Technologie

Warum die Petition gegen das Leistungsschutzrecht gescheitert ist

Die Petition 35009 gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverleger hat nur 21.366 statt der nötigen 50.000 Mitzeichner gefunden. Oha. Urheber der Petition, Piratenpartei-Mitglied Bruno Kramm, darf sein Anliegen damit nicht im Bundestag dem Petitionsausschuss vortragen. Nun wird vielerorts gerätselt, wie das passieren konnte. Bei ACTA, den Netzsperren und der Vorratsdatenspeicherung waren wir schließlich auch erfolgreich.

Wolfgang Michal von Carta fragt bereits, ob das Netz seine Zugkraft verloren habe. Irgendwie hätten alle berühmten Netzaktivisten von Lobo bis Beckedahl nicht so laut getrommelt wie sonst. Und andere sehen das Problem darin, dass Kramm Mitglied der Piratenpartei und damit umstritten ist. Die Leute werden argwöhnisch geguckt haben: Wenn nicht einmal die eigenen, netzaffinen 35.000 Mitglieder der Partei mitzeichnen und mittrommeln, dann muss doch da irgend etwas faul sein. Es allein auf die Piraten zu schieben, wäre aber zu einfach. Das Thema habe schlicht keine Schwein interessiert, formuliert es wörtlich Marcel Winatschek von Amy & Pink. Er haut ziemlich drauf und nicht mit allem, was er schreibt, bin ich einverstanden, wohl aber hiermit:

Zusätzlich wird es immer schwieriger, Menschen für ihre Sache zu gewinnen. Denn sie werden langsam müde. Jede Woche möchte uns irgendwer anderes ans Bein pinkeln. Firmen, Regierungen, Anwälte.

Das stimmt zwar. Aber andererseits gilt es in den Augen der Presse ja auch schon als Bewegung, wenn 20.000 Menschen auf Facebook an einem Wochenende bei einer Anti-Fastfood-Gruppe auf „Gefällt mir“ klicken. Dass sich der Widerstand gegen ein fragwürdiges Gesetz nicht ebenso formieren lässt – es darf doch bitte nicht an der Usability liegen – ist in der Tat ernüchternd. Vielleicht hätte man einfach einen Aufruf auf Facebook schalten sollen. Und doch stimmt es: Ich bin langsam müde.


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Wo ist da überhaupt ein Problem?

Mit welcher Vehemenz einige Stellen immer wieder gegen die Freiheit des Internets ankämpfen, ist schon bemerkenswert. Als wenig politischer Mensch habe ich selten Lust, mich überhaupt damit zu befassen. Aber wenn es hart auf hart kommt, bin ich natürlich auch dabei. In allen anderen Fällen greift der gefühlte Automatismus: Für die ganz ganz blöden Ideen echauffiert sich jemand, ein paar wichtige Leute schreiben flammende Reden, drehen Videos. Die eigenen Leser fragen, warum denn bitteschön an dieser Stelle nicht auch etwas über dieses wichtige Thema stehe, also setzt man sich auch hin, motiviert wieder andere. Und irgendwann knicken die ersten, bald die meisten Politiker ein und aus dem Gesetz wird nichts, weil sich der gesunde Menschenverstand durchsetzt.

Kam es diesmal hart auf hart? Nein, irgendwie nicht. Das Thema ist sehr diffus. Wir haben wohl zu wenig dagegen getrommelt, konnten zu wenig über die möglichen Folgen sagen, die schwer abzusehen sind. Und abgesehen davon dürften die meisten da draußen überhaupt nicht verstehen, wo eigentlich das Problem ist. Ein paar Großverleger um die eh verhasste Bild-Zeitung wollen Geld dafür, dass ihre Überschriften bei Google News verlinkt werden. Den Blödsinn wird Google nicht mitmachen und die Verlage deswegen dort aussortieren (wodurch Google News deutlich weniger interessant wird) oder den Nachrichtenaggregator ganz abschalten, worunter vor allem die Kleinen leiden werden, die sich mühsam etwas aufgebaut haben.

