen treibt Menschen dazu, ihm zu verfallen. Oder zumindest dazu, unliebsame Dinge auszublenden: Gefällt einem etwa das neue Smartphone, denkt man nicht unbedingt daran, wer wie dafür schuften musste oder unter welchen Bedingungen die Rohstoffe dafür gewonnen wurden. Solange man verliebt ist, kann man schon mal ausblenden, wenn der neue Partner die Freunde abschätzig behandelt. Und wenn mir das Social Network technisch gut gefällt und alle meine Freunde sich dort tummeln, dann denke ich nicht bei jedem Besuch daran, dass es meine Daten als seine betrachtet und sie an Unternehmen verschachert, nur um Geld damit zu verdienen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg scherte sich jahrelang nicht die Bohne um Nutzerrechte, Privatsphäre und Datenschutz, jubelte seinen Nutzern sogar sooft neue Richtlinien unter, bis sie es irgendwann müde wurden, dagegen zu protestieren. Und doch kamen und blieben die Nutzer in Scharen. Gut 800 Millionen dürften es zur Zeit sein, bis zur Milliarde ist es nicht mehr weit. Und jetzt, wo Facebook der größte Börsengang eines IT-Unternehmens in der Geschichte bevorsteht, geht es plötzlich auf Datenschützer zu. Scheint es zumindest: Zuckerberg hat vor der US-Handelsbehörde FTC eingeräumt, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben. 20 Jahre lang muss Facebook seine Datenschutzrichtlinien nun von unabhängigen Experten prüfen lassen. Es dürfte dem Unternehmen dabei auch um gute PR gehen. Und doch ist es zumindest interessant, dass das Thema Datenschutz plötzlich für Facebook ein Thema ist, was jahrelang keines war. Muss man erst Böses tun, bevor man Gutes tun kann?

Reich werden mit Fairplay?


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CNet-Korrespondent Declan McCullagh stellt leicht zynisch fest, dass sich durch Facebooks Selbstverpflichtung vor der FTC so gut wie nichts ändern wird. Das Netzwerk hat praktisch schon alle Regeln der Privatsphäre ausgehebelt und zurück muss es nicht gehen. Zuckerberg hat gewonnen. Er hat es geschafft, die Spielregeln so zu verändern, dass er gegen den Willen der Nutzer mit ihren Daten Milliarden umsetzen kann. Jetzt kann er es sich leisten, tatsächlich ein paar Schritte zurückzugehen. Also das, was er eigentlich von Beginn an hätte tun müssen, wenn er den Wünschen der Nutzer hätte nachkommen wollen.

Die große Frage ist: Wäre Facebook jemals so erfolgreich geworden, wenn man Datenschutz und Privatsphäre von Anfang an ernst genommen hätte? Wenn man keine Daten hätte verkaufen können? Ich behaupte: Nein, nie im Leben. Woher hätte man sonst das Geld nehmen sollen, um neue Designs zu entwickeln, neue Ideen umzusetzen, die inzwischen gut 2.500 Mitarbeiter zu bezahlen, Investoren davon zu überzeugen, dass man ein Geschäftsmodell hat?

Microsoft-Mitgründer Bill Gates wird fast sein gesamtes Vermögen der Bill and Melinda Gates Stiftung vermachen, die sich unter anderem den Themen globale Gesundheit und globale Entwicklung angenommen hat. Wäre er jemals zum seinerzeit reichsten Mann der Welt geworden, wenn er die IT-Hersteller nicht dazu bekommen hätte, Verträge mit ihm zu schließen und die halbe Welt mit unausgereiften Windows-Systemen in den Wahnsinn zu treiben? Natürlich kann man auch Milliardär werden, ohne seine Kunden auf die Barrikaden zu bringen. Warren Buffett soll das im Alter von fast 50 geschafft haben. Mark Zuckerberg war schon im Alter von 25 Milliardär.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Guillaume Paumier/Wikimedia Commons, CC BY 3.0)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

15 Kommentare

  • Da wird schon ausgelotet worden sein, wie die Chancen an der Börse für Facebook stehen, wenn man in Sachen Datenschutz etwas zurück rudert und plötzlich freundlicher mit den Nutzern umgeht.
    Für mich stehen zwei Dinge fest:
    1. Herr Zuckerberg wird noch reicher.
    2. Herrn Zuckerbergs Privatvermögen wird er sicher nicht riskieren.
    Demnach hat er wohl kaum etwas zu verlieren, um das es ihm schade sein müsste. Und wenn Facebook an der Börse den Bach runter geht, gibt es anschließend sicher genug Interessenten, die versuchen wollen, durch einen Kauf ähnlich fette Beute machen zu wollen.

