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Vorhang auf: Facebook stellt die Graph-Suche vor

Da hat die PR-Abteilung ganze Arbeit geleistet: Facebook hat in Apple-Manier soeben die Graph-Suche vorgestellt und keiner hat etwas geahnt. Man darf zurecht fragen: Die was?

Im Vorfeld des Presse-Events war gerätselt worden, ob Zuckerberg endlich das Facebook-Phone vorstellt, mehr Video-Funktionen, Foto-Filter á la Instagram oder etwas ganz anderes aus dem Hut zaubert. Aufgrund der ganzen Euphorie war der Kurs der Facebook-Aktie stetig gestiegen und zeigte zumindest in Richtung des Ausgabepreises beim Börsengang.

Die drei Säulen von Facebook

Währenddessen erklärt Mark Zuckerberg dann zunächst, dass das Facebook-System aus drei Säulen bestehe, nämlich dem Newsfeed, der Timeline und nun eben auch der Graph Search. Der Facebook Graph besteht derzeit aus einer Milliarde Personen – den Facebook-Nutzern – 240 Milliarden Fotos und einer Billion „Verbindungen“, was auch immer das bedeutet.


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Durch die neue Suchfunktion soll es einfacher werden, Leute zu finden und sich mit ihnen zu verbinden. Dabei wird – natürlich – auf die Privatsphäre geachtet, sprich Inhalte werden auch nur denjenigen angezeigt, die sie sowieso sehen würden, also je nach Einstellung die Freunde, Freunde von Freunden oder eben die ganze Welt.

Wer meiner Freunde mag…?

Graph Search soll spezifische Fragen beantworten wie „Wer sind meine Freunde in San Francisco“ und schwuppdiwupp bekommt man die Antwort. Wie bei Google kann man Alltagssprache verwenden und die Anfrage wird bei der Eingabe schon autovervollständigt.

Und – endlich – kann Mark Zuckerberg gezielt die Freunde zu einer kleinen „Dothraki-Party“ einladen, die in seiner Nähe wohnen und die US-Serie „Games of Thrones“ mögen. Zumindest stellt er das Beispiel explizit vor. Was ein Glück, mag man sich denken.

Fotos, Interessen und Orte werden suchbar

Auch nach Fotos der Freunde lässt sich suchen und die Suche lässt sich auch verfeinern. In der Präsentation wird nach Fotos von Freunden gesucht, die wandern gehen und es taucht ein Foto von einer Wandertour auf den Machu Picchu auf. Nun wäre aber wirklich interessant zu wissen, ob die Suche das Bild analysiert oder sich lediglich auf den Bildtitel und andere Angaben wie den Ort bezieht. Ich vermute letzteres.

Auch die Suche nach Interessen meiner Freunde lässt sich weiter spezifizieren: Zeige mir Musik von Leuten, die auch Barack Obama mögen oder Videos von meinen Freunden, die Software-Entwickler sind. Abgesehen davon, dass die Freunde natürlich die entsprechenden Felder ausgefüllt haben müssen – wer sucht nach so etwas?

Immerhin die Suche nach indischen Restaurants, die meine Freunde geliked haben, geht in Richtung Yelp und hat einen zusätzlichen Nutzen. Doch ob das reicht?

Der große Wurf bleibt aus

Nun gut, jetzt ist der Vorhang gelüftet. Und ich habe mich die ganze Präsentation über gefragt, ob noch ein „There’s one more thing“ á la Steve Jobs kommt. Und es kam! Facebook verbrüdert sich mit Bing und zeigt auch Web-Ergebnisse in der Graph-Suche an. Bestimmt eine schöne Sache, aber bei Steve Jobs war das „one more thing“ ein iPhone, iPad oder MacBook Air.

So bleibt es bei einem äußerst gut organisierten Presse-Event für ein Feature, das mich mehr als enttäuscht. Sicherlich, die Funktionen sind ganz nett, aber der große Wurf ist das nicht. Nicht mal ein kleiner.

