Technologie

Piratenpartei und die FDP: Wenn Startups die Originale überholen


FDP-Generalsekretär Patrick Döring wird aktuell zersägt. Nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei gestern bei der Landtagswahl im Saarland (1,2 Prozent der Stimmen), schoss er deswegen gegen einen klaren Sieger: die Piratenpartei, die 7,4 Prozent der Stimmen erhielt. Deutlich angefressen kritisierte Döring in der ARD, dass die Piratenpartei für Dinge gelobt werde, die die FDP schon längst mache – etwa die Offenlegung des Parteiprogramms. Anschließend sagte Döring, das Menschenbild der Piratenpartei sei von einer „Tyrannei der Masse“ geprägt. Unter dem Schutz der Anonymität im Netz entstünde eine Diskussionskultur, die die Mitglieder der Regierungskoalition als „Deppen der Nation“ darstellten.

Was ich am Frust der FDP am bemerkenswertesten finde: Vizechefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht viele Parallelen zwischen ihrer Partei und den Piraten. Der Tageszeitung „Die Welt“ sagte sie noch am Samstag: „Es ist kein Zufall, dass die Piraten jenseits ihrer Selbstinszenierung die FDP kopieren.“ Schnarrenberger:

„Wir sind das Original, die Piraten nur Trittbrettfahrer unseres Engagements für die Freiheit und gegen einen überbordenden Sicherheitsstaat.“

Eine Kopie, die das Original überholt. Das Beispiel passt für die „Internetpartei“, denn so etwas gibt es in der Netzwelt öfters. Ein paar Beispiele.


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Home Office
Senior Social Media Manager:in im Corporate Strategy Office (w/d/m)
Haufe Group SE in Freiburg im Breisgau
Senior Communication Manager – Social Media (f/m/d)
E.ON Energy Markets GmbH in Essen

Alle Stellenanzeigen


  • ICQ erfindet sich derzeit neu und kommt als Multimessenger auf zahlreiche Plattformen, zuletzt Bada und Windows Phone. Der Schritt dürfte zu spät kommen, denn der Instant-Messenger wurde gleich mehrfach überholt, einst von MSN und Skype, jetzt von WhatsApp und Co.
  • Friendster ist eins der Ur-Social-Networks, gestartet 2002. Facebook ließ sich von einigen der Funktionen inspirieren – und überholte den Konkurrenten im Sturm.
  • Auch vor Google gab es natürlich schon Suchmaschinen. Yahoo und AltaVista waren aber chancenlos gegen die damals besseren Algorithmen des neuen Mitspielers, der 1998 an den Start ging.
  • To-Do-Listen für mobile Geräte gab es wie Sand am Meer (Things, Remember the Milk), ehe Wunderlist kam und mit einer cleveren Marketingstrategie Millionen Downloads verzeichnete.
  • MP3-Player gab es eine Menge, eher Apple den ersten iPod auf den Markt brachte und die Konkurrenz mit höheren Verkaufszahlen in den Schatten stellte.
  • Google Chrome hat im vergangenen Dezember den alternativen Browser Firefox überholt. Noch in diesem Jahr könnte man den Internet Explorer einholen, der seinerzeit Netscape auffraß.

Oft kommt der Neuling daher, wenn der Platzhirsch schwächelt. Frischer Wind ist das, was den Leuten gefällt, auch wenn es teilweise alter Wein in neuen Schläuchen ist. Und mit jemandem, für den es abwärts geht, gibt es im Netz viel Häme, aber selten Mitleid.

Dörings Worte offenbaren aber auch noch etwas anderes: Dass seine Partei in der heutigen Netzkultur einen schlechten Stand hat. Regierungsparteien, die das Netz zu lange ignoriert, gar bekämpft haben, bekommen jetzt die Quittung dafür. Erst in Berlin, jetzt im Saarland, bald auch in NRW?

