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Nach Newtown-Massaker: NRA nimmt Facebook-Seite vom Netz

geschrieben von Adrian Bolz
<small>Auf der deutschen Facebook-Seite der NRA wird derzeit ein Wikipedia-Text verlinkt</small>

Auf der deutschen Facebook-Seite der NRA wird derzeit ein Wikipedia-Text verlinkt

Nach dem verheerenden Massaker von vergangenem Freitag, bei dem an einer Grundschule in Newtown 27 Menschen, darunter 20 Kinder, ums Leben gekommen sind, fühlen sich offenbar auch die Vertreter der Nationalen Schusswaffenvereinigung (NRA) nicht mehr ganz so wohl in ihrer Haut. Zumindest hat der umstrittene Lobby-Verband vorsorglich seine Facebook-Präsenz vom Netz und – man muss es so sagen – aus der Schusslinie genommen. Seit Freitagabend, rund zehn Stunden nach dem Massaker, werden Nutzer auf die Facebook-Startseite umgeleitet, wenn sie die NRA-Seite bei Facebook aufrufen wollen. Die NRA tritt in den USA für ein allgemeines Waffenbesitzrecht ein und vereint nach eigenen Angaben rund 4,2 Millionen Mitglieder.

Die Organisation scheint mit dem Schritt verhindern zu wollen, auf ihren Social-Media-Kanälen eine Projektionsfläche in der zurecht aufgeheizten Debatte um das Waffenrecht bieten zu können. Bereits nach dem Kino-Attentat von Aurora im Juli diesen Jahres sah sich die NRA harscher Kritik ausgesetzt, nachdem sie, offenbar ohne von dem Massaker gewusst zu haben, unmittelbar nach der Tragödie einen äußerst unpassenden Tweet bei Twitter abgesondert hatte: “Good morning, shooters. Happy Friday! Weekend plans?”

Während die Nutzer bei Facebook jetzt gar nicht mehr mit der NRA interagieren können, bleibt der Twitter-Account der Lobbyisten zwar sichtbar, aber seit dem Massaker vorsorglich tweetfrei. Ähnliche Funkstille herrscht zudem im Google-Plus-Profil der NRA. Wer nichts sagt, kann nichts falsches sagen.

Nachvollziehbar, aber feige

Ein solches Schweigen muss nicht unbedingt schlecht sein. Schließlich gibt es Situationen, in denen jedes Wort nur falsch sein kann. Und wer, wenn nicht die NRA, weiß, dass ein einmal entfachter Shitstorm nur noch schwer zu bändigen, geschweige denn zu moderieren ist.

Das Vorgehen ist daher zumindest nachvollziehbar – die Facebook-Seite der Organisation wäre, so denn noch erreichbar, zweifelsfrei Ziel aggressiver oder wenigstens empörter Kommentare von Waffengegnern geworden. Dass nicht auch das Google-Plus-Profil abgeschaltet worden ist, sagt derweil weniger etwas über die NRA, sondern vielmehr einiges über die fehlende Diskussionskultur und begrenzte Popularität des Google-Netzwerks aus.

Verstehen kann ich ein derartiges Wegducken angesichts der immer wieder offensiv propagierten Thesen zum allgemeinen Waffenbesitzrecht dennoch nicht. Es ist schlichtweg feige und inkonsequent. Frei nach dem Motto: In guten Zeiten reden wir mit euch, in schlechten aber lieber nicht, liebe User. Müssen Unternehmen oder Organisationen jedoch nicht gerade bei derartigen Geschehnissen umso mehr in der Öffentlichkeit, also auch auf ihren Social-Media-Kanälen, für ihre Botschaften einstehen und sich der unweigerlich aufflammenden Diskussion stellen?

Eindeutig ja! Denn, wenn schon Social Media, dann doch bitte mit allen Konsequenzen!

Bilder: Wikipedia, Facebook

 

Über den Autor

Adrian Bolz

Adrian Bolz lebt und arbeitet als Online-Redakteur in Köln. Liebt neben den Weiten des Webs auch die Kultur – im weitesten Sinne. Adrian hat von 2012 bis 2013 für BASIC thinking geschrieben.