Dabei hätte Facebook eine Menge zu tun und anzukündigen: Mobil-Strategie, externes Werbenetzwerk, Wachstumsziele und –pläne, Instagram-Funktionen, auch die eigenständige Web-Suche ist ein Feld, das man Facebook angesichts der Datenfülle zutrauen könnte. Das ließe sich auch gut monetarisieren und würde die Aktionäre zufriedenstellen, aber ich gehe schwer davon aus, dass diese sich auch mehr von dem Event erhofft haben.

Bild (von 2009): Flickr / Crunchies2009 (CC BY-ND 2.0)

Über den Autor

Robert Vossen

Robert Vossen hat erst Los Angeles den Rücken gekehrt und dann leider auch BASIC thinking. Von 2012 bis 2013 hat er über 300 Artikel hier veröffentlicht.

17 Kommentare

  • Puh… finde ich auch ein wenig enttäuschend. Aber: Mark Zuckerberg hatte ja schon gegenüber Techcrunch gesagt, dass es enorm viele Suchanfragen jeden Tag gibt – und Facebook nichts daraus macht.

    Und da Google im Prinzip einer der großen Webkonkurrenten ist (wenn nicht der größte), ist es nur clever von ihm, auf diesem Feld Google Konkurrenz zu machen, sprich: die Notwendigkeit außerhalb Facebooks etwas zu tun/suchen zu minimieren. Das Ziel ist es ja, dass man ALLES innerhalb Facebooks tun kan, also eine Art Paralleluniversum. Und die Suche ist eben ein sehr großer / wichtiger Schritt in diese Richtung.

    (Denn die vielen Suchanfragen der User zeigen ja auch, DASS heftigst viel gesucht wird… und das mit mehr Datenwust auch eher mehr als weniger wird.)

    Von daher: Vielleicht zunächst nicht so spektakulär, aber langfristig eben tatsächlich einer der drei Säulen. So viel zu meiner spontanen Einschätzung.

  • Naja erst mal abwarten und nicht schon jetzt große Töne spucken. Auch Microsoft wollte Google einmal den Rang ablaufen. Geschafft haben sie es nicht. So könnte es Facebook auch ergehen.

  • Ich finde die Entwicklung gar nicht so unspektakulär wie hier im Artikel beschrieben. Ich denke vorallem im Werbebereich wird das viele semiprofessionelle Marketer anlocken. Vermutlich auch den ein oder anderen Spammer. Schließlich lassen sich so sehr schnell Zielgruppen abstecken, die man gezielt anschreiben könnte.

    Zudem könnte der Facbook-Graph in Verbindung mit dem Facebook-Phone eine Konkurrenz für Google Now werden und das wird ja gerade auch ziemlich gehypt.

  • „ – wer sucht nach so etwas?“
    „Was ein Glück, mag man sich denken.“

    Mit Verlaub – reichlich kurzsichtige Betrachtungsweise! Mir scheint das ein Schritt in Richtung semantisches Netz zu sein. Wie die Daten erhoben werden ist doch erst mal schnurz, sowas kann man weiter aufbohren, wenn das Prinzip verfängt. Löst man sich vom Freundesbegriff, kann ich mir Anwendungen sehr gut vorstellen. Natürlich auch für die Werbeindustrie (was dann nebenbei ein genialer Vermarktungsschachzug ist).

    • Es ist eben nicht schnurz, wie die Daten erhoben werden, denn so ist das ganze nichts anderes als eine relativ simple Datenbankabfrage. Mit semantischem Web hat das nicht wirklich was zu tun… Und wie Facebook von den bescheidenen neuen Möglichkeiten für die Werbeindustrie profitieren will haben sie leider nicht erzählt.