Die Verlage haben ohnehin schon gewonnen

Welche Seiten würden die Leute ansteuern, wenn es kein Google News mehr gäbe? Die, die sie eh schon kennen. Sprich: Bild, Welt, SpOn und Focus. Und die Kleinen? Machen wir uns nichts vor: Die haben es ohnehin nicht geschafft. Ich kenne nur wenige Beispiele von Blogs oder kleinen Nachrichtenmagazinen, die den Sprung in die Aufmerksamkeit der breiten Masse gefunden haben. Wenige, die vom Bloggen wirklich leben können. Die klassischen Themen von Blogs – längst von Sueddeutsche und Focus besetzt. Die Verleger haben das Spiel gewonnen, mit oder ohne Leistungsschutzrecht. Wer heute Techniknachrichten will, findet sie wahlweise auf Bild.de oder im Online-Bereich der Märkischen Allgemeinen. Was würde sich durch ein Leistungsschutzrecht überhaupt ändern, wird ein Leser fragen, außer dass Google den Verlagen ein bisschen von seinen Millionen abgibt?

Und doch wäre es schade. Schade um eben diese Kleinen, die es eine Zeitlang versuchen konnten. Und deswegen hoffe ich, dass sich der gesunde Menschenverstand vielleicht doch noch irgendwie durchsetzt, ob mit oder ohne Petition. Vielleicht gibt es doch in Bundestag und Bundesrat noch ein paar kluge Köpfe, die erkennen, dass ein solches Gesetz Blödsinn wäre. Vielleicht müssen auch die Großverleger es erst selbst erkennen, wenn ihre Umsätze einbrechen. Irgendwer wird da hoffentlich sehr spät noch zur Vernunft kommen. Und wir, wir wissen nun, was diesmal wahrscheinlich schief gelaufen ist, und wie wir es beim nächsten umstrittenen Gesetz besser machen können. Seid euch sicher: Da kommen noch genug.

Bild: Chrisnain (CC BY-SA)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

12 Kommentare

  • So ein abgesang hier, weiß nur noch nicht von wem. Ja, die Petition ist gescheitert, aber das bedeutet noch lange nicht, dass das Netz nicht kämpfen kann und wer der Verlierer und Gewinner ist, steht auch noch lange nicht fest.

  • Die kleinen Blogs wollen doch gar nicht die breite Masse, sondern die Leute, die auf den hochqualitativen Content stehen, den sie produzieren.
    Solche entmutigenden Sätze finde ich schade, das klingt nach Resignation. Ich glaube durch die sozialen Netzwerke kann man auch als kleine Webseite mit dem richtigen Inhalt und einer treuen Peergroup viral eine Menge erreichen. Dazu braucht es keine großen Namen, dicke Werbekampagnen oder ordentlich Geld, das da reingesteckt wird.
    Kommt aber auch immer drauf an, was man möchte. Vom Bloggen leben können… kommt mir zu unsicher vor. Ist es aber immer schon.

  • Und warum wurde es z.B.: von Euch nicht vorher Vorgestellt? War es für BasicThinking nicht interessant genug?

  • Kleiner Tipp an dieser Stelle: Meldet euch NICHT bei Google+ an, werdet nicht als Google Author registriert und gebt Google NICHT eure Daten – dann ensteht von vorneherein keine Abhängigkeit von Google. Und was das LSR anbelangt: Ja, das war leider nicht leicht zu verstehen – vor allem, was die Konsequenzen anbelangt. Daher wohl auch das verhaltene Interesse an der Petition.

  • Sehe ich gar nicht so. Totale Falscheinschätzung.

    Wer liest denn Technik News auf Bild.de oder bei der Märkischen Allgm.???

    Wenn dann bei heise.de!

    Ich könnte viele Blogs aus dem Stand nennen, die sich etabliert haben… z.B. basicthinking.de, netzpolitik.org oder nachdenkseiten.de…. oder fefe!!

  • @Björn: Dann erklär mir doch mal, warum Sueddeutsche, Bild, Welt, Focus und andere inzwischen einen gut ausgebauten Technikteil haben, was vor drei Jahren definitiv noch nicht der Fall war. Klar sind andere Angebote wie Heise besser, aber die Themen ziehen, interessieren langsam auch Lieschen Müller auf der Straße. Und die liest nicht Heise, sondern Bild oder Welt.