8 Kommentare

  • Fehlende Diskussionskultur bei Google+ ?!?!? Wohl eher das Gegenteil: hier sind Shitstorms nicht an der Tagesordnung, Diskussion findet weitgend sachlich (und ausführlicher!) statt als nur mit Beleidigungen.

  • Das ist aber etwas sehr „billige“ Polemik gegenüber Google+ zudem noch bei diesem Thema, ist ein Netzwerk weniger Wert weil es vielleicht nicht die gleiche Reichweite, Nutzerzahl oder weniger Shitstorm hat , dafür auch andere Prioritäten setzt?
    Ist eine Automarke oder Type weniger Wert oder gar technisch Schlechter nur weil es weniger Marktanteil hat? dann müssten Typen oder Marken wie Porsche oder Jaguar ect weniger „Wert“ sein als ein VW ?

    • Da Adrian gerade im Kino beim Hobbit verweilt, antworte ich mal kurz stellvertretend. Ich glaube, ihr seht im Text einen Angriff gegen Google Plus, wo keiner ist :-). „Fehlende Diskussionskultur“ und „begrenzte Popularität“ beziehen sich allein auf die geringere Nutzerbasis von Google Plus, die – im Vergleich zu Facebook – weit weniger aktiv ist, sprich: bei Google Plus ist es doch weiterhin vergleichsweise ruhig. (Das merken wir bei BASIC thinking schließlich auch). Das heißt nicht, dass Google Plus besser oder schlechter ist. Es ist halt anders. 😉 Die NRA scheint daher jedenfalls zu glauben, dass ihr von Google Plus keine Gefahr droht.

  • Die Facebook Seite hatte am Freitag noch eine Weile geöffnet und natürlich sammelten sich Tausende von Kommentaren innerhalb weniger Stunden, die wenigsten davon als Support zu verstehen. Die Deaktivierung des Facebook Accounts ist ein mit NRA-Denke nachvollziehbarer Schritt. Warten, bis sich die Empörung gelegt hat, dann business as usual. Bisher konnten sie drauf bauen, warum nicht wieder?

    Sich mit einer derart starken Waffenlobby anzulegen, in der viele Mitglieder nie in de Verlegenheit gekommen wären, in der Schule erschossen zu werden, ist ein nahezu tödliches Unterfangen, und ich wäre überrascht, wenn sich Obama als Märtyrer-to-be zur Verfügung stellen würde. NYCs Bloomberg riskiert mit seiner eindeutigen Position bereits seinen sprichwörtlichen Hals.

    So lange auf einem Verfassungszusatz aus dem Jahre 1791 bestanden wird, als es noch böse Indianer, Büffel und eine inländisch feindlich gesonnenen Regierung gab, wird sich nichts ändern. Und daher kann sich die NRA beruhigt zurücklehnen. Eine Form des internen Terrors, die mit der Opferzahl von Al Qaida mehr als konkurrieren kann. Jährlich.

  • Ich denke mal, die Sache mit Google+ ist wesentlich trivialer: Dort gibt es ebenso wenig eine Pinnwand, an die Benutzer schreiben können, wie bei Twitter. Die NRA braucht also anders als bei Facebook keine Angst zu haben, die Kontrolle über ihr Erscheinungsbild zu verlieren.

  • Hallo liebe Leute und Waffengegner!

    Es ist eben einmal wieder so „urtypisch deutsch“, sich zu Waffengestzen in den USA zu äussern…

    Da hätten wohl wieder eingige sehr nächstenliebe Deutsche gerne endlich Erfolg damit, dem Rest der Welt ihre aberwitzigen Ideen, die Welt zu verbessern, zu vermitteln und glaubhaft zu machen.

    Welch ein Unsinn..!

    NRA, KEEP UP YOUR FIGHT FOR FREEDOM!

    Ich kann nur sagen, dass das Reden Silber, das Schweigen aber Gold ist!

    A shut mouth catches no flies!

    Nun noch einen schönen Tag…