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Wer profitiert eigentlich vom Leistungsschutzrecht?

Plötzlich sind fast alle gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Verlage, auch die, die einst dafür waren. Jeder in der Verlagswelt und der Politik, der noch bei Trost ist, müsste eigentlich ganz klar sehen, was ein solch schwammig formuliertes Gesetz anrichten würde. Das Netz spricht mit einer Stimme und ein solches Gesetz wird nie und nimmer verabschiedet, oder? Müssen wir uns da auch noch echauffieren? Ja, müssen wir. Weil der gesunde Menschenverstand leider manchmal aussetzt, wenn wirtschaftliche Interessen auf Politik treffen.

Die Verlage müssen Geld verdienen und sich abschotten, damit ihnen niemand das Wasser abgräbt, oder gar tarifliche Löhne einfordert. Und dann war da noch das Internet, wo plötzlich US-Großkonzerne vermeintlich viel Geld mit den Inhalten deutscher Presse-Erzeugnisse verdienen. Das kann ja wohl nicht sein!

Also her mit einem Gesetz, der als Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes offen im Netz steht. Journalist Stefan Niggemeier sieht das als einen Glücksfall an:

Das ist das Schlimmste, das diesem Gesetz passieren konnte, dass seine Folgen endlich konkret greifbar werden. Nun ist die Unmöglichkeit und Untauglichkeit eines solchen Gesetzes unübersehbar.

In dem Entwurf heißt es gleich zu Anfang in der Problembeschreibung:

Durch den Gesetzentwurf soll sichergestellt werden, dass Presseverlage im OnlineBereich nicht schlechtergestellt sind als andere Werkvermittler. (…)

Eigentlich hätte man hier schon aufhören können, weiterzulesen. Was sind andere Werkvermittler? Wo sind die Presseverlage schlecht gestellt? Und was ist eigentlich ein Presseverlag und was nicht? Mario Sixtus hat da eine gute Idee:

Presseverleger zu werden ist überhaupt nicht schwer. Um als Presseverleger im Sinne des Gesetzes zu gelten, muss man lediglich ein „Presseerzeugnis“ publizieren. (…) Eine besondere Qualität oder Orginalität wird hier explizit nicht eingefordert. Ungefähr alles, was nicht Reklame ist, dürfte somit in die beschriebene Kategorie fallen.

Sixtus schlägt vor, einfach Studenten damit zu beschäftigen, Wikipedia-Texte in ein Blog zu kopieren und für die Nutzung jedes Textes 100 Euro Gebühr zu verlangen. Macht keiner? Wäre nach dem Leistungsschutzrecht aber erlaubt. Was wäre dann überhaupt verboten? Etwa Linklisten zu erstellen, wie Heike Rost das auf ihrem Blog zum Thema Leistungsschutzrecht getan hat, und die Urheber der Überschriften dafür nicht zu entlohnen. Zumindest die, die ausdrücklich auf das Leistungsschutzrecht pochen. Von denen man eine Lizenz erwerben muss. Für Überschriften und Textanrisse, von denen im Gesetzesentwurf nicht steht, wie lang sie sein dürfen.

Spiegel Online etwa will sich daran nicht beteiligen. Man ist sogar brüskiert, mit den Befürwortern des Gesetzesentwurfs in dieser Form auf eine Stufe gestellt zu werden. Der Entwurf ist sehr schwammig gehalten und Kritiker befürchten, dass die Gerichte noch viel Zeit damit verbringen dürften, die Versäumnisse der Politik nachzudefinieren. Zumal das Zitatrecht glücklicherweise weiterhin gelten würde, parallel zu einem Leistungsschutzrecht.

Und in der Praxis?

„Blogger können mit dem Leistungsschutzrecht Geld verdienen“, versucht Springers „Außenminister“ Christoph Keese für das Gesetz zu werben. Sprich: Wir sind vergütungsberechtigt, wenn wir ein Blog betreiben.

Wie das in der Praxis funktionieren soll, würde mich mal interessieren: Jemand verlinkt auf Basic Thinking und zitiert uns etwa noch. Egal ob auf Twitter, Facebook, Google oder auf seiner eigenen Seite. Würden wir auf das Leistungsschutzrecht pochen, müsste jemand dafür eine Lizenz bei uns kaufen. Dazu hat er weder Lust noch Geld, also wird er nicht mehr verlinken. Unsere Beiträge werden weniger gelesen und wir nehmen weniger Geld über Werbung ein. Wollen wir nicht.

Seid ihr bei Trost?

