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Evernote oder: Die Chance durch Offenheit zum bedeutendsten Webunternehmen zu werden

Das selbst so genannte „digitale Gedächtnis“ Evernote hat in den vergangenen Tagen folgendes neu vorgestellt:

  • Das Smart Notebook: Eine Kooperation mit Moleskine, dem Anbieter papierner Notizbücher. Über eine eigene App können Evernote-Nutzer mit Hilfe einer Kamera in Smartphone oder Tablet Text erkennen und über OCR Texte digitalisieren lassen.
  • The Trunk: Eine hübsch aufbereitete Sammlung aller Anwendungen von Drittentwicklern für Evernotes Ökosystem.
  • Evernote Business: Erweiterungen für kleine und mittlere Unternehmen, zum Beispiel Groupware. Los geht’s damit im Dezember. Interessierte Unternehmen können sich schon jetzt zur Closed Beta anmelden.
  • Neue Funktionen für Evernote Clearly, der Alternative zu Readability, darunter ein Evernote-Clipper und eine Highlight-Funktion. Clearly wird immer mehr zu einer Konkurrenz des Hamburger Startups Quote.fm.

Die Entwicklung ist beeindruckend. Angemerkt sei noch, dass das Unternehmen alle diese Funktionen am gleichen Tag auf der eigenen Entwicklermesse „Evernote Trunk“ vorgestellt hat. Kleinere Verbesserungen bestehender Apps gibt es praktisch wöchentlich. Gegenüber der Entwicklergemeinde für das System, zu der das Unternehmen 15.000 Programmierer zählt, hat man ein sehr offenes Verhältnis. Darunter sei aktuell etwa 1DollarScan genannt, das die Evernote-API nutzt, um Seiten einzuscannen. Ende vergangenen Jahres zählte man fünf neue Mitarbeiter wöchentlich, finanzierbar durch eine weitere Finanzierungsrunde wie mit 70 Millionen US-Dollar im Mai. Die Refinanzierung dank eines erfolgreichen Freemium-Modells scheint ebenfalls kein Problem zu sein. Inzwischen hat man 38 Millionen Nutzer weltweit, davon 1 Million im deutschsprachigen Raum. Beobachter der Szene wie Om Malik halten CEO Phil Libin für einen der unterschätztesten Unternehmenschefs der Startup-Szene. Christina Farr lobt ihn, weil er ein Chef sei, der das Vertrauen der Nutzer wolle, nicht ihre Daten. In einem Wort: wow. Gibt es ein Aber? Ja.

Ich habe Evernote jetzt mehrfach in den vergangenen Jahren eine Chance gegeben, aber jedes Mal kurze Zeit später wieder beiseite gelegt. Es ist meine persönliche Entscheidung und nicht unbedingt repräsentativ, aber ich brauche das Tool einfach nicht. Und daher finde ich es schön und gut, dass Evernote Business Unternehmen für 10 Dollar je Nutzer und Monat einen Zugriff zu gemeinsam nutzbaren Funktionen bietet. Es gibt eine einfachere, unternehmensweite Abrechnung, Premium-Support und eine vorbildliche Datenpolitik (Daten gehören den Nutzern, nicht Evernote). Ich sehe aber wenige Killer-Anwendungen im Vergleich zu Google Apps, Box.net oder auch Doo. Bei der Vermeidung von Papier erscheint mit Evernote immer noch ein kleines Puzzleteil zu sein, ein Zusatztool, keine ganzheitliche Lösung für ein Problem. Ein Filetstückchen fehlt mir.


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Die Chance auf etwas Großes bleibt bestehen

Om Malik sieht das Clippen und Speichern als das Herzstück, mir reichen Evernotes Funktionen nicht aus, um Pocket und den Google Reader zu ersetzen. Die Oberfläche des Evernote-Desktop-Clients ist mir über all die Jahre zu gesichtslos geblieben. Mir geht es bei Evernote ähnlich wie bei Foursquare: Ich bin bei jedem neuen Release beeindruckt von den neuen Funktionen. Ich teste sie eine Weile, und dann höre ich mangels Notwendigkeit wieder damit auf.

Doch jetzt kommt das Aber: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass aus dem Pool von „Evernote Trunk“ noch eine App erwächst, die mich irgendwann überzeugt. Die es vielleicht schafft, mehrere Dienste zu einem gänzlich papierlosen Büro zu kombinieren (Doo und Evernote zusammen wären ein fast unschlagbares Team). Offenheit ist das Prinzip, mit dem Evernote sich alle Chancen offen hält, um sich unentbehrlich und zu einem der innovativsten Ideenpools der Welt zu machen. Twitter, das mit Ziel der Monetarisierung alle Brücken um sich herum abbricht, hat sich diese Chance in meinen Augen verbaut.