Döring steht mit seinem Vorwurf übrigens nicht allein dar. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisierte am Wochenende die Diskussionskultur im Netz. Unter „Offenlegung ihrer Identität“ würden einige Diskussionsteilnehmer bestimmte Dinge ganz sicher so nicht sagen, so Lammert.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

32 Kommentare

  • Die L-Schnarrenberger will ihre FDP doch bloß in den Augen von Piratenwählern beliebt machen, wenn sie sagt, dass die Piraten wären, wie die FDP. Das stimmt sicherlich in Teilen was Datenschutz angeht, ansonsten haben die beiden Parteien nicht viel gemeinsam. Die Piraten sind z.B. für das bedingungslose Grundeinkommen, was in ein FDP-Weltbild mal überhaupt nicht passt. Aber bei der FDP muss man ja irgendwas erzählen, um nicht so GANZ scheiße dazustehen….

  • Tja, in diesem Fall ist wohl alles was hinkt ein Vergleich. Deine Beispiele gehen von falschen Prämissen aus oder sind einfach nur konstruiert, der Vergleich mit der FDP unterstellt, dass die Piraten tatsächlich deren Politik kopieren, und die Betrachtung der Piraten als Neuling unterstellt, dass die Wähler wirklich nur nach Sympathie entscheiden und der Erfolg der Piraten nur der Schwäche der FDP zu verdanken ist.

    Für alles hätte ich ja gern mal einen Beleg gesehen, aber den bleibt BT – wie so oft – gänzlich schuldig und verbleibt in Spekulationen am Puls der Zeit.

  • Solange die Kopie besser wird als das „Orginal“ soll es mir recht sein.
    Früher hab ich auch FDP gewählt und zwar gerade auch wegen Leutheusser-Schnarrenberger! Ihr angagemont für Bürgerrechte ist vorbildlich. Die Dame hat schliesslich erfolgreich gegen Lauschangriff und Vorratsdatenspeicherung gekämpft.

    Leider ist die Partei FDP nicht ganz so vorbildlich. Die extreme Wirtschaftnähe hat sich ja zu beginn der letzten Wahlperiode überdeutlich (negativ) bemerkbar gemacht. Ich hoffe sehr das mit den Piraten eine neue Liberale Kraft entsteht, die den Wirtsschaftsliberalismus nicht als zentralen Bestandteil ihres Progamms begreifen.

    Was wir in D definitv nicht brauchen ist eine neue Partei im linken Spektrum. Mit SPD, Linken und Grünen tummeln sich dort bereits ausreichend Parteien.

  • Die Piraten sind zu grün um eine ernsthafte Alternative zur FDP zu sein. Würde den die Piraten mehr Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft zeigen und nicht dem öko-kult hinterher rennen und stattdessen auf echte, nachhaltige Lösungen zu setzen, dann wäre sie eine echte Alternative.
    Solange die einen Bürgerrechte ohne Wirtschaftsfreieheit und umgekehrt Wirtschaftsfreieheit ohne Bürgerrechte anbieten wird keine der beiden Parteien wirklich erfolg haben.

  • Klar, die FDP ist die wahre Piratenpartei. Die FDP fordert ja auch ein bedingungsloses Grundeinkommen, einen Mindestlohn als Brückentechnologie und so weiter…

  • Die FDP braucht sich nicht wundern wenn sie sich mit so kindischen Trotz-Aussagen nur noch weiter ins Abseits befördert. Gute Verlierer sehn anders aus…

  • …das Menschenbild der Piratenpartei sei von einer “Tyrannei der Masse” geprägt. Unter dem Schutz der Anonymität im Netz entstünde eine Diskussionskultur, die die Mitglieder der Regierungskoalition als “Deppen der Nation” darstellten….

    Wieder einmal die böse Anonymität schuld , warum gibt es eigentlich immer noch anonyme Wahlen und keine namentlich gekennzeichnete und verbindlich unterschriebene Wahlzettel. Dann wüste man wer diese „Tyrannei“ wählt und könnte von Seiten Döring oder Lammert geeignete Maßnahmen ergreifen.
    Diese Herrschaften sollen einmal begreifen das es ohne Anonymität keine Freiheit gibt oder nur solche wie in China oder der DDR!
    Bürgerrechte hatte hatte die FDP mal vor 40 Jahren im Angebot, heut sorgt sich um die Bürgerlichen Rechte von Firmen wie Mövenpick und aus Liberal wurde Neoliberal.
    Sie sollten nicht Glauben das der Wähler Dumm ist in seiner Wahl, er hat die Piraten vermutlich aus guten Grund in den Landtag gewählt und eben keine FDP oder andere.