  • „Mit semantischem Web hat das nicht wirklich was zu tun…“

    Solange dieser Artikel sich auf Aussagen wie:

    „und einer Billion „Verbindungen“, was auch immer das bedeutet.“

    beschränkt, warte ich erst mal, bis gegenteiliges bewiesen ist. Eine Verbindung kann Person-Ort, Person-Foto, Person-Person etc. sein, durchaus aber auch sein: Person-postet sehr oft von Standort X, Person-hat X als Heimatort angegeben, Person Y-ist verbunden mit Person X und befindet sich beim Posten oft an Standort Z

    usw.

    Ich würde das schon als semantisch bezeichnen. Natürlich nur auf den Kontext des sozialen Umfeldes von Personen bezogen. Und eine Suche in diesem Kontext erlaubt halt eine semantische/statistische Auswertung dieser Daten (und ist überhaupt nicht trivial, weil mit jedem Faktor die Query wesentlich komplexer wird).

    Was die Werbeindustrie anbelangt: Befindet sich in X, mag Y und Z und sucht in letzter Zeit oft nach ABC – wenn sich diese Kombination nicht gut als Vermarkungsinformationen eignet, weiß ich auch nicht.

    • http://de.wikipedia.org/wiki/Semantisches_Web

      Facebook weiß nur, dass ich in Los Angeles wohne und es sich dabei um eine Stadt handelt, weil ich das selbst angegeben habe. Ja, der Verknüpfung der Daten geht in die Richtung semantisches Web, aber zum einen ist das auf Facebook-Inhalte begrenzt und zum anderen eben doch nur ein Datenbankeintrag. Semantisch ist für mich, wenn mir Facebook (oder Google) auf die Frage, wann JFK gestorben ist, ein Datum geben kann. Und zwar automatisiert.

      Vermarktungsinformation: Ja sicherlich ist das praktisch zu wissen, aber zum einen müssen die Informationen öffentlich sein und das sind sie in den meisten Fällen nicht. Und selbst wenn ich eine Liste von 500 Leuten habe, auf die X, Y und Z zutrifft, muss ich die immer noch manuell anschreiben. Das macht noch wenig Sinn. Allerdings hat die Funktion Potential, da gebe ich dir Recht. Dennoch: Selbst wenn Marke XY die Informationen systematisch nutzen kann, ist die Frage, wie Facebook daran mitverdient. Außerdem soll die Graph-Suche (zunächst) werbefrei bleiben. Mal schauen, wie lange. Aber laut Aktienkurs hat den Investoren die Präsentation heute auch nicht gefallen.

  • Ich denke schon, dass es ein indirekter Angriff auf Google ist, weil man Google in vielerlei Hinsicht durch den neuen Social Graph schlichtweg „umgeht.“ Habe das ganze mal in meinem Blog thematisiert & auch ein Video zum Social Graph wie das ganze denn aussieht mal online bereitgestellt. Liebe Grüsse

  • & achja, Microsoft hat sich doch mit Facebook zusammengetan um via Bing auch aus dem Netz heraus zu filtern. Das geht hier aus diesem Artikel nicht hervor. LG

  • „Microsoft hat sich doch mit Facebook zusammengetan“ müssen sie gar nicht extra denn Microsoft ist bekanntlich schon länger an Facebook beteiligt.

  • Stimmt- hatte ich wohl „überlesen“: „Facebook verbrüdert sich mit Bing und zeigt auch Web-Ergebnisse in der Graph-Suche an“… ah jetzt ja 🙂

  • Wenn ich mir die Datenschutzskandale von Facebook ansehe und die Privatsphären-Einstellungen, welche man immer wieder auf’s Neue suchen und finden muss, sagt mir diese Funktion überhaupt nicht zu. Schon jetzt scheitert Facebook bei der Erlösgewinnung wesentlich daran, dass die Mehrheit der Nutzer jung ist und eine dementsprechend niedrige Kaufkraft hat. Diverse Studien (u.a. ARD/ZDF-Online-Studie, Bitkom) belegen, dass bei älteren Nutzern die Angst vor Datenmissbrauch ein Hemmnis für die Nutzung sozialer Netzwerke allgemein (und Facebook als offenes Datenleck insbesondere) darstellt.