Sonstiges

Amazons gefährliche Wachstumsstrategie scheint die Börse nicht zu stören

Nachdem wir in den letzten Tagen die Quartalszahlen von Apple, Samsung und Google seziert haben, ist heute Amazon dran. Der Konzern hat im letzten Quartal 21,3 Milliarden Dollar umgesetzt. Das ist zwar leicht unter den Erwartungen der Analysten, doch trotzdem eine starke Zahl. Der Gewinn lag bei 97 Millionen Dollar. Im Vorjahresvergleich heißt das: Umsatz um 20 Prozent gesteigert (17,4 Milliarden Dollar), Gewinn nahezu halbiert (177 Millionen Dollar).

Aktienkurs steigt trotz Jahresverlust

Doch Gewinn ist Gewinn – würde das Jahr nicht dummerweise aus vier Quartalen bestehen. Im letzten Kalenderjahr hat Amazon nämlich einen Verlust von 39 Millionen Dollar eingefahren. Und das bei einem Umsatz von 61 Milliarden Dollar, was ungefähr dem Bruttoinlandsprodukt von Kroatien entspricht.

Um sicherzugehen, dass sich keiner verlesen hat: Millionenverlust bei Milliardenumsatz! Und als wäre das nicht kurios genug, honoriert die Börse das mit einem Kursanstieg von 10 Prozent nach Ladenschluss auf 288 Dollar. Rekordwert. Seltsam.


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Während ich für die Reaktion der Börse keine Erklärung habe, gibt es für Amazons Quartals- und Jahresergebnis gleich mehrere: Investitionen, Amazons Wachstumsstrategie, die Kindle-Reader und -Tablets, Amazon Prime und Amazon Web Services.

Wachstum – und dann?

Amazon ist für seine geringen Margen bekannt. Man könnte Bernd Stromberg zitieren: „Das ist so minimal kalkuliert, da würde selbst der geizigste Schotte feucht werden unterm Rock.“ Anders als die Capitol Versicherung investiert Amazon aber Milliarden in seine Infrastruktur und andere Geschäftsbereiche. Damit sichert sich Amazon zwar Wachstum in neuen Märkten, doch was danach kommt, ist nicht immer klar.

Beispiel Kindle: Es ist kein Geheimnis, dass Amazon bei seinem eBook-Reader drauf zahlt. Doch nicht ganz zu Unrecht sieht Amazon-CEO Jeff Bezos den langfristigen Kundenwert, denn wer einen Kindle hat, kauft auch mehr eBooks bei Amazon.

Digitales Buchgeschäft wächst um 70 Prozent

Die Strategie scheint durchaus aufzugehen, schließlich wurde das eBook-Geschäft um 70 Prozent gesteigert. Das physische Buchgeschäft hingegen ist nur um 5 Prozent gewachsen. Doch genaue Umsatzzahlen bleibt Amazon schuldig – auch beim Kindle verrät Bezos nicht, wie viele Geräte bislang über die digitale Ladentheke gewandert sind.

Die Verluststrategie wendet der Online-Händler auch bei Amazon Prime an. Wie sich Prime allerdings auf den Gesamtumsatz auswirkt ist unklar. Amazon-CFO Tom Szkutak zufolge sei der Anteil der Prime-Kunden, die kostenlose Inhalte konsumieren würden, allerdings drastisch angestiegen. Doch gleichzeitig würden die selben Kunden auch weiterhin für Inhalte zahlen. Man muss Szkutak glauben – überprüfen lässt sich das nicht.

Auch bei Amazon Web Services lässt sich die Profitabilität mangels Zahlen nicht feststellen. Zwar wurde der Umsatz in diesem Bereich um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert, doch das muss bei Amazon ja offensichtlich nichts heißen.

Verzettelt sich Amazon?

Es ist die Frage, wie lange das Spiel mit dem Wachstum gut geht. Denn nicht nur wächst der Umsatz von Amazon inzwischen langsamer, auch droht die Gefahr, dass sich der Online-Händler in zu vielen Geschäftsbereichen engagiert und sich dabei verzettelt. Die Gerüchte über ein kommendes Amazon-Phone sind da nur ein Puzzleteil. Die gehäuften Ausfälle von Amazon Web Services ein anderes.

Bild: Flickr / William Christiansen (CC BY 2.0)

Über den Autor

Robert Vossen

Robert Vossen hat erst Los Angeles den Rücken gekehrt und dann leider auch BASIC thinking. Von 2012 bis 2013 hat er über 300 Artikel hier veröffentlicht.

16 Kommentare

  • Das wird die nächste Börsenblase: Amazon, Facebook, Apple. Wie verrückt können Anleger eigentlich sein?. Bei Facebook war der Kuchen dank Goldman & Sachs bereits vor der IPO aufgegessen, also lange Zeit bevor er den Anlegern serviert wurde.

