Wirtschaft

Ein kritischer Blick auf die IFA-Neuheiten: Galaxy-Schnarchwatch, Aufsteck-Objektive und andere Seltsamkeiten

Ihr habt es mittlerweile sicher alle mitbekommen: Die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin ist angelaufen. Die Messe lässt dank unzähliger Neuvorstellungen so manchen Technikfan strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Oft nicht zu unrecht – und doch gibt es hier und da Neues, das durch sorgsame Öffentlichkeitsarbeit schöner verpackt wird, als es das schwindende Maß an wirklich marktverändernden Produktmerkmalen letztlich zulassen dürfte.

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Nicht alles was neu ist, muss auch gleichzeitig innovativ oder gar ausgereift sein. Ich nehme die bisherigen Vorstellungen zum Anlass einer möglichst knackigen Übersicht und kommentiere die wichtigsten Produktvorstellungen mit der spitzen Feder durch die mir angeborene Techie-Brille. Auf geht’s!

Samsung Galaxy Gear: ein hausgemachter Flop

Wirklich gefreut habe ich mich auf die Smartwatch Galaxy Gear von Samsung, die bereits gestern das Licht der Welt erblickte. Nachdem Sony als erster Technikriese mit seiner Android-Smartwatch eher floppte, hatte ich auf die technologische und vermarktungstechnische Expertise des südkoreanischen Mischkonzernes gesetzt.


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Und ja, in den Medien setzte Samsung tatsächlich Zeichen: das Springer-Blatt „Welt“ titelt beispielsweise „Samsung überholt Apple“, der unabhängige „Tagesspiegel“ schreibt „An Apple vorbei“, das Nachrichtenmagazin „Focus“ nennt die Galaxy Gear gar „Super-Smartwatch“. Hui. Offenbar hat die Medienabteilung von Samsung bei einer solchen medialen Außenwirkung der halbgaren Smartwatch gute Arbeit geleistet. Wirklich innovativ ist an dem Konzept nämlich rein gar nichts.

GalaxyGear

Wie bereits angesprochen hat Sony ein sehr ähnliches Produkt schon seit Jahren im Angebot. Hätte Samsung seine Hausaufgaben gemacht und ein stark verbessertes, mächtigeres, konzeptionell eigenständiges Produkt vorgestellt: ich hätte applaudiert. Aber so?

Etwas über ein Tag Akkulaufzeit. Ein mickriges, 1,6-Zoll kleines Display. Rustikales, unaufregendes, durch sichtbare Schrauben „verziertes“ Prototypen-Design. Platz für maximal 10 Apps. 720p-Videos mit einer Länge von höchstens 10 Sekunden. Und zu allem ernüchternden Überfluss noch eine Kompatibilität, die dermaßen am Leben vorbei entwickelt ist, dass der Flop auch bei der Samsung-Smartwatch vorprogrammiert ist. Selbst die Toq-Smartwatch des Chip-Spezialisten Qualcomm, die mit allen Androiden ab 4.0.3 zusammenarbeitet und immerhin mehrere Tage durchhalten soll, stellt die Galaxy Gear des Milliardenkonzerns Samsung auf dem Papier in den Schatten.

Smartwatch? Schnarchwatch!

Summiere ich all diese Faktoren zusammen, komme ich unterm Strich zu dem Ergebnis, dass auf Grund der narkotisierenden Eigenschaften wohl eher „Schnarchwatch“ die passendere Produktbezeichnung für die Samsung-Uhr gewesen wäre. Fies, ich weiß. Aber zutreffend, so schade es ist.

Dadurch, dass die Galaxy Gear nur mit zwei (!) nagelneuen Smartphone-Modellen von Samsung kompatibel ist, sperren die Koreaner ihre eigenen Kunden aus. Okay, für das Galaxy S4 und weitere Modelle folgt ein Kompatibilitäts-Update, doch die übrige Android- und Smartphone-Welt muss draußen bleiben.

