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Facebook und Twitter bei den Olympischen Spielen nur zu nicht-kommerziellen Zwecken: Alle Macht den Sponsoren


Langsam reicht’s: Geht es euch inzwischen auch so, dass euch Großveranstaltungen wie Fußball-WM, Eurovision Song Contest oder Champions League wie reine Werbeveranstaltungen vorkommen? Falls noch nicht, dann werft mal einen Blick auf das Kleingedruckte für Ticketkäufe bei den Olympischen Spielen in London dieses Jahr. Punkt 19.6.3, frei übersetzt:

Bilder, Video- und Audioaufnahmen der Spiele, die ein Ticketkäufer aufgenommen hat, dürfen für keine anderen Zwecke als private und häusliche Zwecke verwendet werden. Ein Ticketkäufer darf Video- und Audioaufnahmen nicht lizenzieren, senden oder veröffentlichen, darunter Social Networking Websites und das Internet im Allgemeinen. Bilder, Video- und Audioaufnahmen dürfen unter keinen Umständen für kommerzielle Zwecke genutzt oder Drittanbietern zu kommerziellen Zwecken zur Verfügung gestellt werden, sei es im Internet oder anderswo.

Mit anderen Worten: Vergesst es. Solltet ihr Tickets für die Spiele haben, dürft ihr theoretisch nichts twittern oder in euren anderen Social-Media-Kanälen verbreiten. Die Veranstalter dürfen sogar Twitter-Nutzer abmahnen lassen, die es dennoch tun.

Nun könnte man sagen: Alles halb so wild. Schließlich gelten auch für handelsübliche Fußballbundesligaspiele ähnliche Regeln: Die Berichterstattung obliegt akkreditierten Journalisten und denjenigen, die die Rechte für die TV-Übertragungen erworben haben. Sonst könnte ja jeder seine Kameraausrüstung auf die Tribüne schleppen und die Spiele live ins Internet streamen.


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Für Sportler auch kommerzielle Textnachrichten verboten

Auch bei London 2012 ist es fraglich, ob die Organisatoren das in der Praxis so hart handhaben. Oft gelten solche Bedingungen ja nur, um im Streitfall rechtlich abgesichert zu sein und Sponsoren zu beruhigen. Schwer vorstellbar, dass Ordner und Anwälte aufmarschieren, wenn 30.000 Menschen gleichzeitig Usain Bolt beim Überqueren der Ziellinie fotografieren und das Bild bei Twitter hochladen. Sie dürften es aber, aufgrund eines eigens für die Spiele vom britischen Parlament erlassenen Gesetzes zum Schutze der Sponsoren. Der ORF hat die Paragraphen untersucht und findet die Auslegung besonders streng. Ihr werdet es vermutlich ähnlich sehen:

  • Nicht nur für Ticketkäufer gilt die Regelung, auch Athleten dürfen Fotos zusammen mit anderen Sportlern nicht zu kommerziellen Zwecken benutzen. Warum? Weil Sportler teils eigene Sponsoren haben, die aber nicht gleichzeitig Olympia-Sponsoren sind.
  • Für Athleten gilt nicht nur ein Verbot der Veröffentlichung von Bildern, Videos und Audiomitschnitten. Es gilt auch für Textnachrichten, also etwa Statusmeldungen, wenn sie kommerziellen Zwecken dienen.
  • Streng genommen dürfen die Organisatoren der Spiele Twitter und andere Social-Media-Kanäle dazu zwingen, Verstöße zu löschen oder vorab zu verbieten, etwa durch Filter.

Es wird also keinen Guerilla-Journalismus geben. Dass ein Sportler etwa sein ganz persönliches Olympia-Video-Tagebuch auf YouTube stellt, ist verboten. Wenn man es genau nimmt, dürfen Athleten nicht einmal über ihre eigenen Erlebnisse bei den Spielen bloggen.

Update: Das Olympische Komitee (IOC) hat zu den Vorwürfen Stellung genommen und noch einmal auf die eigenen Social Media Guidelines für Athleten verwiesen. Fotos, Tweets und eigene Blogposts seien okay, aber bitte nicht zu kommerziellen oder journalistischen Zwecken und bitte nur in der ersten Person geschrieben.

Und alle haben sich lieb? Ich bin skeptisch: Ab wann verdient jemand damit Geld? Schon, wenn ein Zuschauer ein Bild in sein eigenes Blog hochlädt? Warum überhaupt eine Gängelung von Zuschauern? Auch wenn das IOC signalisiert hat, dass man die Richtlinien nicht aktiv umsetzen wird: Es klingt nach wie vor nach einem schlechten Geschäft. Nicht besser, dass für die Fußball-EM in der Ukraine herrenlose Tiere umgebracht werden. Dass für den Eurovision Song Contest in Aserbaidschan Menschen umgesiedelt, Journalisten verprügelt und Regierungsgegner eingesperrt werden. Dass Südafrika nach der WM 2010 auf Schulden in Millionenhöhe sitzen blieb, während die FIFA als Organisator bei dem Turnier einen Millionengewinn erwirtschaftete. Großveranstaltungen im Namen des Sports (oder der Musik) sind zu einem dreckigen Geschäft geworden.