  • „Während ich für die Reaktion der Börse keine Erklärung habe, gibt es für Amazons Quartals- und Jahresergebnis gleich mehrere: Investitionen, Amazons Wachstumsstrategie, die Kindle-Reader und -Tablets, Amazon Prime und Amazon Web Services.“

    Damit hast du dir die Erklärung doch schon selbst gegeben. „Wachstum auf Kosten der Marge“ war schon immer das Erfolgskonzept von Amazon. Nicht anders verfährt ja auch Zalando, bloß noch viel radikaler (=mit viel höherem Verlust).

  • @Swantje
    …Apple …. Börsenblase … ???????

    Zur Zeit absolut unterbewertet und klare Kaufempfehlung. Wir sprechen uns in 1-2 Jahren wieder. Nicht jetzt schimpfen und polemisieren. ABWARTEN …

  • In naher Zukunft wird sich sicher die Frage stellen in wie weit unser heutiger Offline Handel mit Ladenketten, Einzelhandelsgeschäften rct. und damit auch ein gutes Stück gesellschaftliche „Kultur“ und Wirtschaftsleben noch Überlebensfähig bleibt.
    Wird die Regierung dann ein „Leistungsschutzgesetz“ gegen den Online Handel beschließen?
    Zumidest wird die digitale Ladentheke wohl keine Schaufenster in Innenstädten füllen oder deren Läden mieten.

  • @ Mika B.

    Das Hauptproblem ist doch, dass ich mich heute über ein Produkt was ich kaufen möchte im „richtigen“ Ladengeschäft informieren kann, um es dann aber über eine Preissuchmaschine im Internet billigst zu kaufen.

    Wenn es aber auf alle Artikel eine „Online-Steuer“ gäbe, für Händler die kein Ladengeschäft betreiben, sähe die Sache komplett anders aus.

    Zwei mögliche Szenarien die man damit beeinflussen könnte:

    1. Es wäre schlagartig ein Interessen bei Händlern evtl. doch ein Geschäft zu betreiben.
    2. Die eingenommenen Steuern könnten so wie sie prozentual pro Bundesland eingenommen wurden, diesen zur Förderung des Einzelhandels zur Verfügung gestellt werden.

    Das ist jetzt zwar in sehr abgekürzter Form formuliert, sollte ja auch nur ein Denkmodell sein …

  • @Tom
    Nun einige „Alibi“ Läden wie die „Apple Store“ werden dagegen nicht viel Helfen, es ist sogar „Schlimmer“.
    Zukünftig können 3-4 Online Händler vom Schlage „Amazon“ oder „Zalando“ den großteil des „Weltweiten“ Handel, Warenverkehr und die Preise bestimmen wie die „OS Hersteller“ den Computermarkt und darauf wird an der Börse Gewettet….
    Vorbild ist hier sicher nicht zu Unrecht die „Wal-Mart tisierung“ der USA in den 90zigern.
    Bei allen vermeindlichen „Vorteilen“ des Onlinkauf wir sollten Aufpassen damit dieser nicht eines Tages zum Bumerang für uns wird, denn es sind nicht nur Verbraucherinteressen wie in der bunten grellen Werbung die hinter diesen Firmen stehen.
    Man muss auch nicht gleich „Schwarzmalen“ nur könnten durchaus Blogs sich auch einmal diesen Thema Annehmen ohne gleich Angst haben zu müssen als „Technikfeindlich“ abgestempelt zu werden.

  • @Mika B.
    bin mir nicht sicher aber ich glaube du hast mich falsch verstanden.

    Ich meinte, wenn solchen i-Händlern wie Amazon, Zalando, etc. von Seiten der Politik eine „Online -Steuer“ aufgebrummt würde, da sie ja keine Ladengeschäfte betreiben, würde das vielleicht wieder zu einem Gleichgewicht führen. Wenn du dann meinst, als Reaktion darauf deren Produkte nicht auf der DE-PLAttform kaufen zu müssen, sondern im Ausland, gibt es einen angemessenen Einfuhrzoll. (Ist aus meiner Sicht sowieso eins der ganz großen Themen für die Zukunft)

    Die „Alibi“ Läden von Apple die sogenannten Genius-Bars finde ich eigentlich nicht so schlecht. Du bekommst Produktinfos, kannst alles ausprobieren und kaufen kannst du auch in diesen Stores. Ist doch OK, oder?

  • @Mika B.

    …damit hast du natürlich absolut Recht.

