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Kein Recht mehr auf schlechte Fotos


Fotos gehören zum Internet dazu wie Pop-ups, Spam und Katzen. Gute Qualität war da lange Zeit nebensächlich, bedeutete sie ja meistens größere Datenmengen und damit Ladezeit. Untragbar sowohl im ISDN-, als auch im EDGE-Zeitalter. Wichtiger, dass es überhaupt etwas zu sehen gab. Inzwischen hat fast jeder Haushalt eine digitale Kompaktkamera und jedes Smartphone kommt mit einer Knippse daher. Gute Bilder schießt man damit noch lange nicht immer. Wie auch, die Smartphones sollen möglichst schlank sein; eine gute Kameralinse braucht aber ihren Raum. Bildqualität bleibt also verzichtbar.

Verwackelungen aber sind ärgerlich, Bilder, auf denen alles scharf gestellt ist, langweilig, zu dunkle Fotos unansehnlich. Deswegen stellen die Hersteller Normalknippsern immer mehr Werkzeuge zur Verfügung, damit sie endlich bessere Bilder machen – was den Druck auf jeden Laienfotografen erhöht.

Bilder nachträglich scharf stellen


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Die Firma Lytro meint es sicherlich gut und hat wohl vornehmlich Fotoliebhaber im Auge, als sie gestern ihren neuartigen Kameratyp „Light Field Camera“ für den Vorverkauf freigegeben hat. Die längliche Kamera nimmt Bilder auf, die man erst am Rechner scharf stellt. Geringe Schärfentiefe wird also endlich wieder en vogue: Bilder, die das Wesentliche fokussieren und Überflüssiges unscharf darstellen. Profis machen das seit jeher so. Amateure können das also bald auch auf Knopfdruck für Preise zwischen 400 US-Dollar (8 GByte) und 500 Dollar (16 GByte Speicher).


Lytro: Schärfe per Mausklick variierbar. Probiert es aus!

Plump gesagt: Jeder Idiot kann bald tolle Fotos machen. Wissen muss er dazu nichts, er braucht nur die richtigen Tools. Das ist auch die Masche, mit der die iPhone-App Instagram seit gut einem Jahr Erfolge feiert: Jedem noch so schlechten Bild lässt sich dank spezieller Retro-Filter noch ein wenig Charme verleihen. Das Objekt wird damit in die 70er Jahre oder eine düstere Schwarz-Weiß-Welt katapultiert.

Schöner per Knopfdruck

Hat Instagram noch einen angeschlossenen Social Stream meist fotofreudiger Nutzer, formulieren die zahlreichen Kopien der App meist plumper, worauf es dabei ankommt: „Lass deine Freunde glauben, dass du ein berühmter Fotograf bist“, ist der offizielle Werbeslogan der App Awesomize. Sie kann Bilder nachträglich aufhellen, mit Filtern versehen, schärfen. Ganz ohne Photoshop. Ein Knopfdruck, und das Bild wird hübsch.

Wem es auf gestochen scharfe Details ankommt, der erhält ab Mai von Nokia ein neues Smartphone, bei dem Telefonie und Mobile Web eigentlich Nebensache werden. Die Kamera ist der Hingucker des knubbeligen PureView 808 (Bild oben), dessen Bildsensor 41 Megapixel aufnimmt. Praktisch jeder, der darüber schrieb, erwähnte im Nebensatz, dass das kein Druckfehler sei. Tatsächlich 41, wo andere Smartphones meist 5, 8 oder auch mal 12 Megapixel haben, aktuelle Kompaktkameras etwa 17 bis 22.

Auf die Details komme es dabei an, erklärt Nokia-Fotoexperte Damian Dinning in einem Video-Interview über das Gerät. Bilder werden auf 5 Megapixel herunterdestilliert. Jedes noch so kleine Detail würde dabei sichtbar. Kritikern des Megapixelwahns hält er entgegen, dass auch der Bildsensor des 808 fünfmal größer sei als in den derzeit besten Smartphone-Kameras. Die ganze Linse sei größer. Das würde bedeuten: Von dem Megapixelwahnsinn kommt auch wirklich etwas am Sensor an. Dinning hebt an dem 808 etwas hervor, was Fotografen seit Anbeginn der Digitalfotografie ein Graus ist: Endlich gebe es einen brauchbaren Digitalzoom, da, wo ein optischer Zoom einfach nicht möglich ist. Auslöseverzögerung: angeblich noch okay. Schärfentieferegulierung, Lichtstärke: nicht ganz so wichtig. Aber Zoom und gute Details in einem Smartphone um 450 Euro.

Technisch nahezu unmöglich, sich zu verknippsen

Die Hersteller einfacher Kompaktkameras setzen derzeit auf Lichtstärke (alles hell), Weitwinkel (alles scharf) oder Mehrsensoren-Weißabgleich (das richtige Licht). Es gibt Rauschunterdrückung, Verwacklungsschutz (kein Stativ mehr nötig), Blinzelvermeidung oder Lächelauslöser. Und nicht zuletzt wählen Kameras oder Apps aus mehreren gleichen Motiven das beste selbst aus oder blenden Passanten und Störgegenstände einfach aus. Kurz gesagt: Man muss sich künftig ganz schön anstrengen, um schlechte Fotos zu machen. Zusätzlich werden schnellere Datennetze größere Bilddateien auf Webseiten erlauben. Im Klartext bedeutet das: Man wird bald kein Verständnis mehr dafür haben, wenn jemand irgendwo etwas Verwackeltes, Lichtschwaches oder Verrauschtes veröffentlicht.