Deswegen verzichten wir natürlich darauf und werden möglichst breit kund tun, dass man keine Lizenz erwerben muss, wenn man Überschriften oder Snippets unserer Beiträge verwendet. Das werden aber nicht alle mitbekommen, und wer macht sich schon die Mühe, das unter hunderten Blogs und Nachrichtenseiten auszusortieren? Und Google? Wird Google sich die Mühe machen oder wird man Google News gleich ganz abschalten? Wäre für uns als dort gelistetes Blog ebenfalls ein herber Verlust.

Die Verlage, die es rechtzeitig kapieren, werden die Suchmaschine anflehen, Google News am Leben und sie im Index zu behalten. Die Mehrheit dürfte dann auf Lange Sicht von einem Leistungsschutzrecht keinen Gebrauch machen. Was also soll man damit? Wer noch bei Trost ist, wird irgendwann einsehen, dass er davon profitiert, wenn Ausschnitte seiner verlinkten Artikel auf anderen Seiten auftauchen. Aber, wie gesagt. Mit dem gesunden Menschenverstand ist das manchmal so eine Sache. Wer vom Leistungsschutzrecht profitiert? Außer Abmahnanwälten eigentlich niemand.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Digitale Gesellschaft (CC BY-SA))

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

22 Kommentare

  • Google könnte einfach „Google.de“ Aufgeben und noch noch „Google.com“ oder .us Betreiben und schon möchte ich sehen wie Springers “Außenminister” Christoph Kappes vor US Gerichten „Leistungsschutzgeld“ für ein deutsches Gesetz Einklagen will.
    Im Prinzip werden wohl viele Bloggs einfach „Auswandern“.

  • Das Beispiel von Mario Sixtus macht doch eigentlich keinen Sinn – nach diesem Recht müsste Wikipedia bzw. in diesem Fall die Wikimedia Foundation und vielleicht auch alle am hew. Beitrag beteiligtne Autoren – selbst ebenso vergütungsberechtigt sein. Wenn ich dann für einen Wikipedia-Beitrag Geld verlangen dürfe, könnte ich nach der selben Logik auch einfach die Beiträge der BILD in einen Blog-Beitrag eintippen und etwaige Nutzer ebenso fdafür zur Kasse bitten. 😀 Nun ja, wenn dieses Recht durchkommt werde ich eben nur noch auf Blogs verlinken die ihre Werke unter eine akzeptable freie oder CC-Lizenz stellen. Google und andere Suchmaschinen müssten ebenso verfahren…vielleicht über einen „free content“-Metatag? Dann bleiben die großen Verlage eben draußen und verdienen nichts an Werbung und kostenpflichtigem Content. Pech gehabt!

  • …. und passend zum Schlusssatz die Frage: Welcher Berufstand ist in Bundes- und Landtagen relativ häufig anzutreffen?

  • @Georg: Wikipedia als Quelle deshalb, weil deren Inhalte unter einer CC Lizenz stehen, die auch eine kommerzielle Nutzung ohne Entgelt erlaubt. Die Konstruktion ist genial.

    Aber der andere Gedanke, der mit der eingebetteten passenden Lizenz, daran habe ich auch schon gedacht. Das könnte das einzig Gute an diesem LSR sein: Dass Autoren (oder Verlage) mehr oder weniger dazu gezwungen werden, ihre Inhalte unter eine passende Lizenz zu stellen. Ohne eine CC Lizenz, die auch eine kommerzielle Verwertung explizit zulässt, werden Seiten bei Google dann eben nicht mehr indiziert. Und schon haben die Verlage ihr heiss ersehntes Kindernet – ohne Kontakt zum Rest der Welt. Oder sie fügen die Lizenz ein, und das LSR verbleibt als eine Art Karteileiche in den Akten.

  • @Siegfried: Also ich habe das Gesetz so verstanden das das Leistungsschutzrecht der Wikimedia erstmal auch ein Vergütungsrecht einräumt – im Rahmen der CC dürfe man die Texte dann weiterhin kommerziell nutzen, aber die Wikimedia dürfte wohl dennoch auf das Leistungsschutzrecht pochen und im Nachhinein Lizenzzahlungen verlangen, oder? Naja, ich warte auf eine gute Erklärung zum Thema von Experten wie Udo Vetter. Mal schauen was aus dieser Schnapsidee wird…

  • Hallo Jürgen,

    das ist wirklich ein passender Artikel zum LSR, nur ein kleiner Hinweis:

    Vergleich doch bitte mal euer Impressum mit der CC-Lizenz des Artikel und dem Inhalt des Artikels, das verträgt sich nicht so ganz!

    Wenn alles einfach so benutzt werden darf laut der Lizenz stimmt euer Impressum nicht… oder eben umgekehrt auch nicht!