  • Uhm, also der Beitrag macht mich etwas stutzig, Jürgen. Netzrelevante Politik hab ich auf BT ja schon öfters gelesen, aber der Vergleich zwischen FDP/Piratenpartei und Startups ist …nunja, zumindest gewagt.

    Wie dem auch sei, der derzeitige Niedergang der FDP dürfte nicht überraschen. Viele der Wähler dürften aus Unzufriedenheit mit den Volksparteien zur FDP rübergeschwenkt sein. Zum anderen wollten viele eine progressive Partei, auch, weil sie dem Sicherheits- und Überwachungsgefasel SPD und CDU nichts mehr abgewinnen konnten. Das neoliberale Programm der FDP wollte niemand wirklich haben. Die Wähler haben 2005 ja bereits das Steuersenkungsprogramm der FDP verurteilt.

    Weil Datenschutz aber doch nur ein Nebenprogramm zum Wählerfang war, wird die FDP nun abgestraft. Was übrig bleibt ist der tatsächliche neoliberale Kern.

    Das Glück der Piraten ist ganz einfach: viele Wähler suchen eine progressive und gleichzeitig soziale Alternative. Das haben wir nicht wirklich, aber Piraten und Grünen sind am nächsten an der Position dran.

  • @Hans-Peter: Ist ja mal echt dreist den Nichtwählern auch eine Orange Farbe ähnlich den Piraten zu geben. Das ist bestimmt kein versehen.

  • Mooment, ich muss das nochmal kurz Revue passieren lassen.
    – Piraten kommen mit neuen Ideen zum Thema Internet
    – Piraten haben solchen Erfolg, den zuletzt die Grünen vor 30 Jahren hatten
    – FDP ringt seit Monaten (eher Jahre) ums politische Überleben
    – FDP kommt auf die glorreiche Idee, auf den neuen Zug „Internet“ aufzuspringen
    – FDP wirft den Piraten vor, sie zu kopieren

    Noch vor 2 Wochen hätte die Schlagzeile lauten können „FDP kopiert Piraten“ und jeder hätte gesagt: Jo, was sollnse denn auch sonst noch machen.

    @Frau Schnarrenberger: Das war’n Schuss, der nach hinten los ging.

  • Klärt mich bitte mal auf. Haben die Piraten in den Parlamenten, in denen sie eingezogen sind, auch schon etwas geleistet?

    Was sagen die Piraten zur Staatsschuldenkrise?
    Was wollen die Piraten gegen die Arbeitslosigkeit tun?

  • @ Oliver: Was sagen denn die „grossen“ und was bringt das was die sagen?
    Eben: Würden die nix sagen und machen käme das gleiche bei raus..

    2009 München Sendlinger Tor: Demo gegen die KiPoSperre:
    Sagt der Typ von der FDP: Wählt uns und nicht die Piraten, dann kümmern wir uns drum. Ihr verschenkt nur eure Stimme wenn ihr die Piraten wählt.
    Ok, die FDP hat sich um die Sperren gekümmert (und ich hatte trotzdem Piraten gewählt)

    aber wer kopiert denn hier wen ?

  • @1 und andere: AUch bei der FDP gab es mal eine Diskussion um ein BGE – nannte sich Bürgergeld und war so niedrig, dass es noch deutlich unter Hartz4 lag.

    Auf jeden Fall sage ich als Pirat der FDP ganz locker: Dann macht das Original besser als die Kopie.
    Das ist der Sinn.
    Ich bin nicht Pirat geworden, weil mir Politik Spaß macht, oder weil ich gerne Geld und Zeit verbrate… die Schmerzen, nichts zu tun, sind nur irgendwann größer geworden, und das geht vielen so.