Irgendetwas sagt mir aber, dass es trotzdem auch in Zukunft noch einen ganzen Haufen schlechter Fotos geben wird.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

14 Kommentare

  • Ach, schlechte Bilder sind doch schon lange kein Grund mehr, nicht für die tollen Bilder bewundert zu werden. Einfach ein bißchen „magische Soße“ drüber sprenkeln und fertig!

    Erst waren es die völlig übersättigten Farben der frühen Digitalkameras, die unsre Sehgewohnheiten verändert haben, die absolut glattgebügelten einfarbigen Flächen in knalligem Blau oder Rot, danach folge die Generation HDR, in der alles toll war, was aussah, als käme es direkt aus einem Ego Shooter. Gefolgt wurde diese Welle vom Phänomen Instagram, das die bisher extremste Ausprägung des „ich hab zwar keine Ahnung von der Fotografie, aber ich hab ja ’nen Computer“ wurde.
    Wir werden seit Jahren überhäuft mit Bildern, die, stünden sie nackt vor uns, völlig nichtssagend wären, die aber, in ihrem Gewand aus Filtern Entzückung hervorrufen.
    http://lightzones.wordpress.com/2010/12/11/instagram-retro-camera-co/

    pj

  • Totaler Schwachsinn. Zum einen sagen die Megapixel gar nichts über die Bildqualität, ganz im Gegenteil. Je mehr desto höher die Chance dass es rauscht und schlceht ist. Und bei einem Foto an einem Handy/Smartphone KANN das nie im Leben gute Bilder machen.

  • Naja, das Motiv kann man trotzdem noch ungünstig wählen, wie Facebook Profilbilder eindrucksvoll beweisen.

    @Bubka Das soll ja der größere Sensor beheben. Und mit guten Rauschunterdrückungsalgoritmen wird die Qualität nochmal angehoben..
    Also kann es durchaus deutlich besser sein, als der Standart

  • Selbst ein 5 mal größerer Sensor ist immer noch winzig, im Vergleich zu Sensoren „richtiger“ Kameras. 41MP auf so kleiner Fläche sind einfach nur ein Marketinggag, der scheinbar funktioniert, so oft über das Ding berichtet wird.

    Hier mal Bildsensoren im Größenvergleich:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bildsensor

  • Ja, ich weiß.. Ich hab eine DSLR, die nichtmal die halbe Auflösung hat und deren Senor für SLR Verhältnisse schon eine recht hohe Pixeldichte hat..
    Aber die Demobilder sahen ganz vielversprechend auch..

    In Zukunft kommt es aber auch immer mehr auf die Verbesserungsalgoritmen an (hat mir auch ein IIS Wissenschaftler bestätigt 😉 )

  • Ach, bei der Fotografie ist´s doch wie bei der Musik: Du kannst das tollste Equipment haben, wenn Du´s nicht drauf hast, rettet Dich auch die feinste Technik nicht.

  • Sehe ich auch so – gute Technik kann zwar einiges dazu tun, gute Fotografie ist aber in erster Linie eine Sache interessanter Motive. Und für die braucht es weniger Fotografie, sondern einen persönlichen Bezug und Blickwinkel auf die Motive die man fotografiert.

  • […] Kein Recht mehr auf schlechte Fotos Inzwischen hat fast jeder Haushalt eine digitale Kompaktkamera und jedes Smartphone kommt mit einer Knippse daher. Gute Bilder schießt man damit noch lange nicht immer. Wie auch, die Smartphones sollen möglichst schlank sein; eine gute Kameralinse … Read more on Basic Thinking (Blog) […]

  • Also erstens 41 Megapixel benötigt keiner erst recht nicht auf ein Handy. Was glaubt ihr wie groß der Sensor sein müsste um diese alles verlustfrei dazu zu stellen?

    Die meisten reicht eine Digitalkamera mit 12 Megapixel vollkommen aus. Wer hier darauf achtet das die eingebaute Optik ein wenig was, taugt der macht mit ein wenig Übung echt gut Fotos.

    Höherwertige Kameras benötigt nur der, der wirklich auch mehr Ansprüche an die Fotografie stellt. Dies gilt aber nicht für die Mehrzahl der Leute.

    Handy bzw. Smartphone Kameras.

    Wie schon beschrieben nützen die mehr an Pixel meist wenig weil der Trend dazu geht diese Smartphones immer dünner zu machen. Bei Außenabmessungen von rund 1 cm Tiefe wird es immer schwere ein vernünftigen Bild auf den Sensor zu bringen.

    Selbst wer als Hersteller ein möglichst großen und Lichtstarken Chip einbaut (hier gibt es aber auch Platz Probleme) wird aufgrund von ein Mangel an Tiefe Probleme haben wirklich gute Bilder machen zu können.

    Die Kamera Funktion bei Smartphones/Handys dient aber auch nicht ein extra Digitalkamera total zu ersetzen. Hier erhält man die Möglichkeit spontan mal ein Bild zu machen. Bei solche Anlässe kommt es nicht darauf an das so ein Bild wirklich absolut Top sein muss. Hier reicht ein gute Schnitt aus.

    Wobei mit die richtige Auswahl vom Smartphone, ein wenig können und vielleicht noch ein wenig nach bearbeiten reichen auch solche Bilder fürs Internet vollkommen aus.

  • Zu Lytro: Natürlich vereinfacht die Kamera für zahlreiche Hobby-Fotografen das Fotografieren. Ich würde das aber nicht unbedingt als nachteilig ansehen. Vielen Alltags-Usern bietet dies einen immensen Vorteil: Nie mehr unscharfe Bilder!

    Aber auch im Bereich der professionellen Fotografie dürfte sich die Technik einiger Fans erfreuen. Durch die Interaktivität der Bilder entstehen neue Einsatzmöglichkeiten und somit auch zahlreiche neue Motive.