Technologie

Großbritannien zückt die Anti-Porno-Brechstange: Sexinhalte nur noch auf Wunsch, sonst greift der Filter

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Der britische Premierminister David Cameron sagt Internet-Pornos den Kampf an. Jeder britische Haushalt mit einem Internetanschluss muss in Zukunft ausdrücklich erklären, dass pornografische Inhalte nicht zensiert werden sollen. Als Grund führt Cameron nach Informationen des „Guardian“ den Schutz von Kindern an. Doch dem nicht genug: die rechtlichen Veränderungen erreichen auch die Internet Service Provider (ISP) und Google. Der richtige Schritt?

Netz filtern, Kinder schützen

David Cameron führt einen neuen Krieg. Im Fokus steht ganz aktuell nicht mehr die Bekämpfung des Terrors, sondern die Erschwerung des freien Zugangs zu pornografischen Inhalten im Internet. Um den Zugriff auf YouPorn & Co. in Zukunft zu erschweren, werden alle mit dem Internet verbundenen britischen Haushalte in Kürze von ihren Anbietern angeschrieben. Inhalt des Schreibens: eine „unumgängliche Wahl“ das Filtern von nicht jugendfreien Inhalten zu gewähren oder nicht. Die Zensur Veränderung der britischen Internet-Infrastruktur soll Ende 2014 technisch umgesetzt werden. Bis dahin müssen alle Kunden, die den Provider wechseln oder einen Neuvertrag abschließen, den Porno-Filter beim Provider deaktivieren. Will heißen: Schon bald wird in weiten Teilen Großbritanniens der Datenverkehr aktiv gefiltert. Die Freiheit, ein Grundgedanke des Internet, wird auf den Schutt gefahren. Den Kindern zuliebe.

Nach Informationen des „Guardian“ wird Cameron die Änderungen am heutigen Montag in einer Rede vor der englischen Kinderschutz-Organisation NSPCC bekannt geben. Konkret soll Besitz und Streaming von „extremer Pornografie“ in Schottland, nicht aber in England und Wales verboten werden. „Extrem“ ist dabei nach Informationen der Zeitung alles, was einer simulierten Vergewaltigung nahe komme und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen normalisiere. Ob unter diese Definition auch sadomasochistische Szenen fallen, ist unklar.


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Alle polizeilichen Kräfte sollen in Zukunft gemeinsam an einer zentralisierten Bilderdatenbank arbeiten, in der illegale Fotos von Kindern zusammen getragen werden, um pädophilen den einfachen Zugang zu erschweren. Außerdem stellt eine Spezialeinheit der Polizei (CEOP) eine Suchwörter-Blacklist zusammen, die dabei helfen soll Pädophile zu identifizieren. Die Zeitung „The Independent“ will zudem erfahren haben, dass Cameron in seiner Rede den Druck auf die Suchmaschinen Google, Yahoo und Bing sowie das soziale Netzwerk Facebook erhöhen wird, indem er ihnen für die Speicherung und den freien Zugang eine „Mitschuld“ an der Verbreitung pornografischer Inhalte gebe.

Obama und Cameron in London.

Obama und Cameron 2011 vereint in London.

Tut Cameron das richtige? Ich bin skeptisch.

Im Glauben zu sein, das Internet durch einen standardmäßig aktivierten Porno-Filter besser zu machen, bereitet mir ein ähnliches Kopfschütteln, wie das mediale Aufgeilen deutscher Leitmedien an der Geburt von Kates Baby. Durch den Standard-Filter nimmt die britische Regierung jedem Internetnutzer die Entscheidung, ob gefiltert werden soll oder nicht, ganz einfach ab – und sorgt für unmoralisches Zähneknirschen bei all jenen, die den Filter womöglich gar nicht haben wollen. Ein Misstrauensvotum des britischen Premiers an sein Volk, wie ich finde.

Dass Kinderpornografie zutiefst grausam ist und bekämpft werden muss, das steht außer Frage. Auch kann man sich darüber streiten, ob der freie Zugang über das Internet ausgelebte Pädophilie eher verstärkt oder womöglich sogar abschwächt. Meiner Meinung nach ist das Filtern und Beschränken des Internet, egal in welcher Form auch immer, allerdings der falsche Weg. Zwar dient das Filtern einem höheren, ehrenwerten Ziel, jedoch darf man nicht vergessen, dass sich dadurch Türen öffnen. Was heute die Kinderpornografie ist, kann morgen die weniger gewaltgeladene Pornografie sein. Oder illegale Musik. Streaming-Portale wie movie2k. Und schneller als man sich versieht ist das Netz nicht mehr frei, sondern wird beherrscht von Filterprogrammen und DNS-Sperren. Dann ist der Schritt zu weniger ehrenwerten Maßnahmen wie Dauer-Überwachung des IP-Verkehrs, Industriespionage und Lauschangriffen aller Art nur noch ein kleiner. Schon wirken PRISM, Tempora und wie sie alle heißen ein bisschen weniger schlimm, als sie tatsächlich sind.