Samsung versucht auf Biegen und Brechen einen Lock-In-Effekt für sein eigenes Portfolio zu schaffen, vergisst dabei aber, dass das immer ausgereiftere Android-Ökosystem keinesfalls einen handverlesenen Nebenschauplatz nötig hat. Wäre die Galaxy Gear mit allen Android-Smartphones kompatibel, schufe Samsung sich einen großen potentiellen Markt. Aber so? Ein paar Millionen Galaxy-Nutzer, von denen vielleicht ein Bruchteil bereit ist 300 Dollar für eine halbfertige Smartwatch auszugeben? Wirklich nicht.

Wer behauptet, Samsung ziehe mit diesem unausgereiften Konzept an Apple vorbei, beweist nicht unbedingt technologische Weitsicht. So, nun aber genug Prügel für die Galaxy Gear.

Sony ist mutiger

Die Neuheiten von Sony beweisen etwas mehr Mut. Ganz besonders interessant finde ich die Aufsteck-Objektive Cybershot XQ10 und XQ100, die schon Mitte August durch die Gerüchteküche geisterten. Diese Objektive mit eingebautem Prozessor und Bildsensor werden mit beliebigen Android- und Apple-Smartphones per WLAN oder NFC gekoppelt und nutzen das Smartphone-Display als Sucher. Eine vollwertige Digicam ohne Display und Steuerungstasten also.

Leider ist mir abgesehen von der preislichen Positionierung (ab 200 Euro für das XQ10) unterhalb der vollwertigen, ähnlich leistungsfähigen Cybershot-Kameras noch nicht wirklich klar, welchen Vorteil und welche Zielgruppe diese Hightech-Aufstecker letztlich haben sollen. Ich halte es ähnlich wie „Golem“ im Fazit bei einem ersten Test der Aufsteck-Module.

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Wer wirklich knackscharfe Fotos ohne Rauschen schießen will, der kauft ohnehin eine vollwertige Digitalkamera oder greift zur Spiegelreflex mit hochwertigem Objektiv, schleppt somit zwei Geräte mit sich herum. All jene weniger Tragefreudigen, die mobil einigermaßen qualitativ fotografieren wollen sind bei Foto-Smartphones wie dem Lumia 1020 oder dem Sony Xperia Z richtig. Ironisch: Am Xperia Z bessert Sony jetzt zeitgleich zur Einführung der Aufsteck-Objektive nach und schafft sich so hausgemachte Konkurrenz.

Das Xperia Z erhält zur IFA einen Nachfolger, das Xperia Z1. Die Unterschiede zum Xperia Z stecken im Detail. Beispielsweise löst die Kamera jetzt mit satten 20,7 Megapixeln auf. Beim Design tut sich nicht viel: So sind die Ecken des 5 Zoll großen Full-HD-Displays weniger scharfkantig als beim Vorgänger. Im Inneren kommt jetzt ein Snapdragon 800 mit 2,2 Gigahertz und vier Kernen zum Einsatz. Eine eher unaufregende aber in der schnelllebigen Elektronikbranche notwendige Produkt-Evolution.

Verbessertes Kopfkino

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Zwar eher für die Nische und trotzdem erwähnenswert: die dritte Auflage der Kinobrille HMZ-T3 kann Daten jetzt auch kabellos übertragen und Töne hochauflösend in HD und 7.1 wiedergeben. Der Clou an der Sache: zwei OLED-Bildschirme in der Brille simulieren dem Träger eine Bilddiagonale von 750 Zoll bei einer Entfernung von 20 Metern. Verfügbar ist das Kopfkino ab November zum Preis von 1.299 Euro.

Ein stolzer Preis, für den man auch einen recht großen LED-Fernseher samt Heimkino-System bekommt. Allerdings oft auf Kosten des Nachbarschaftsfriedens. So kann ein starker Subwoofer auch ein Fluch sein – ich spreche aus Erfahrung. Die HMZ-T3W-Brille hat somit in jedem Fall ihre Daseinsberechtigung und unterstreicht wie auch die hochqualitativen Ansteck-Objektive für Smartphones, dass Sony weiterhin bereit ist mit mutigen, riskanten Konzepten am Markt aktiv zu sein.

Mega-4K-Tablets und UHD-TV-Preisfall

Neben den mobilen Funkneuheiten stehen auf der IFA auch Tablets und Fernseher im Zentrum des Interesses. Panasonic zeigt mit seinem neuen 20 Zoll großen Toughbook, was technisch heutzutage möglich ist.