    Zusammenfassung also: Wayne?

  • Das Video ist nicht mal lustig, wenn man es ausdrücklich lustig finden will…

    Zum eigentlichen Thema: Nach wie vor verstößt Facebook gegen geltende Gesetze und nach wie vor gibt es keinen Politiker und keine Datenschützbehörde, die genug Mumm oder genug Mittel hätte, dagegen vorzugehen. Ein deutscher Student hat das auf europe-v-facebook.org mal dargestellt, wie es mit Guerilla-Taktik funktionieren kann. Wir als Nutzer sollten auch beginnen, uns zu wehren.

  • Man muss nicht böses tun um danach rechtschaffend gutes zu tun. Es geht auch von Beginn anders- muss man halt auf ein paar Piepen pfeifen…aber dann lieber mit Rückgrat 🙂
    Bis sich irgendwann mal User wehren dagegen& dass die Seifenblase eh mal platzt – ist eine Frage der Zeit& was man mit sich machen lässt…

  • Das schlimme finde ich, dass Nutzer wie ich immer noch dort sind. Das Argument Kontakt halten auf 1er Plattform mit (bald) jedem bietet im Moment halt nur Facebook. Google sind zu wenig und die anderen sind zu langsam oder schöpfen das Potential nicht aus. Herr Zuckerberg macht das schon für sich zum besten Nutzen jetzt Anteile loszuwerden, dann ist der Fall auf mehr Schultern verteilt 😉 Irgendwann setzt sich Datenschutz durch – spätestens nach der Katastrophe wird oft gehandelt. Aber immer erst danach.

  • Alles reine Abwägungssache. Der Irrtum im Artikel lautet, dass Zuckerberg bisher nur „Böses“ getan hätte. Das sehen die 800 Mio. Facebook-User offensichtlich ganz anders. Sie haben die Vorteile gegen die Nachteile von Facebook abgewogen, und Vorteile und Nutzen von Facebook scheinen dabei weit zu überwiegen. Anders wäre eine solch hohe Mitgliedszahl von 800 Millionen auch garnicht zu erklären.

  • Man muss einfach nur bö(r)ses tun, bevor man vermeintlich gutes tut. Das ist einfach nur PR.

  • Bin auch der Meinung, dass ganz klar die Vorteile überwiegen. 800 Mio User, das ist auch alles andere als wenig.
    Stimmt schon, dass es Teil der PR ist. Anders gehts wohl kaum. Diese Vorstellung gewinnt man jedenfalls leider.

  • „Warren Buffett soll das im Alter von fast 50 geschafft haben. Mark Zuckerberg war schon im Alter von 25 Milliardär.“

    Vor allem hat es Buffett bis dato geschafft, Milliardär zu BLEIBEN. Ob das dem kleinen Hosensch***er auch gelingt, wollen wir bei dem billigen Geschäftsmodell von FB erstmal abwarten.

  • Marc Zuckerberg hatte die richtige Idee (wenn auch nicht ganz alleine) zur richtigen Zeit und die notwendigen Kenntnisse um sie zügig umzusetzen. Ob das nun Milliarden Wert ist, sei dahin gestellt. Ich finde ich das eine Person allein niemals soviel Geld besitzen sollte.

  • Zuckerberg war schlau, wie er Nutzerrechte, Privatsphäre und Datenschutz umgehen konnte. Hatte viel mut und grosses Risiko eingegangen, aber er hat´s geschaft eine der reichsten Menschen zu sein. Jetzt kann Ihm kaum einer was anhaben, so ist das leben…