Sonstiges

Radio Charivari und das verkorkste Facebook-Gewinnspiel um 10.000 Euro (Update – Äußerung des Senders)

geschrieben von Tobias Gillen

10.000 Euro für einen Kommentar auf einer Facebook-Pinnwand? Klingt nach leicht verdientem Geld. Problematisch wird es aber, wenn es der letzte Kommentar sein soll – und kein finaler Zeitpunkt genannt wurde.

95.5 Charivari

10.000 Euro in großen Scheinen

Radio 95.5 Charivari („Münchens Hitradio“) hat sich jetzt genau mit einer solchen Aktion ein schönes Eigentor geschossen. Gestern lobte der Sender aus: „10.000.- Euro!!!! Der letzte Facebook-Kommentar bekommt die Kohle!!!“ Dazu ein Foto der beiden Moderatoren Herold und Jenna, die die 10.000 Euro in 500-Euro-Scheinchen in die Kamera halten.

Auf den ersten Blick ist die Aktion gut gemacht: Das Bild und das Geld sorgen für Aufmerksamkeit, der Post ist kurz und knackig und kann gut weitergeteilt werden und die Aufgabe ist so einfach, dass sie wirklich jeder versteht… Oder, doch nicht? Denn was genau ist mit „der letzte Facebook-Kommentar“ gemeint? Der letzte Kommentar aller Zeiten auf Facebook? Im Jahr 2149, wenn Facebooks Server dann endlich zusammengebrochen sind, weil sie Daten in der Größe eines NSA-Rechenzentrums zu speichern versuchten? Oder der letzte Kommentar auf der Fanseite, bevor man das Bild wieder löscht? Aber wann wäre das? Und wie überhaupt will man das feststellen? Und… ach, egal.


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Mit der Aktion überfordert

Jedenfalls dürfte feststehen: Radio Charivari hat sich mit diesem „Gewinnspiel“ gehörig übernommen. Denn das Feedback auf diese Aktion war für eine Seite mit 28.700 Likes überwältigend groß: Mehr als 15.000 Likes, über 1.000 Shares und – festhalten – weit über 250.000 500.000 Kommentare schenkten dem Sender eine Menge Aufmerksamkeit.

Für Radio Charivari allerdings nicht in der Form, in der man es sich gewünscht hätte. Die Kommentarflut glich zuletzt einem Shitstorm, immer mehr Kommentatoren fragten nach der Glaubwürdigkeit solcher Aktionen, beleidigten den Sender und ließen ihrer Wut freien Lauf. Über die Art und Weise lässt sich streiten, über den Grund dafür aber nicht. Denn zu Unrecht steht der Sender hier nicht in der Kritik.

 

Nachdem die Aktion dann vollends aus dem Ruder lief, machte Facebook dem Elend ein Ende und löschte das Posting. Es verletze „die Standards der Facebook-Gemeinschaft“, schreibt das Unternehmen. Radio Charivari, offenbar weiterhin in dem Glauben, dass das eine gelungene Aktion war: „Leider hat uns von facebook gerade folgende Meldung erreicht.“

Facebooks „Promotion“-Richtlinen nicht beachtet

Interessant wird es, wenn man sich Facebooks Regeln für eine Verlosung (bei Facebook „Promotion“ genannt) ansieht. Seit Kurzem ist es nämlich auch möglich, Gewinnspiele nicht mehr nur über eine App, sondern auch auf der Pinnwand durchzuführen. Allerdings unter einigen Bedingungen, etwa:

Promotions auf Facebook müssen folgende Elemente enthalten: Anerkennung, dass die Promotion in keiner Verbindung zu Facebook steht und in keiner Weise von Facebook gesponsert, unterstützt oder organisiert wird.

Das bedeutet, dass ein Satz wie „Dieses Gewinnspiel steht nicht in Verbindung mit Facebook“ Pflicht ist. Dieser fehlt bei Radio Charivari.

Wenn du Facebook nutzt, um über eine Promotion zu berichten bzw. diese zu organisieren (z. B. einen Wettbewerb oder eine Verlosung) bist du für die den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Promotion verantwortlich, einschließlich: Angebotsbedingungen und Auswahlkriterien

Bedeutet: Eine Bedingung wäre etwa gewesen, einen Start- und einen Endzeitpunkt festzulegen und zu kommunizieren. Zudem mögliche Einschränkungen, wenn es sie denn gibt, wie „Erst ab 18 Jahren“ oder „Nur für Teilnehmer in Deutschland“.

Weiterer Beispiele bedarf es eigentlich schon nicht mehr, wenngleich Radio Charivari sicherlich noch gegen andere Regeln verstoßen hat. Man darf wohl annehmen, dass eine „Einholung notwendiger regulatorischer Genehmigungen“ und Co. nicht erfolgt sind. Demnach hat der Sender die Bedingungen von Facebook fast in Gänze ignoriert – und Facebook durchaus das Recht, dem ein Ende zu setzen.

Wer hat denn nun gewonnen?

