Sonstiges

Kodak ist insolvent und macht weiter: ein verfrühter Nachruf

Der New Yorker Kamera- und Filmhersteller Eastman Kodak ist einer der Pioniere für erschwingliche Kleinbildkameras. Gestern Abend hat er Insolvenz beantragt. In praktisch jedem Bericht, den man heute Vormittag darüber liest, steht das gleiche: Kodak hat den Sprung vom Analog- ins Digitalzeitalter nicht geschafft. Sind die Zusammenhänge so simpel? Es sieht so aus, aber man muss präzisieren: Kodak hat natürlich irgendwann das digitale Geschäft begrüßt, gute Qualität geliefert – aber auf das falsche Pferd gesetzt: das Niedrigpreissegment.

Digitalkameras von Kodak erzielen in den meisten Online-Shops gute Bewertungen. Allerdings ist der Markt für digitale Kompaktkameras, den Kodak adressiert hat, nicht nur hart umkämpft, er verschwindet zusehends. Nahezu jedes neue Smartphone, das heute auf dem Markt erscheint, hat eine Digitalkamera mit mindestens 5 Megapixeln und LED-Flash gleich eingebaut, mit mindestens 720p im Videomodus. Die Qualität der Handykameras ist nicht dieselbe, wird aber immer besser und reicht dem Privatanwender meistens aus. Und sie frisst das Kompaktkamera-Geschäft zusehends auf.

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Kodak hat versucht, sich von den zahlreichen Mitbewerbern zu unterscheiden: durch Outdoorkameras, günstige Einsteiger-Kompaktkameras und Mini-HD-Camcorder. Vor allem letztere, etwa die Zi1 oder die Zi8 waren für ihre Zeit relativ einmalig. Man konnte sich den Markt mit der Flip teilen. Aber auch hier kann die Marge bei Preisen zwischen 70 und 200 Euro kaum gestimmt haben. Und auch dieser Markt wird von den Smartphones gerade aufgefressen. Cisco hat den Konkurrenten Flip auch deswegen im vergangenen April aufgegeben. Weitere Produkte von Kodak etwa: digitale Bilderrahmen. Noch gestern, Stunden vor dem Insolvenzantrag, erschien ein neues Modell auf dem US-Markt.

Das Ende von Kodak ist das allerdings noch lange nicht. Was man noch hat, ist die Kodak Gallery und den Geschäftszweig Digitaldruck. Auch aus Patentansprüchen – ob man den Krieg darum nun mag oder nicht – ließe sich noch etwas herausholen. Erst gestern noch hat Kodak Samsung wegen angeblicher Patentverletzungen verklagt; in den Tagen davor traf es Apple, HTC und Fujifilm. Beobachter vermuten, dass Kodak mit Klagen gegen solch prominente Namen die Attraktivität des eigenen Patentpakets erhöhen will. Hierüber wollen sich die New Yorker hauptsächlich sanieren. Bis dahin tritt die Citigroup als edler Ritter mit Spendierhosen auf und stellt 950 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Ansprüche der Gläubiger zu decken.

Ein Jahr bleibt Kodak jetzt Zeit, um die Trendwende schaffen. Dass man sich dabei von einigen Geschäftsbereichen und einem großen Teil der fast 19.000 Mitarbeiter trennen muss, dürfte außer Frage stehen.

Was meint ihr, ist Kodak noch zu retten?

(Jürgen Vielmeier, Bild: Alf Sigaro (CC))

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

15 Kommentare

  • Tja, mein alter Professor hat damals, als der Übergang vom Analogen ins Digitale stattfand, Kodak beraten. Kodak hatte damals Studien durchgeführt, und die Ergebnisse sahen so aus, dass Kodak weiterhin auf „analog“ setzen wollte. Mein Professor machte eine simple „Gegenstudie“: Er fragte im Hörsaal, wieviele Studenten sich vorstellen konnten, eine Digicam zu kaufen. Die meisten streckten den Arm in die Höhe. Dann kam eine „echte“ Gegenstudie. Untermauert mit belastbaren Zahlen empfahl mein Professor, Kodak schleunigst umzubauen, da das Unternehmen zu dem Zeitpunkt noch zu 70% Chemiker beschäftigte, und nicht Techniker. Kodak wäre DAMALS FAST in arge Bedrängnis geraten, aber aufgrund des deutschen Professors konnte das Unternehmen gerettet werden und hat den Anschluss zum digitalen Markt gefunden. Soweit meine Ergänzung. 🙂 Daher auch eine gute Analyse und ein gutes Aufmerksam-Machen auf absolut falsche Medienberichterstattung!