Was ich mir deswegen wünsche: eine Politik wie von Evernote bei jedem Webunternehmen. Ein Facebook, das den Nutzern die eigenen Daten überlässt, ein Twitter, das sich nicht selbst abschottet, sondern auf konstante Innovation setzt, ein LinkedIn, das seine Nutzer in Ruhe lässt, ihnen zuhört und ihre Vorschläge mit einbaut. Hier muss man wirklich sagen, ist Evernote auf dem konstant richtigen Weg. Wir dürften noch viel von den US-Amerikanern hören.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Evernote)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

14 Kommentare

  • ich nutze evernote schon lange. allerdings nur zu einem bruchteil des eigentlichen potentials. mir geht es da ähnlich wie dir. die features sind alle super, aber ich benutze sie einfach nicht. teils weil ich keine verwendung dafür habe, teils gibt es einfach bereits etablierte alternativen.
    dateien hochzuladen beispielsweise ist zwar nett, aber wenn man gigabyteweise speicher bei dropbos hat, dann ist wohl eher letzteres in benutzung.

    die vermarktung an firmen als kunden finde ich bei sowas generell etwas seltsam. auch bei allen anderen cloud anbietern. kann sich ernsthaft jemand vorstellen ein deutscher daxkonzern lagert die daten mal eben zu skydrive, dropbox oder microsofts pendant aus?
    auch evernote mag zum gemeinsamen arbeiten großartig sein, aber würde sich irgend ein großer konzern jemals darauf einlassen relevante dokumente außerhalb des ohnehin bestehenden firmennetzes zu speichern?

  • Mensch lasst doch immer diese Superlative. Das ist bei Web 2.0 blogs schon immer eine Seuche gewesen.

  • Ich nutze Evernote auch schon seit mehreren Jahren privat. Auf meinen Vorschlag hin haben wir es dann auch mal in der Firma getestet. Leider ist das aber ziemlich daneben gegangen. Nur die Hälfte der Kollegen hatten Zugriff auf das geteilte Notizbuch, die gesponserten Gruppen Premium Accounts funktionierten bei noch weniger Personen. Der deutsche Support ist leider ein Desaster und der englische Support hat drei Wochen gebraucht bis die Anfrage beantwortet wurde. Bin mal gespannt, ob Evernote das mit seinen Business-Accounts jetzt besser hinbekommt.

  • Evernote ist ja schon ganz nett. Aber das mit dem „bedeutendsten Webunternehmen“… Na ja, ich weiß ja auch nicht…

  • Ich weiß nicht so recht, was ich von Evernote halten soll. Ein Kollege von mir benutzt das schon seit mehreren Jahren und hat mir auch schon oft vorgeschlagen, das mal auszuprobieren.

    Dein Artikel hat mich aber dazu bewegt, das Ganze tatsächlich mal auszuprobieren. Jetzt bin ich mal gespannt, ob das was wird!

  • Hehe, mir ging es auch so. Am Anfang des Jahres wollte ich Schlüsselerlebnisse aufnehmen und am Ende des Jahres einen Rückblick wagen. Im Februar war die App schon wieder deinstalliert 😉

  • Ich verwende Evernote privat und beruflich. Habe auf meinem Telefon eine Notiz auf den Homescreen gepinnt in der ich jederzeit Gedanken für die Arbeit festhalten kann. Abends vorm einschlafen, morgens beim Frühstück usw. Wenn ich auf Arbeit bin ist die Info sofort gesynct. Darüberhinaus sammle ich meine Meeting Minutes in Evernote und kann bestimmte Punkte als Task markieren. Für den Beruf habe ich eine spezifisches Notizbuch angelegt und tagge die Notes mit „Meeting“, „Team“ o. ä. Je nach Thema ist es praktisch Dokumente an die Notizen anhängen zu können.
    Seit knapp 6 Monaten arbeite ich so organisierter.

  • Ich benutze Evernote mittlerweile seit eineinhalb Jahren und bin bereits nach drei Monaten auf die Premium-Version umgestiegen. Evernote ist mehr als ein schlichtes Tool oder eine Spielerei. Wenn man sich darauf einlässt, sich damit auseinandersetzt und außerdem konkrete Zwecke und Ziele zur Verwendung formuliert, dann wird man sein Leben damit außerordentlich gut organisieren können. Die Möglichkeiten, die Evernote bietet gehen dabei weit über das hinaus, was andere Unternehmen (insbesondere gratis) anbieten; schließlich kann man sich auch darauf verlassen, dass Evernote auf die Wünsche seiner Anwender reagiert, und seine Anwendung weiterentwickeln wird.

