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Medienwandel Teil 2: Wie bereitet man sich auf 2020 vor?

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Datenschutz und Bundling – zwei Themengebiete, die äußerst volatil sind und enorme Auswirkungen auf die Medienbranche haben. Ziehen die Datenschutzbehörden die Daumenschrauben an, hat Facebook ein Problem – setzt sich der Unbundling-Trend fort, kommt Hollywood in Schwierigkeiten.

Strategische Szenario-Planung ist eine Technik, bei der man sich bewusst extreme Welten vorstellt und diskutiert, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Beispiel Musikindustrie: Hätte man Ende der 90er extreme Entwicklungen durchdacht, hatte die Branche sich eventuell besser auf das MP3-Zeitalter vorbereiten können.

Quo vadis Datenschutz?

Der Extremfall beim Thema Datenschutz wäre eine starke Regulierung und eine deutlich stärkere Sensibilität für Datenschutz-Fragen in der Bevölkerung, sodass Datenhändler weniger Möglichkeiten hätten, die gesammelten Daten zu verkaufen. Eine Vorahnung dafür ist zum Beispiel die Ankündigung von Firefox, Cookies von Drittanbietern sperren zu wollen.


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Das andere Extrem beim Thema Datenschutz ist, dass sich Big Data-Analysen weiter durchsetzen und gesammelt wird, was möglich ist. Damit würde sich die Effizienz der Werbung weiter verbessern – ein Umstand, der nicht nur Google & Facebook, sondern auch für Produzenten von Medieninhalten von Vorteil sein kann.

Quo vadis Bundling?

Der zweite große Themenstrang ist das Bundling von Medieninhalten. Im Extremfall zerfällt das bisherig Geschäftsmodell und Inhalte-Produzenten müssen sich etwas Neues einfallen lassen. Da in den USA der Kabelbetreiber Cablevision gerade gegen Viacom klagt, ist das gar nicht so unvorstellbar. Auf der anderen Seite könnte sich das Bundling weiter durchsetzen und es würden weiter Walled Garden-Modelle entstehen: Ich finde alles was ich will bei Yahoo, bei Google, bei Facebook. Ein Ausbrechen aus seinem Ökosystem wird für den User aber immer schwieriger.

Aus diesen beiden Achsen kann man vier Welten beschreiben (die Namen dienen nur zur Veranschaulichung): In der Welt „Status Quo Plus“ blüht der Walled Garden auf, es erfolgt eine Konsolidierung in der Branche und Targeting wird weiter perfektioniert. Bei „Privacy Power“ wird die Datennutzung enorm eingeschränkt – personalisierte Werbung ist kaum noch möglich. In der „Searchland“-Welt sind Medien-Bundles ausgestorben, Big Data und Targeting leben aber noch. Auch in der „Do It Yourself“-Welt gibt es keine Medien-Bundles mehr. Doch schlimmer noch: Auch die Datennutzung ist enorm reguliert und eingeschränkt.

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Status Quo Plus

Was bedeuten die vier Welten für Branchenteilnehmer? Im Status Quo Plus haben Google, Facebook und die Content-Produzenten wenig zu befürchten, doch Netzbetreiber bekommen immer mehr Probleme, Stichwort Netzneutralität. Eine mögliche Lösung ist es, sich mit Inhalte-Anbietern zu verbinden, Übernahmen von NBC Universal durch Comcast könnten sich häufen. Da Content-Produzenten von den wachsenden Bundling-Optionen profitieren ist die naheliegende Strategie, diese Welt so gut wie möglich gegen bedrohliche Innovationen zu verteidigen. Man könnte sich an die Musikindustrie um die Jahrtausendwende erinnert fühlen.

Privacy Power

In dieser Welt gibt es keine zielgerichtete Werbung mehr – die Werbekunden flüchten sich in die Massenmedien. In extremer Form werden ganze Sendungen von einzelnen Marken gesponsert – die Seifenoper ist zurück. Während Produzenten von massentauglichen Inhalten dank des Bundlings verschont bleiben, haben Nischeninhalte alleine kaum eine Chance. Auch Facebook bekommt Probleme, schließlich basiert das Geschäftsmodell auf Targeting. Googles Werbeumsatz ist zwar auch bedroht, doch insbesondere mit Qualitätsinhalten auf YouTube eine Chance als Massenmedium aufgefasst zu werden.

Searchland

Cablevision gewinnt gegen Viacom – das Medien-Bundle verschwindet vorerst. Ein Horror-Szenario für Inhalte-Produzenten, in dem man wohl nur überleben kann, wenn man das Bundle über Abonnements wieder herstellt. Ansonsten droht der Tod. Google hingegen profitiert von der Entwicklung – nicht umsonst hat das Szenario den entsprechenden Namen. Doch die Macht von Google & Co. könnte so stark werden, dass kartellrechtliche Bedenken geäußert werden; auch das möchte Google natürlich nicht.