  • Irgendwie setzt mit Basicthinking in letzter Zeit zu sehr auf (zumindest potentielle) Verlierer.
    Da wird die Microsoft/Nokia-Connection hochgelobt, obwohl die Brocken bislang wie Blei in den Regalen liegen und inzwischen sogar ein Ausverkauf der Smartphone-Sparte an Microsoft für denkbar gehalten wird.
    Es wird lamentiert, das offenbar eine Mehrheit der Ex-Nutzer über den rapiden Absturz der VZ-Gruppe höchst erfreut ist (die Erklärung, nämlich die Skandale der Gründer und die zeitweise hahnebüchenen Sicherheitsprobleme werden sogar mitgliefert) – und gestern wurde sogar das höchst obsolete Geflecht zweitklassiger Webanwendungen (aka Yahoo) als „gar nicht so schlecht“ hoch-geschrieben.
    Mensch Basicthinking: kapiert es endlich; die Zeiten sind schneller geworden – und Nokia, VZ, Yahoo, Kodak haben halt vergleichbar drastische Fehler gemacht wie zuvor Atari, Commodore, Polaroid oder einst die namenlose Molkerei, die weiter auf Glasflaschen setzte… die Strafe für Marktversagen ist hart aber gerecht!

  • ….Der New Yorker Kamera- und Filmhersteller Eastman Kodak hat einst das Kleinbildformat und …..erfunden ..

    Das ist nicht korrekt,
    der 35 mm breite, für den Filmtransport mit einer doppelseitigen Perforation versehene Filmstreifen wurde 1893 von William Dickson eingeführt.
    Erste Kleinbild-Fotokamera war die Leica der Firma Leitz.

    Kodak hätte wohl ein Computer oder Handyhersteller werden sollen, sich in den Industrie Sektor oder den Bau besonders hochwertiger Kameras zurückziehen.
    Kodak ist nur ein Opfer der Digitalisierung oder des Internet , wird aber wohl nicht das Letzte sein.
    In den nächsten Jahren könnte sich vieles Ändern und mehr Geräte nicht nur Kameras verschwinden , von Abspielgeräten aller Art bis hin zu Zeitschriften und Bücher. Auch unsere Einkaufsgewohnheiten Ändern sich gerade, so das sogar Ladengeschäfte und Kaufhäuser bedoht sind.

  • @Anonymous: Hab’s geändert in „eingeführt“ statt „erfunden“, denn das haben sie. Dass die Leitz Leica die erste Kleinbildkamera gewesen ist, schließt das nicht aus.

    @Bochum: Deinen ewigen Kampf um die entehrten Ex-Nokia-Mitarbeiter am gleichnamigen Standort in allen Ehren. Aber der Ewiggestrige hier bist du! Ja, die Zeiten sind schneller geworden und haben sich geändert. Und das bedeutet eben auch, dass Handys nicht mehr in Deutschland zusammenmontiert werden. Wo du in meinem Beitrag über Yahoo übrigens ein resümierendes „gar nicht so schlecht“ oder eine vergleichbare Formulierung gefunden hast, bleibt mir ein Rätsel. Hast du den Artikel mehr als nur überflogen?

  • @Jürgen Vielmeier
    Kodak erfand den Rollfilm besaß daran wichtige Patene und war anfangs von den mitte der 20ziger Jahre von Deutschland aus aufkommenden Kleinbildkameras für 35mm perfornierten Kinofilm nicht gerade Begeistert, bedrohten sie doch eher ihr Filmpatentmonopol.
    Erst spät als das Kleinbildformat auf grund seiner Vorteile immer Beliebter wurde , sprang auch Kodak auf diesen Zug auf.
    Das was Kodak in der Kleinbild Fotografie eingeführte oder „erfand“ ist lediglich ist die Form der Filmpatrone Typ 135, welche sich auf Grund der damaligen Marktmacht von Kodak Filmfabriken nach 1945 weltweit Durchsetzte.

    Das Kleinbildformat ist also eher ein Beispiel das Kodak auch schon früher Trends verschlafen hatte 😉

  • @Jürgen Vielmeier: Auch das ist nicht richtig. Die Idee, Kinofilm (35 mm) quer zu belichten und für Standfotos zu verwenden, macht ihn erst zum Kleinbildfilm. Und diese Idee und auch die dazu passende Kamera (also die Einführung) stammen von Leica, namentlich Oskar Barnack. Die Falschmeldung einer Kodak-Erfindung scheint von dpa zu stammen und ist derzeit überall zu lesen.