    Ich glaube jedoch nicht, dass die Stores nur ein „Alibi“ für Apple sind. Apple hat für die Apple-Stores ganz klare Umsatzvorstellungen und wenn die nicht absehbar sind, gibts keinen Store. Wobei ich die Apple-Politik in diesem Punkt nicht nachvollziehen kann, doch das ist glaube ich Apple egal 😉

    Mögliches Problem könnten hier vielleicht die in Deutschland lizensierten Händler (Media-Markt, Saturn und Gravis) sein? Apple betreibt ja in diesen Stores wie überall „ganz grosses Kino“. Wenn aber im Moment keiner bereit ist dafür entsprechende „Eintrittsgelder“ zu bezahlen, gibts kein Kino sondern es geht schnurstracks in den Media-Markt – Ich bin doch nicht blöd ….

  • @Tom
    Nein ich hatte etwas anderes im Blick mit 20 “Apple Store” oder anderen „Offline Resten“ in Deutschlands Städten, wird der Handel nicht Überleben können.
    Media-Markt, Saturn und Gravis wie lange werden diese noch wie heute Existieren, wenn kontinuierlich der Gewinn ins Online Geschäft geht, Beispiele wie Karstadt oder Quelle oder div. Zeitungen / Zeitschriften, innerstädtische Reisebüros usw. zeigen das es „Schnell“ zu Ende gehen kann, wenn etwas Unrentable wird.
    Sollen die Fachverkäufer dann in Call Center am Paketband oder bei den Lohndrücker Paketdiensten Arbeiten und was machen Städte ohne die Gewerbesteuereinnahmen des Handels?
    Lediglich eine “Online-Steuer” wird kaum Helfen zumal wenn erst einmal der Großteil der Infrastuktur weggebrochen ist, hier sollte Heute Vorrausgedacht werden es geht um vieles mehr als lediglich eine Tagsszeitung, was schon große Aufregung verursacht.

  • @Mika B.

    Ja das ist natürlich ein riesiges Problem.

    Doch viel unverständlicher erscheint mir, dass es möglich ist, einen „virtuellen Laden“ zu betreiben, ohne dafür „Miete“ bezahlen zu müssen. Es kann doch nicht sein, das Firmen egal welcher Größe Shops betreiben und damit je nach Ausrichtung bis zu 100% ihres Umsatzes generieren. Wieso ist das frei?

    Wer im bzw. mit dem Internet Ged verdient, soll dafür bezahlen. Fertig. Die Sätze für diese „MIete“ sollte man den erbrachten Gewinn aus selbigem berechnen.

    Damit ist dem kleinen Zeitungsladen bzw. dem Reisebüro an der Ecke zwar nicht sofort geholfen aber deren Daseinsberechtigung hängt unmittelbar an einer solchen Regelung.

    Doch welches politische Gremium traut sich schon an ein solches Problem …

  • Hallo,

    vielleicht würde es ja schon helfen, wenn man dafür sorgen würde, dass die Lieferfahrer ordentlich bezahlt werden, zumindest ihre Stunden bezahlt bekommen. Oder das Subunternehmertum unterbinden würde bei den Paketdiensten.

    Dann wäre wohl nix mehr mit kostenloser Lieferung …

  • Ich halte diese Strategie für gefährlich aber erfolgreich.
    In Deutschland in Amazon der Quasi-Standard für Online-Shopping geworden, und von den ehemalige Konkurrenten buch.de, bol.de und wie sie alle hießen spricht kein Mensch mehr, obwohl es sie sogar noch gibt.
    Wenn der Markt erst gewonnen ist werden die Kühe gemolken, und das wissen auch die Anleger die jetzt investieren.

    • Grundsätzlich hast du nicht Unrecht. Aber in der Dotcom-Blase haben das auch alle gedacht 😉 So schlimm wie damals ist es aber sicherlich noch nicht.

  • nur wie lange will amazon noch abwarten mit dem melken? amazon hat in den letzten 10 jahren den umsatz verhundertfacht. der gewinn ist praktisch der selbe geblieben. in mittelständischen familienbetrieben mögen solche umsatzrenditen vielleicht ok sein, aber im it bereich, wo die renditen teilweise bei 30% liegen ist das eher mau.
    google wächst auch stark. aber google macht auch gewinn.

  • Ich denke, dass Amazon gerade mit dem massiven Ausbau des Ebook-Geschäfts genau das Richtige tut. Der Kindle hat enorme Marktanteile erreicht, und natürlich kaufen die Kunden jetzt auch Ebooks. Soweit ich weiß, beteiligt das Unternehmen Autoren derzeit mit 70 Prozent an den Erlösen, streicht selbst also „nur“ 30 Prozent ein – während die Margen im klassischen Buchhandel bei 40 Prozent liegen. Aber: Wenn erst mal die kritische Masse erreicht ist und Autoren, die nenenswerte Stückzahlen verkaufen wollen, kaum noch um Amazon herumkommen, wird wohl die Auszahlung an die Autoren sinken. Spätestens dann kann Amazon richtig Kasse machen.