Ich denke es gibt auch weiterhin nur einen wirklich moralisch vertretbaren Weg: das Internet so frei lassen, wie irgend möglich. Pädophile gehören therapiert, Gesetzesbrecher aufgespürt und verurteilt. Dafür braucht es eine enge weltweite polizeiliche Zusammenarbeit, die nicht in allen Internetnutzern potentielle Kriminelle sieht, sondern die am Schopfe packt, die auch wirklich Gesetze brechen. Sperren und Filter kehren die Ursachen nur unter den Teppich und lenken davon ab, dass Politik und Ordnungshüter offenbar in vielen Punkten ohnmächtig sind.

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

19 Kommentare

  • Was für ein Schwachsinn. Anstatt das Internet zu zensieren sollten einfach Eltern einen Kinderschutz für ihre Kinder aktivieren. Jetzt werden Porno Seiten gefiltert, aber da kann ganz schnell mehr kommen

  • Ich hab es heut früh auch mit Entsetzen gelesen. Und sofort stellte ich mir eine zweite – wahrscheinlich nicht ganz unwichtige – Frage: Wenn ich den Filter deaktivieren lasse, bin ich dann automatisch ein potenzieller Nutzer kinderpornografischer Inhalte? Werde ich automatisch auf eine Überwachungsliste gesetzt, weil ich meinen Internetzugang nicht filtern lassen möchte?!?

  • Schlimm wird es werden wenn die britischen Konservativen bemerken das die meisten Kinder das Produkt von Sex sind.
    Wo leben wir eigentlich 2013 oder noch 1413 ?….bzw. mitten in der Anglo Amerikanischen Internet Inquisition ….

  • Nach einem panischen Blick in die Taskleiste:
    Oh Gott wir haben nicht den ersten April – es ist tatsächlich ernst gemeint.

  • Hmm … wie hilft es den Kindern, wenn Porn zensiert wird, in dem keine Kinder vor kommen?

    Ich bin gespannt, wann Porn so weit verboten ist, dass die ersten PinUp-Schmuggler am Flughafen verhaftet werden :).

  • Ich finde es nicht verkehrt, wenn man die Kinder schützen möchte – allerdings ist das der falsche Weg. Sinnvoller würde ich es finden, wenn die Provider einfach eine Infobroschüre mit rausschicken müssten, in der man aufgeklärt wird, wie man selber eine Sperre einrichten kann – wenn man das denn will.

  • Ich finde den Vorschlag von David Cameron akzeptabel. Akzeptabel ist dabei eine bewußte Wortwahl, denn eine Einschränkung darf niemals Selbstzweck sein, ist aber mitunter eine Notwendigkeit.
    Der Zielkonflikt zwischen Kinderschutz und Informationsfreiheit wird so gestaltet, dass eine eigenverantwortliche Option von Erwachsenen pro Pornografie nach wie vor möglich ist. Wer sich dafür entscheidet ist dann aber auch verantwortlich, wenn dieses Material in den Zugriffsbereich von Minderjährigen fällt.

  • Akzeptabel wäre es, wenn man Pornoseiten auf Wunsch sperren lassen könnte. So herum aber werden viele Hemmungen haben, sich bei seinem Provider als „Pornokunde“ zu „outen“ und das wird auch Camerons Kalkül sein.

  • Denke auch, dass das standardmäßige Aktivieren des Filters ein großes Problem ist. Würden die Filter auf ausdrücklichen Wunsch aktiviert, wäre das Vorgehen vertretbar. So sind sie aber nur auf ausdrücklichen Wunsch NICHT aktiviert. Selbst wenn ein Kunde gar keine Pornos schauen will, sondern lediglich seine Freiheit beschränkt sieht, ist es eine größere moralische Hürde gegen die Filterung zu stimmen. Ansonsten wird meine Meinung dazu im Fazit des Textes ja relativ klar, denke ich 😉

  • Wer wird bei dem Thema schon auf die Straße gehen und demonstrieren? Sobald die Technik also über die moralische „Sex“ Schiene durchgebracht ist, kann man in ein paar Jahren anfangen weitere Inhalte zu sperren. Es ist ja dann auch so verdammt einfach! Ein Mausklick und schon ist für ganz Großbrittanien das regierungskritische Video weg. Das wird eine wundervolle Zeit.