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Das Windows-8-Tablet richtet sich an professionelle Anwender und kommt mit Ultra-HD-Auflösung von 3.840 x 2.560 Pixeln zum Kunden. Trotz seiner Größe wiegt das riesige, 12,5 Millimeter dicke Toughpad verhältnismäßig geringe 2,35 Kilogramm. Im Inneren werkelt ein Intel Core i5 in Verbindung mit 8 Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher und einer Grafikkarte von Nvidia. Der SSD-Speicher beträgt 256 GB, USB 3.0 ist integriert.

Sicher ist das Toughbook kein Spielzeug für den Otto-Normal-Verbraucher, sondern wirklich ausschließlich für den Business-Gebrauch konzipiert – so dürfte alleine schon der Endpreis von über 5.300 Euro den potentiellen Kundenkreis rapide lichten. Designer und Vertriebler, die trotz dieses Wermutstropfens weiterhin Verwendung für das Toughbook haben, können dieses ab November käuflich erwerben. Eine aufgebohrte Pro-Version für aufwändige CAD-Berechnungen oder Videobearbeitung soll kurz darauf folgen.

Neue Preisrunde bei Ultra-HD-Fernsehern – dank Toshiba

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Abschließend noch eine sehr begrüßenswerte und wie ich finde überraschende Ankündigung von Toshiba, welche die Marktkräfte auf dem noch sehr jungen Ultra-HD-Markt neu ordnen dürfte. Der 58 Zoll große UHD-Fernseher 58M9363DG geht in Kürze zu einer unverbindlichen Preisempfehlung von 2.999 Euro an den Start. Ein ansehnlicher Kostenschnitt, betrachtet man die bisherigen Konditionen für Fernsehgeräte mit vergleichbarer Auflösung.

Scheint, als sei damit der Preiskampf bei kleinen UHD-TV-Geräten eingeläutet und die Bezahlbarkeit bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 auf den Weg gebracht. Das geht noch günstiger!

Fazit: mehr Evolution als Revolution

Bisher ist die IFA in Berlin eher eine Messe, auf der notwendige Evolution an der Tagesordnung ist. Wirklich revolutionäre, wegweisende Produkte sucht man leider vergebens, auch wenn die ein oder andere PR-Abteilung dies anders kommuniziert. Die Samsung-Smartwatch Schnarchwatch Galaxy Gear ist zwar in jedem Falle ein mutiger, nötiger Schritt, um eine neue Produktkategorie auf den Weg zu bringen. Jedoch hakt die Umsetzung an zu vielen Stellen, als dass von einer Revolution die Rede sein kann.

Das ist nämlich der kleine, aber feine Unterschied zwischen Innovationen bei Samsung und Apple – bei Samsung geht es um Geschwindigkeit und ein möglichst breites Portfolio. Anders bei Apple: sollten die Amerikaner wirklich bald eine iWatch präsentieren kann sich der Kunde sicher sein, kein derart unausgereiftes Stück Technik zu erhalten. Denn Schein-Innovator zu sein reicht für nachhaltigen, langfristigen Erfolg alleine nicht aus.

Ich bin gespannt, was die folgenden Tage der Messe noch hervorbringen. Vielleicht werden wir Technikfans doch noch überrascht?

Bilder: LGEPR / flickr, Samsung, Sony, Panasonic, Toshiba

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

11 Kommentare

  • Danke für einen wie ich meine guten Bericht, insbesondere die Zeilen zur Samsung Schnarchwatch sind treffend 🙂

  • Wer jeden mal erwartet das es immer ein großen Durchbruch kommen wird, der ist selber schuld.

    In die letzten Jahren gab es gerade bei Geräten mit dem man mobil ins Internet gehen kann, viele Neuerungen.

    Jetzt scheint eine zeit zu sein wo es nur marginale Verbesserungen gibt. Selbst Apple bietet derzeit und zumindest für die kommenden 12 Monat nichts wirklich neues.

    Vielleicht sieht die Situation ende 2014 anfang 2015 anders aus?