    Grüße aus TmoWizard’s Castle zu Augsburg

    Mike, TmoWizard

  • Wenn man bei klarem Verstand ist und nicht aus einer anderen Epoche ist, sollte man eventuell verstehen, dass das vorn und hinten nicht funktionieren kann. Wer sich das ausgedacht hat, war ganz klar aus dem Print-Bereich, der derzeit nachweislich stark in Knie geht.

    Man muss sich da sofort auflehnen, denn das darf nicht einmal zum Gesetzwerden. Klar kann man über Logos und co. Leute warnen, aber das wird 100% für 90% der online Magazine und Blogger zum Nachteil werden. Abgemahnt werden auch Hobbyblogger, die Anwälte freuen sich sicherlich, hat man so viel Frischfleisch, Beute die man sofort plündern kann. So schwammige Formulierungen verleiten zu falschen Ausschweifungen und klar, man will nichts böses denken, aber das ist höchstens eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die online Redaktionen haben ja sonst nichts zu tun, geben wir denen noch mehr Kopfschmerzen 🙂

    Man muss da wohl die normale Recherche machen mit der Frage: Wer profitiert davon? Wer hat was davon? Dann findet wird’s schnell klar….

  • @TmoWizard: Eventuell hast du da was falsch verstanden. Unsere Artikel darf man nicht einfach so 1 zu 1 kopieren. Aber dazu brauchen wir kein neues Gesetz.

  • Es gibt außer Abmahnanwälten schon noch den einen oder anderen dem dieses Gesetz nutzen wird. Ein paar Absätze höher ist einer von denen ja auch noch erwähnt worden: Der Springer-Konzern.

    Die Frage wem es nutzt kann man nämlich auch so stellen: Wer wird es benutzen? Wahrscheinlich die, die dieses Gesetz verteidigen.

    Aus der Verhaltensweise von Herrn Keese, schließe ich, dass für die BILD Verlinkung keinen nennenswerten Einfluß auf die Besucherzahlen ihrer Internetseiten hat. Vielleicht hofft er aber ja auch, wenn er BILDblog mundtot machen könnte oder zumindest dazu zwingen könnte die BILD nicht mehr zu zitieren, dass die Besucherzahlen dann vielleicht größer wären.

    Dazu kommen dann noch die Politiker, die sich so gerne von der BILD interviewen lassen. Die haben auch einen Nutzen davon, wenn die BILD jede Kritik an „ihrer“ Publikation mundtot machen kann.

    Man kann zumindest vermuten, dass die Schlagrichtung dieses Gesetzes darin besteht solche Publikationen wie die BILD und deren Einfluß zu erhalten.

  • Ich hoffe doch sehr, daß der Refernentenentwurf kein Gesetz wird. Das Urheberrecht sollte durchaus geändert werden, nämlich dahin gehend, daß es einen faire use Ansatz gerecht wird. Jede/jeder sollte es möglich sein, kleine Teile eines Werkes in sein eigenes Werk, verwenden zu dürfen, ohne gleich mit unabsehbaren Kosten rechnen zu müssen. Dazu habe ich auch etwas in meinem Blog geschrieben -> http://bit.ly/KEV3Zd (Referentenentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage – Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?)

  • Die Passage, in der „definiert“ wird, wann ein Blog „gewerblich“ sei, ist besonders zynisch: Es geht hier tatsächlich meist um „Peanuts“, nicht um relevante Einnahmen.
    Einen Angriff auf die Meinungsfreiheit sehe ich hier auch, nämlich weil Blogger nicht gefördert, sondern behindert werden, besonders, indem Ängste geschürt werden: Unsicherheiten, was man sagen darf und was nicht.

  • Quote Commons – die freie Alternative zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage

    Als Gegeninitiative zum Gesetzentwurf hat sich die Quote Commons »Interessengemeinschaft zum Schutze der Zitatfreiheit im Internet zur Wahrung der Grundrechte der Presse- und Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG« gebildet und im Zuge dessen ein einfaches 3-stufiges Lizenzmodell für Zitate von Presseerzeugnissen entwickelt hat: 1. Kostenlose Zitate (QCA), honorierte Zitate (QCB) und kostenpflichtige Zitate (QCC). Weiterführende Informationen entnehmen Sie bitte dem Inhalt unserer Webseite: http://quotecommons.de/.

  • Ich jedenfalls habe nicht davon profitiert. Die Initiative gegen das Leistungsschutzrecht hat ganz einfach meine Webseite mit auf den Index gestellt, da meine Seite genau so wie die Seite welt.de die gleiche Endung haben. Zack aufn Index und ein Besuchereinbruch von 80%.. Klasse