    Es kann durchaus sein, dass der eine oder andere die Anwendung schnell wieder von seinem Rechner oder seinem Handy löscht, weil es nicht so spielerisch daher kommt wie man es erwartet, und sich einem die Anwendungsmöglichkeiten nicht auf den ersten Blick eröffnen. Tatsache ist, die Nutzung von Evernote erfordert eine Grundsatzentscheidung. Wenn man sich auf Evernote einlässt, dann wird dies zu einer lebenslangen Angelegenheit. Der Grund liegt in der Funktionsweise von Evernote. Anders als bei einem WebDAV-Laufwerk oder einer Cloud-Anwendung wie z.B. SkyDrive oder Dropbox werden die Dateien nicht in einer Windows-ähnlichen Struktur abgelegt, sondern fließen in eine einzige große Datenbank, die nur innerhalb der Evernote-Anwendung strukturiert wird. Man kann also nicht ohne weiteres eine Gruppe von Dateien aus Evernote wieder „herausholen“.

    Ich nutze Evernote nicht nur um jede Art von Datei abzulegen, sondern scanne auch soweit möglich alles Papierhafte (Schriftverkehr/Rechnungen/sonstige Dokumente) ein, und lege es ebenfalls als pdf-Dokument ab. Dazu kommen noch Screenshots, Webartikel, usw… Bestand eine Notiz anfangs noch aus einer Datei/einem pdf, so kann man mittlerweile auch mehrere Dateien in einer Notiz zusammenfassen. (Bsp.:Bestellung, Auftragsbestätigung,Lieferschein, Rechnung).

    Mittlerweile bin ich sogar dazu übergegangen alle meine Foto-Alben (von Skydrive oder Festplatte) nach Evernote zu migrieren. Das braucht jedoch Zeit, da das monatliche Upload-Kontingent auf 1 GB begrenzt ist. Je nach Zweck lege ich dann eine Notizbuch als Foto-Album an, und importiere alle Fotos als einzelne Notizen, die sich in der Vorschaubilder-Ansicht ohne weiteres wie in Windows betrachten lassen, oder ich packe mehrere Fotos eines Themas in eine einzige Notiz. Die Hinterlegung des Speicherortes durch Eingabe der Koordinaten (aus Google Maps) lässt die Fotos in der Android-App sehr komfortabel auf einer Karte anzeigen.

    Neuerlich benutze ich Evernote auch als Email-Postfach, und lasse wichtige Email direkt an meine Datenbank schicken. Andere Email exportiert man einfach über das Plugin aus Outlook.

    Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass man seine Daten überall verfübar hat, und diese außerdem vor Verlust geschützt sind; bei mir existieren die Daten vollumfänglich an drei Orten. Natürlich könnte man sich auch quasi manuell ein enstprechendes Ablagesystem einrichten, und die Daten mit einer Software spiegeln und synchronisieren. Habe ich alles versucht, es ist umständlicher, zeitaufwendig und fehleranfällig. Darüberhinaus lässt sich mit den Daten weniger zuverlässig von mehreren Orten aus arbeiten.

    Wichtig in Evernote ist jedoch ebenfalls Struktur, ein System wie man die „Notizen“ beschriftet, welche und wieviele Notizbücher und Notizbuchstapel man verwendet, und wie man taggt. Darüber sollte man im Vorfeld nachdenken, da es nachträglich zeitaufwendig ist eine Vielzahl von Dateien zu verändern; nicht alle Eigenschaften der Notizen (Speicherort, Titel, Erstellungsdatum) können stapelweise geändert werden.

    Prinzipiell müsste man sich darüber zwar keine Gedanken machen, weil die Text-Suchfunktion nicht nur Titel von Notizen findet, sodnern in pdf- oder Bilddateien hineingeht – was ein bemerkenswertes Feature ist – und letztlich jede Datei auffindbar macht. Aber ich denke nicht, dass es jemand, der Evernote nutzt, auf Chaos anlegt.