    Parallelen lassen sich in allen möglichen Gebieten finden. Man nehme die Mautanlagen auf deutschen Autobahnen – eingeführt für LKW bis 250km/h. Klar. Damit hat man natürlich nie vor PKWs zu erfassen.

  • Ich seh die Sache kritisch.
    Grund: man bekämpft hier doch „Hautkrebs“ mit einem „Abdeckstift“.
    Das Problem an sich ist doch der Konsument und der Produzent in Person.
    Nur weil man einen Filter installiert wird aus einem Pädophilen noch lange kein Nichtpädophiler.
    ich bin daher vielmehr für Aufklärung, das Sperren solcher Server und die Fahndung nach etwaigen Drahtziehern.

    Falls jemand jetzt mit dem Argument kommt:
    „das geht doch nicht, die sitzen meist im Ausland.“

    Das Argument kam bei Bin Laden und Co. nie.
    Wo ein Wille, da ein Weg.

  • Das Problem ist schlicht und ergreifend, dass Menschen faul sind. Und das heißt, dass sie die Filter (auch wenn sie es könnten) nicht deaktivieren lassen und sich damit selbst in die Zensur begeben. Den Politikern ist dies absolut bewusst und sie wollen genau dies. Und das ist das Problem dabei.

    Es geht hier auch nicht um die Personen, welche gebildet sind und die Filter direkt entsperren lassen, da sie wissen, was gefiltert wird und was dies für einen Einschnitt bedeutet, sondern es geht eher „um die Schicht“ darunter, bzw. allen faulen Leute….

    Von daher alles andere als cool

  • @Jürgen: es geht doch weniger um pädophil oder nicht pädophil, als eher dass die Jugendlichen selbst keine Pornos schauen können. Weiß Gott, ich war sicher keine 18 beim ersten Porno, zugegebenermaßen…
    Nur, dass diese Filter über das Ziel hinausschießen und das ist beunruhigend, aber war in GB absehbar (ich sag nur Health and Safety)…

  • @Michael: hm, du hättest noch erwähnen können, dass die Filter nicht nur Pornografie abdecken, sondern all diese Themenbereiche:

    „Pornografie, Gewaltdarstellungen, extremistische und terroristische politische Inhalte, Webseiten zu Magersucht und Essstörung, Suizid-Webseiten, Alkohol, Rauchen, Web-Foren, esoterisches Material und Umgehungstools für Netzsperren.“

    Und das nun einmal wesentlich weitreichender ist, als es (wenn überhaupt) sein sollte…

    Quelle: http://www.golem.de/news/pornwall-britischer-pornofilter-blockt-auch-andere-inhalte-1307-100651.html

    • Das wurde erst nach den exklusiven Berichten in der britischen Presse bekannt, auf die sich der Artikel stützt. Daher schön, dass du darauf hinweist. Vielen Dank!

      Rückt die Sache natürlich in ein noch weniger begrüßenswertes Licht, wie ich finde. Der unangenehme Duft der Zensur ist für mich jedenfalls stärker vernehmbar, als der liebliche Duft, den das ehrenhafte Ziel des Kindesschutzes eigentlich versprühen sollte.

  • Uah… mea culpa… da du es „vorhin“ noch einmal getwittert hast (zumindest kam es bei mir in der timeline so an), dachte ich, der Beitrag sei von heute… 🙂

    Aber dennoch ging es ja von vorne herein (zumindest im Ursprung) weniger um Pädophilie, als um den Kinder- und Jugendschutz. Dieser ist ja sogar gesetzlich verankert (Zigaretten/Alkohol/uneingeschränkter Geschlechtsverkehr, etc. erst ab einem gewissen Alter X). Daher macht es meiner Meinung nach doch sehr großen Sinn, diese Filter zuerst zu aktivieren. Dabei sollte das Thema Sex und Geschlechtsverkehr allerdings nicht tabuisiert werden, was eher meine Befürchtung bei dem Ganzen ist. Und ja auch um die Umsetzung kann man streiten, wie genau der Filter eingeführt werden soll. Aber das man z.B. bei Vertragsabschluss explizit einen Hacken setzen muss (was auch nachträglich geht) um alles freizuschalten ist doch ok.