Do It Yourself-World

Das Szenario ist am stärksten von Veränderungen betroffen: Das Bundle gibt es nicht mehr, Targeting auch nicht. Wie beim Privacy Power-Szenario kommt die Massenwerbung zurück. Ein weiterer möglicher Trend: Crowd-Finanzierung für Nischeninhalte. Wie es ein Szenario-Teilnehmer von IBM zusammenfasste: „There’s only porn and public broadcast“ – eine Anspielung auf die kaum vorhandene Reichweite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den USA. Google müsste sich wie schon bei „Privacy Power“ anpassen, Facebook komplett umstellen.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt

Natürlich kann man noch viel tiefer in die Materie einsteigen, insbesondere wenn man als Unternehmen direkt betroffen ist und sich auf sein näheres Marktumfeld konzentrieren kann. Die gute Nachricht: Für fast alle Probleme in den Szenarien gibt es Lösungen, wenn auch manchmal mit Bauchschmerzen. Doch wenn man sich früh genug darauf einstellt, kann man entsprechend reagieren.

Das ist auch der Grund, warum Google kaum etwas zu befürchten hat: Selbst in einer Welt mit starkem Datenschutz ist der Suchmaschinenkonzern breit genug aufgestellt, dass man mit YouTube, Android und anderen Diensten überleben kann. Facebook ist – trotz neuer Android-Oberfläche – als eindimensionaler Player eher in Gefahr.

Wichtig bei den Szenarien ist, dass es sich nicht um Prognosen handelt, sondern lediglich um extreme Vorstellungen, wohin sich die Branche entwickeln kann. Doch wer auch für den Worst Case gerüstet ist, übersteht auch ein möglichen Prozessgewinn von Cablevision oder die verschärften Datenschutzrichtlinien der EU.

Bild: Businessman looking to a chalkboard / Shutterstock.com, Annenberg Innovation Lab

Über den Autor

Robert Vossen

Robert Vossen hat erst Los Angeles den Rücken gekehrt und dann leider auch BASIC thinking. Von 2012 bis 2013 hat er über 300 Artikel hier veröffentlicht.

4 Kommentare

  • Etwas weniger Werbung wäre sicher gut, statt jeden Tag auf „Schritt und Tritt“ von dieser quasi Verfolgt zu werden, egal ob Offline oder Online.
    Ich wäre sogar für eine Beschränkung von Werbung und deren Datenhandel in dem Medien oder was noch schlimmer ist die zunehmende Werbung im öffentlichen Raum, es gibt von der Parkbank über öffentliche Verkehrsmittel bis zur Schule kaum noch eine Werbefreie Zone.
    Personalisierte Werbung ist keine Lösung sondern nur noch eine größere Pest, den Menschen weiter zu Entmündigen und ihn nun auch noch auf Schritt und Tritt zu Überwachen.

  • na was ein zufall. das thema quersubventionieren von medieninhalten hatte ich ja erst kürzlich bei dem artikel über game of thrones bzw. pay tv erwähnt. interessant, dass der fachbegriff dazu ‚bundling‘ heißt.
    Bin allerdings sehr überascht, dass das auch in anderen branchen wie der musik-industrie so bedeutend ist.

  • Datenschutz oder der angemessene Schutz von private Daten wird ein Kernthema in die kommenden Jahren.

    Eines sollte aber jeder Bürger zum Datenschutz überlegen.

    Wer Sorge um seine persönliche Daten hat, aber dann wege ein paar Extra Punke beim Einkauf immer Payback nutzt, oder wer freiwillig alles mögliche persönliche bei FB & Co zu Verfügung stellt der braucht sich nicht zu beschweren wenn diese Unternehmen diese Daten zu Werbezwecke verwenden bzw. verkaufen.

    @Mika B.

    Natürlich wäre es ein Wunschtraum wenn wir alles im Internet kostenlos erhalten würden und auch hier keine Werbung sehen würden. Nur muss man sich im klaren sein das, es soviel im Internet kostenlos gibt beginnend mit kostenlose Email über viele andere Bereich nur deswegen weil diese Dienste sich mit Werbung finanzieren.

    Wollte wir überhaupt keine Werbung sehen müssten wir auch bereit sein für solche Dienste einen monatlichen Betrag zu zahlen.

    Leider ist aber kaum jemand bereit sagen wir einmal 5 Euro für ein vollkommen werbefrei Email Account zu zahlen.

    Alles hat 2 Seiten.

  • @Peter
    Es ging mir nicht um „Kostenlos“, sondern um die Werbung an sich und die ewige Ausrede der Industrie ohne die Werbung gebe es dieses oder jenes nicht und daher brauchen wir nicht nur immer mehr Werbung, sondern nun auch den gläserne Konsumenten und Bürger.
    Das durch Werbung „Kostenlos“ Argument stimmt nicht, denn es kostet uns nur an einer anderer Stelle.
    Heutige Rundherum 24/7 Werbung will lediglich mit allen psychologischen Tricks unser Bewusstsein Manipulieren und ist meiner Ansicht nach eine unterschätzte Bedrohung für unser Bewusstsein und Entscheidungsfähigkeiten.