Alle Macht den Sponsoren? Dieses Motto stinkt zum Himmel!

Korrektur im Vergleich zum Ursprungsartikel: Athleten ist es laut IOC nicht generell verboten, Medien zu veröffentlichen. Es darf nur keinen kommerziellen Zwecken dienen.

(Jürgen Vielmeier)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

23 Kommentare

  • „Nicht besser, dass für die Fußball-EM in der Ukraine !Obdachlose! herrenlose Tiere umgebracht werden.“

    Noch sind es nur obdachlose Tiere und keine Menschen ohne Wohnsitz, die als Obdachlose bezeichnet werden. Ab und zu können Tippfehler Menschenleben gefährden.

  • Warum ist da eigentlich der Staat noch nicht drauf gekommen? Berichte von Demos nur von Polizisten. Anderes Filmmaterial (auch ARD und ZDF) darf nür für den privaten und häuslichen Gebrauch verwendet werden und auf keinen Fall gesendet werden. Filmmaterial muss stattdessen von der Polizei gekauft werden.

    Berichte von Partei- oder Parlamentssitzungen nur noch von den offiziellen Pressesprechern. Berichte über Gesetzesvorlagen nur noch vom Justizministerium. Berichte über Lebensmittelskandale nur noch vom Landwirtschafsministerium. Und so weiter. Unabhängige Berichterstattung?

    Das erinnert mich an den aktuellen Film „Avengers“:
    Loki: „Ihr werdet frei sein.“
    Fury: „Frei von was?“
    Loki: „Von der Freiheit“

    Man könnte das auch eine Berlusconisierung der öffentlichen Meinung nennen: Wer genug Geld hat, darf berichten und damit die öffentliche Meinung bestimmen. Wer nicht genug Geld hat, darf die Klappe halten.

    Quo vadis?

  • @Jens: Danke für die Ergänzung! Hab das ergänzt und meine Kritik entsprechend relativiert.

  • Warte jetzt nur noch darauf, dass sich der DFB so etwas auch noch einfallen lässt!?!

    Es ist doch jetzt schon so, dass du ein 4.Liga Spiel nicht auf YouTube veröffentlichen darfst, wenn auch nur ein wunderschönes Tor …

    Auch eine Art von „Sport ist Mord“

  • Ah so, also nicht-kommerziell ist also erlaubt. Das klingt zunächt mal vernünftig.

    Aber:
    Ab wann genau wird es komerziell? Angenommen ich würde mich für Fußball interessieren und darüber bloggen, dann wäre das in meinem Fall sicher nicht kommerziell. Denn ich habe keine Werbung in meinem Blog. Aber sobald Jemand Werbung im Blog hat…

  • @Siegfried: Mir macht was ganz anderes Sorgen. Es gibt genug Leute die ihr FB-Profil für Außenstehende nicht unsichtbar gemacht haben, so das man deren Posts und ihre Adresse etc. bequem lesen. Es würde mich wundern wenn kein Abmahnanwalt versucht daraus Kasse zu machen. Einfach bei jedem hochgeladenen Bild mit passenden Begriffen in Post und Bezeichnung die Adresse auslesen und abgeht die Abmahnung. Das lässt sich sicherlich automatisieren…oh je $.$.

    @Patrick: Wurde da nicht der Begriff in der Zeile „Datenbestand“ in Kombination mit der Jahreszahl als Marke zensiert? Sofern dies der Fall ist darf ich es hier vermutlich nicht ausschreiben, oder? Auf jeden Fall lächerlich, die verantwortlichen Beamten die das zugelassen haben gehören entlassen (wobei man Beamte ja nicht richtig entlassen kann…).

  • Naja, auf der anderen Seite ist das halt deren Show und die wollen Geld verdienen.
    Geht halt med hin bzw guckt nicht.
    Ich finds eher für eine Sauerei das der Staat mit Polizei bzw ARD/ZDF das ganze unterstützt.
    Das sind doch alle Konzerne, sollen die Doch selbst alles Zahlen und gut.

  • Nicht hingehen aus Protest. Vielleicht auch mal ne Gegenaktion starten – mal ein „freies“ Sportereignis veranstalten wäre doch was was die europäischen Piraten machen könnten zum Beispiel. Das Problem wird halt sein, dass gute Sportler einfach Sponsoren brauchen – wer bezahlt sie sonst?

  • Naja, auch in diesem Fall gilt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Dasrüber hinaus lässt sich ja gerade ein Twitteraccount wunderbar völlig anonym betreiben.

  • Die Multis setzten sich immer durch…..unsere Politiker und Sportfunktionäre sind doch alle anfällig für gewisse Nettigkeiten…..und sei es nur der Job danach.