  • In Europa wurde vor 1945 meist für Kleinbild Film die sogenannte „Karat“ Filmpatrone ab mitte der 1920ziger von AGFA den damaigen größten Konkurrenten von Kodak entwickelt verwendet. AGFA entickelte sogar noch kurz vor den 2.WK ein revolutionäres SL System, bei dem der Film nach der Belichtung nicht mehr zurückgespult werden musste.
    Kodak führte den Kleinbildfilm für Kameras erst mitte der 1930ziger Jahre ein in der von ihnen entwickelten Filmpatrone Typ 135, welche sich durch die Kodak Martmacht in den USA schnell durchsetzte.
    Nach dem 2.WK lag die deutsche und europäische Filmindustrie am Boden und verlor auch ihre Patente, so das durch Importe auch in Europa die Kodak Filmpatrone Typ 135 durchsetzte.
    Dank dieser Entwicklung müssen Kleinbildfilme zum heutigen Tag nach dem Belichten zurückgespult werden, hätte sich im Gegensatz ohne den 2. WK das „bessere“ AGFA SL System durchgesetzt wäre Kodak vielleicht schon länger vom Markt verschwunden.

    Kodak daher die Erfindung oder Einführung des Kleinbildfilms zu Unterstellen , ist wohl genauso falsch wie in einigen Jahrzehnten sicher behautet wird „JVC“ hätte wegen der VHS Kassette den Video Recorder erfunden oder Microsoft wegen dem „WindowsOS“ den Computer.

  • @Anonymous (^2) @Oscar: Ich sehe, ich habe es hier mit Foto-Experten zu tun. 🙂 Hab die Aussage nun abgeschwächt. Danke für die Aufklärung!

  • @10 Jürgen Vielmeier

    kein Problem ich denke Fachwissen kann ja dem Blog nicht Schaden.
    Zudem diese geschichtlichen Sachen sind doch eigentlich bis zum heutigen Tage Hochaktuell,
    denn schon damals ging es mehr um das Etablieren von“Geschlossene Systemen und Kreisläufe“ als um Innovation, wie heutzutage mittels Betriebssytemen, Appstore oder in den Internet Firmen.
    Das ganze ist keine Erfindung des 21. Jh von Google , Apple, MS oder Facebook , schon Kodak oder andere bauten ihre Firmen damit auf.

  • @Anonymous: Chapeau! Und ja, das ist in der Tat interessant. Woher weiß man das alles? 🙂

  • Ja viele denken Kodak hätte seinen Erfolg durch Kamerabau oder der Filmherstellung errungen , tatsächlich aber durch Patente auf ein unscheinbares Stück Plastic, was wohl die wenigsten überhaupt Beachteten aber ohne dem kaum eine analoge Kamera Funktioniert(e).
    Diese leere Filmpatrone und seine Nachfolgemodelle waren der Gewinnbringer bei Kodak wenn auch nur vermutlich wenige Cent /Stck , daher das festhalten an der analogen Technik.
    In der digitalen Fotoindustrie gibt es soetwas nicht mehr , es gab Versuche mit verschiedenen Speichermedien, nur ging die Entwicklung zu Rash von statten und der Verkauf erreicht nie die Dimensionen da sie Wiederverwendbar.

  • Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie schnell erfolgreiche Firmen an einem Technologiesprung zu Grunde gehen (können). Nokia war Weltmarktführer… bis Smartphones kamen (von einem nobody im Handy-Geschäft: Apple). Kodak war Jahrzehnte lang ein erfolgreicher Kamerahersteller, hat den Sprung ins digitale Zeitalter nie ganz geschafft. Dass Kodak so stark von (veralteten) Patenten abhängig ist, wusste ich nicht, finde ich aber auch spannend und erklärt vielleicht so manchen aktuellen Patentstreit.

  • Ich glaube nicht ganz, dass es zu Ende geht. Der Name alleine ist einiges Wert. Aber Tatsache ist, dass sich andere Marken durch gesetzt haben. Kodak hat es auch nicht verstanden eine Nische abzudecken. So ist sowohl bei Professionellen Fotoshootings, Hobbyfotografen als auch den Knipsern am Ende kein Absatz mehr gewesen.