  • Wenn ich schon sehe wie die Piraten sich selbst in den Videos präsentieren ( Sieht eher aus wie bei einer großen Lan Party) dann wähle ich lieber etwas anderes

  • Ich verstehe nicht ganz, warum FDP und Piraten so oft verglichen werden. Den Piraten geht es um Freiheit im Internet, aber das hat doch mit Liberalismus im klassischen Sinne wenig zu tun. Und ansonsten ist die einzige Gemeinsamkeit, dass die Piraten so schnell gewinnen, wie die FDP derzeit verliert. Ich glaube kaum, dass der klassische Wähler zu den Piraten abwandert, eher zur CDU oder zu den Nichtwählern.

  • Nunja, die Piraten sind neu. Fast alles was neu ist lässt sich gut verkaufen. Und ehrlich gesagt finde ich das Auftreten der Piraten recht cool. Die bringen mal frischen Wind in die Politik. Es bleibt allerdings die Frage, wie werden die Piraten sein, wenn die sich erstmal etabliert haben. Die Grünen z.B. scheinen ihr ursprüngliches Ziel völlig vergessen zu haben. Oder ihre Ziele sind nicht realisierbar? Oft scheitert die Demokratie am Willen der Mehrheit. Denn was die Mehrheit will, das muss nicht zwingend gut sein.

  • Der Bessere gewinnt (meistens jedenfalls). Wenn die FDP noch irgendwo gewinnen möchte, dann müssen Sie einfach besser als alle anderen sein. Das wird bei den bekannten Politernd der FDP allerdings sehr schwer. Leutheusser-Schnarrenberger ist in der Öffentlichkeit die einzig kompetente.

  • Ich kann gar nicht richtig ausdrücken wie sehr mich Politiker immer mit ihrem „Schutz der Anonymität im Netz“-Geschwafel nerven!

    Ich habe kein Problem damit ganz offen zu sagen, dass ich die FDP für die Politik-Deppen der Nation halte. Ich wünsche dieser Unwichtig-Partei viel Spaß beim Sinken ihres Schiffes.

  • Ist diese Döring wirklich Generalsekretär der FDP oder eher Komiker?

    Fürs letztere hätte er durchaus Talent. Nun ja die FDP wird jetzt untergehen und mit denen die „Klassensprecher“ die jetzt in deren Vorstand stehen. Selbst die Partei Christliche Bibeltreue hatte in Saarland beinahe so viele Stimmen wie die FDP

    Übrigens Herr Döring war früher in leitenden Funktion bei eine Versicherung. Diese hat als Alleinstellungsmerkmal eine Krankenversicherung für Hunde und Katzen verkauft. Übrigens mit recht guten Erfolg.

    Vielleicht hat die „Mutti“ als sie, sich den Rösler als Vizekanzler nahm, diese wohl eher als Schoßhund gesehen wie als echte Politiker.

    Die gute alte Zeiten der FDP sind seit den Wegang von Leute wie Herr Baum Geschichte. Entweder kamen dann Typen wie Westerwelle (Steuersenkung) oder der Philipp der agiert als wenn die Bundesmutti mit Ihm diesen Jahr zu Erstkommunion gehen will.

    Und dann unsere wieder auferstandene Lindner. Er meint mit ein Slogan wie „in NRW müsst Ihr die FDP wählen weil ansonsten unsere Demokratie am ende wäre“ die Massen begeistern zu können.

    In Wahrheit gibt es aber in NRW geschätzt nur 30 000 Hoteliers. Diese werden sicherlich die FDP wählen weil diese doch die für alle genannten Steuersenkung bekamen.

    Ab den 14 Mai geht die FDP in die Insolvenz. Ein Glückstag für Deutschland:

  • […] Sascha Lobo analysiert die Angst vor der Tyrannei der Masse, wie sie vor kurzem vom FDP Generalsekretär Patrick Döring geäußert wurde. Passend dazu auch: Piratenpartei und FDP: Wenn Startups die Originale überholen. […]

  • Gerade der Aufstieg der Piratenpartei sollte der FDP und Co zu denken geben: hinsichtlich Transparenz, Mitglieder-Mitbestimmung und schlußendlich Politik als das, was sie sein sollte: Stimmen des Volkes, die sich für das Wohl alles engagieren. Nicht für Konzerne, in deren Aufsichtsräten sie sitzen.

    Politik hin zu mehr Transparenz, offenen Strukturen und Volksnähe – das ist der Trend, der mit der Piratenpartei groß werden wird.