  • 70 Millionen für ein digitales Notizbuch? Das ist schon eine ganz schöne Hausecke.
    Ich kenne Evernote und muss sagen es hat einige nette Features, aber es gibt daneben noch zahlreiche andere gute Tools.
    z.B. MS One Note. Hier kann man Elemente frei in den Notizen frei positionieren. In Kombination mit Skydrive o.ä. und MobileNoter hat man einen vergleichbaren Umfang – ohne monatliche Kosten.

    Und ich schließe mich meinem Vorredner an: Ein Evernote-Notizbuch neigt zur Unordnung.

  • Guter Artikel!

    Ich stehe vor einem ähnlichen Problem und habe noch immer nicht die ideale Lösung gefunden.

    Zur Zeit nutze ich DevonThink Pro Office (DTPO), welches für meine Ansprüche jedoch nicht ganz die richtigen Features hat.

    Ausserdem ist bei DTPO die Synchronisierung mit iOS Geräten nur über WLAN möglich – was zwar im Prinzip sicherer als ein Webservice ist – aber eben auch nicht ganz so komfortabel. Letztlich ist (für meinen Anwendungsbereich) ein umfassendes Informationstool nur dann nützlich, wenn tatsächlich alle Daten stets auf allen beteiligten Geräten synchron sind.

    Auch ich habe Evernote schon mehrfach probiert und es bereits nach kurzer Zeit wieder von den Geräten genommen – aus verschiedenen Gründen.

    Zum einen existieren für meine Zwecke nicht genügend Exportoptionen (hier bietet DTPO sehr viele Möglichkeiten), zum anderen traue ich den Anbietern – trotz aller Beteuerungen – nicht so ganz über den Weg. Liest man sich die Nutzungsbedingungen von Evernote mal genau durch, kommen einem schon gewisse Zweifel.

    Hinzu kommt, dass die Evernote-Apps bei mir bisher nur sehr unzuverlässig funktionierten. Es passierte häufig, dass bestimmte Features plötzlich nicht mehr gingen. Einzelne Infos wurden auch „wegsynchronisiert“ und verschwanden für immer im Nirvana.

    So etwas geht einfach gar nicht! Entweder ich kann mich auf mein „trusted system“ verlassen, oder ich organisiere die Dateien lieber auf Verzeichnisebene (sprich: beim Mac der Finder, bei iOS mit AirSharing Pro).

    Hinzu kommt, dass Evernote die ihm anvertrauten Files in einer mehr als undurchsichtigen Struktur verwaltet, die keinen Zugriff von aussen zulässt. Man kommt einfach nicht mehr an die Originale heran – sofern man nicht parallel ein manuelles Backupsystem pflegt, also alles doppelt sichert.

    DTPO speichert zwar auch alles in geschlossenen Datenbanken, allerdings kommt man mit etwas Mühe immer noch an alles heran. Darüber hinaus lassen sich auch alle selbsterstellten Ordner (bei DTPO heissen diese „Gruppen“) einfach auf die Festplatte ziehen, wo sofort die Originaldateien in Kopie enthalten sind – praktisch!

    Hätte Evernote solche Features, wäre ich dabei geblieben. Aber so ist es mir einfach zu unsicher.

  • UPDATE

    Mit dem Erscheinen der neuesten Versionen der iOS und OS X Clients habe ich Evernote jetzt noch einmal ausgiebig getestet und muss meine ursprünglichen Aussagen (s.o.) revidieren.

    Nachdem DevonThink Pro Office (DTPO) bei mir sowohl unter OS X 10.8, als auch unter iOS 5 und 6 nur noch abstürzte, habe ich Evernote erneut eine Chance gegeben. Mit den neuesten Updates funktioniert der Dienst bei mir nun sehr viel zuverlässiger.

    Auch für die meiner Meinung nach mangelhaften Export-Möglichkeiten habe ich mittlerweile einen (für mich) funktionierenden Workaround gefunden, sodass ich Evernote nun häufiger einsetze.

    Hinzu kommt, dass Evernote nicht müde zu werden scheint, andauernd Verbesserungen und neue Features nachzureichen – ein weiterer Vorteil gegenüber DTPO, das nur sehr schleppend weiter entwickelt wird.

    Zwar hat man sich bei Devon Technologies endlich dazu durchgerungen, einen Web-Service aufzusetzen (Betatest), doch kommt dieser nach meinem Dafürhalten Jahre zu spät und bietet zudem nicht ansatzweise die Möglichkeiten der Mitbewerber.

    Die ideale Lösung habe ich – wie viele andere auch – noch nicht gefunden. Mangels Alternativen werde ich vorerst Evernote weiter nutzen – trotz der oben genannten Nachteile.