  • Die Uhr von Samsung kommt mir auch vor als schnell zusammengelötet.

    Wer bitte brauch ne Uhr mit Kamera?

    Aber wie viele die Laufen wollen eine Uhr die individueller mit Apps bestückt werden kann.
    das sind doch Riesen Zielgruppen. Da reichen auch 10 Apps und ne Uhr mit bewegubgssensot und GPS und gut. Laufen, Schlagzeiten, Schrittzähler usw…

    Nike macht das schon gut mit der + aber der fehlen die Apps.
    Wer will schon mit ner Uhr telefonieren?
    Oder mit dem iPad?

    Meine Casino hat Solar und Funk Zeiteinstellung.
    Die Batterie lädt sich selbst, die Uhr stellt sich selbst.
    Eine Uhr muss lange laufen!

    Also: macht in die Nike+ android rein und wifi und fertig ist die perfekte Uhr.
    Auch mit nur 10 speziellen Apps (kein Facebook am Handgelenk)

    • Finde die Nike-GPS-Uhr auch ziemlich schick. Denke insbesondere auf dem Fitness-Sektor haben solcherlei Uhren ein wirklich großes Potential. Aber eben auch nur dann, wenn der Akku lange durchhält, sodass die Smartwatch die „normale“ Armbanduhr voll ersetzen kann. Denn täglich mehrere Male die Uhr zu tauschen nervt.

  • Bis auf einige Nischenprodukte wird die Technik eigentlich immer „Langweiliger“ bzw Gleich.
    Im Prinzip sind alles vom 60 Zoll Smart-TV über Tablet’s, Smartphone bis zur Smartwatch oder MP3 Player identische Geräte welche auf der gleichen Technik und Innenleben beruhen.
    Im Grunde erleben wir gerade eine starke Vereinheitlichung der „Unterhaltungsgeräte“ welche sich kaum noch in der Funktion sondern ihrer Größe und eingeschränkten Designmitteln unterscheiden.
    Man könnte fast behaupten es gibt nur noch ein Produkt in Unterschiedlichen Varianten …..

  • Klarer Gewinner bisher: Sony.

    Verlierer: Samsung – die Schnarchwatch ist echt der Knaller und zeigt einmal mehr, dass Samsung nur eines gut kann: Kopieren!!!!

  • Die Meinung zur Smartwatch und Aufsteckobjektiven teile ich.
    Wer schon keine Kamera mitschleppen will, wird kaum ein Objektiv einpacken wollen.
    So eine Smartwatch fände ich super, wenn sie denn ein vollwertiges Smartphone wäre. Aber so ist sie flüssiger als Wasser.

    4K halte ich für eine Totgeburt. Die nötigen Betrachtungsabstände sind praxisfern und bis heute ist nicht einmal Full-HD Standard. Es wird wohl so laufen wie bei 3D Fernsehern – es ist drin, aber nutzen tut es kaum jemand.

  • @ben

    100% agree bezüglich 4k.
    ein UHD-TV bringt mir recht wenig wenn dass angebot dafür recht überschaubar ist. klar muss die entwicklung weitergehen, aber dann müssen die hersteller auch den bildproduzenten bzw vertreiber in den arsch tretten dass sie solche inhalte auch anbieten. ohne inhalte wird es auch kaum käufer geben.

  • @ben
    Ich denke schon das sich die 4K Technik Durchsetzen wird, besser als die 3D Technik.
    Es ist der gleiche Effekt wie bei den „Retina Display“ in Smartphone oder Laptop oder auch HD zu SD TV. Wer einmal die höhere Auflösung gesehen hat möchte dann nicht mehr zur grobpixligeren Auflösung zurück.
    Das große Problem und da gebe ich @peter recht werden die Inhalte sein, denn unsere ÖR Sender schaffen es ja trotz Mrd. Gebühren bisher noch nicht einmal in „Full HD“ (1080p) zu Senden.
    Schon durch die Riesen Datenraten wird dies wohl vorerst Pay-TV bleiben , ganz zu schweigen vom zu erwartenden Internet Traffic sollte dieses Format schnell Furore machen … jedenfalls ist es mit der Telekom Drossel oder mobilen Volumen Tarifen nicht machbar.