  • Das Problem ist in meinen Augen, dass zwar z.B. auf Google+ ziemlich „getrommelt“ wurde, aber ich selbst keine stichhaltige Erklärung fand, was genau an dem neuen Leistungsschutzrecht so schlimm ist. Überall hiess es „unterschreibe, sonst geht die Welt wie wir sie kennen unter“, aber wo genau das Problem liegt wurde dem 08/15 User nicht erklärt. Klar, man hätte sich die Petition durchlesen können. Aber der Normalo will nicht ewig klicken und sich ellenlange Texte durchlesen. Er will auf den Punkt gebracht erklärt bekommen, warum er unterschreiben soll. Und das stichhaltig. Das hat gefehlt. also war die Zielgruppe hier anscheinend der ohnehin schon informierte User. Der hat aber schon die Mühe auf sich genommen, sich zu informieren. Und der hat dann ziemlich sicher auch schon unterschrieben.

  • „Welche Seiten würden die Leute ansteuern, wenn es kein Google News mehr gäbe? Die, die sie eh schon kennen. Sprich: Bild, Welt, SpOn und Focus.“

    Deutschsprachiges Internet lohnt ja eh kaum und wenn dann höchstens in den Blogs. Verstaubte Regelungen, sperrige, hinderliche Gesetze aus der Vorkriegszeit und Leute die immer und überall ihr Fähnchen hochhalten müssen um ihren Claim abzustecken und dir den Anwalt auf den Hals hetzen.
    Wenn’s nicht über meine RSS Feeds reingeflimmert kommt – die neben ard und zdf und einigen privaten Blogs hauptsächlich englische Websites enhält – dann hoffe ich einfach, dass die wirklich wichtigen Dinge schon auf tumblr von irgendem gerebloggt werden und dann auf meinem Dashboard auftauchen und wenn nicht… ist’s vermutlich auch egal und nicht von Interesse für mich.
    Außerdem… habe ich die Aufregung von Anfang an nicht verstanden – und ein Großteil der Restbevölkerung vermutlich auch nicht. Ich verbringe fast meinen gesamten Tag online, habe aber google news noch nie benutzt (und ich kenne auch in meinem gesamten Bekanntenkreis niemanden der das tut). ABER die hier als vermeintlich groß und wichtig eingestuften Webseiten/Magazine habe ich auch noch nie gelesen – und wenn das Gesetzt kommt… werde ich sicherlich schon aus Prinzip kein Leser mehr werden. Einmal davon abgesehen schneiden die Verlage sich doch hier selbst ins Fleisch – wenn nicht über google, wer findet sie denn dann noch? Und ich denke nicht, dass google denen auch nur einen Cent gibt, da werden die die vorher einfach aus den Listen streichen. Anderswo haben die das schon getan, warum hier nicht auch? Würde den Verlagen/Verlegern Recht geschehen, vor allen Dingen nachdem sie gegen die tagesschau App geklagt und auch gewonnen haben.

  • Ich bezweifle wie schon gesagt das Blogger welchen Genres auch immer die Masse von BLÖD, WELT und. co haben möchte. Bloggen bedeutet doch Interaktion mit seines Gleichen und keine von der DPA abgeschriebenen Mainstream News. Google-News benutzt niemand den ich kenne, ich surfe es das Erste mal an… Oh Felix Baumgartner, hoch interessant, steht ja nur überall. Warum auch immer gegen Google gehetzt wird entzieht sich mir. Ich behaupte das bei jedem mindestens 80% Traffic über diese Suchmaschine kommt. Wer darauf verzichtet kann den guten Googlebot gerne aussperren und sein Glück bei Facebook versuchen. Große Verlage haben vor 5 Jahren Spielemagazine übernommen und eingegliedert nun folgt eben Technik. Leute die sich für etwas spezielles interessieren werden bestimmt nicht Smartphone-Rezessionen und Testberichte auf WELT etc. lesen.