Eine Frage ist aber nach wie vor offen: Wer hat denn nun die 10.000 Euro gewonnen? Schließlich – und das ist die Ironie an der Sache – gibt es inzwischen ein Ende der Aktion – und damit auch einen letzten Kommentar. Radio Charivari schweigt sich dazu aus und provoziert dadurch gleich die nächste Shitstorm-Welle. Ein Nutzer postet:

WER hat den nun den letzten Kommentar gepostet? Nun wurde die Aktion, wenn auch durch einen Dritten, beendet UND es gibt den letzten Kommentar. Heißt die 10.000,- Euro MÜSSEN ausbezahlt werden. Rechtlich betrachtet stand in der Beschreibung NICHT, dass die Aktion durch Charivari beendet werden muss, sondern es ging um den letzten Kommentar.

Ein weiterer:

Hoffentlich kostet euch diese dubiose und leicht betrügerische PR-Aktion RICHTIG viele Hörer.

Ein nächster (in von uns grob korrigierter Version):

Tolle Verarsche, 95.5 Charivari, nächstes mal vielleicht vorher sicher erkundigen was die Bedingunge(n) für sowas sind als einfach drauf los machen…. macht euch sehr unsympathisch und auch etwas dümmlich ! Aber respekt(.) niemand hat es geschaf(f)t(,) so schnell so viele Leute zu vera(a)rschen(;) großes Lob ! Euer Sender? Nie wieder(.)

Wieder andere fordern, das Geld zu spenden; viele sind – durchaus nachvollziehbar – einfach nur wütend und enttäuscht. Wie der Sender nun mit dem PR-Disaster umgehen will, hätten wir ja allzu gern gewusst. Leider gab es bislang keine Antwort auf unsere bereits gestern gestellte Anfrage. Sobald da noch etwas kommt, werden wir den Post entsprechend ergänzen.

Update, 16:10 Uhr: Selbstverständlich verstößt das Gewinnspiel von Radio Charivari auch gegen geltendes deutsches Recht (§4 Nr. 6 UMWG), wie uns ein Leser auf Facebook freundlicherweise mitteilte.

Update, 17. Oktober: Von Einsicht ist bei Radio Charivari nichts zu erkennen. Statt einer Entschuldigung gibt es lediglich die Info, dass das Geld eventuell gespendet wird.

 

Update, 18. Oktober: Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke hat gegenüber BASIC thinking zu den rechtlichen Hintergründen derartiger Facebook-Gewinnspiele Stellung bezogen und sagt klar: „Ein solches Vorgehen ist nicht rechtmäßig.“

Bild: Screenshot

Über den Autor

Tobias Gillen

Tobias Gillen ist Geschäftsführer der BASIC thinking GmbH und damit verantwortlich für BASIC thinking und BASIC thinking International. Seit 2017 leitet er zudem die Medienmarke FINANZENTDECKER.de. Erreichen kann man ihn immer per Social Media.

16 Kommentare

  • Rechtlich lässt sich der Fall wie folgt einordnen:

    Die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sind nicht klar und eindeutig angegeben, so dass jedenfalls ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt.
    Anwendbar könnte auch § 4 Nr. 2 UWG sein, da mit dieser Werbemaßnahme die Leichtgläubigkeit der Teilnehmer möglicherweise ausgenutzt wird.

    Ein Verstoß gegen die Gewinnspiel-Richtlinien von Facebook kann allerdings nicht über das Wettbewerbsrecht geltend gemacht werden, da allgemeine Geschäftsbedingungen nicht von der Norm umfasst sind. Ein Zuwiderhandeln gegen diese internen Vorschriften stellt allerdings einen Vertragsverstoß dar und ermächtigt Facebook dazu, den Account zu sperren oder sogar ganz zu löschen.

    Einen Verstoß gegen die Vorschrift des UWG können nur die in § 8 Abs. 3 UWG genannten Personenkreise geltend machen, also Mitbewerber, Verbände wie z.B. die Verbraucherverbände oder Industrie- Handels- und Handwerkskammern.
    Teilnehmern bzw. Verbrauchern steht ein Unterlassungsanspruch aus dem Wettbewerbsrecht nicht zu.

    Teilnehmer können allenfalls das Verhalten bei Facebook melden und somit einen Ausschluss des Betreibers oder zumindest eine Löschung des Gewinnspiels herbeiführen.
    Gemäß § 661a BGB hat derjenige, dem eine Gewinnzusage mitgeteilt wird, auch einen Anspruch auf den Preis, so dass er diesen auch einklagen kann.

    Ein rechtlicher Anspruch für die übrigen Nutzer, dürfte sich aufgrund der bloßen Teilnahme bei dieser Aktion nicht ergeben, da das Geld ausdrücklich nur einem Teilnehmer versprochen wurde und nicht wie während des Gewinnspiels vereinzelt kommentiert, jedem letzten Teilnehmer innerhalb des entsprechenden Zeitfensters.

    Derartige Gewinnspiele haben vertraglichen Charakter. Aus den „ Bedingungen“ lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Betreiber des Gewinnspiels den Preis mehrfach ausloben wollten, sondern lediglich unter der Bedingung, dass der letzte Teilnehmer „ wie auch immer dies ausgestaltet sein mag“ den Preis erhalten soll.

  • Was für ein Eigentor! Aber trotzdem klasse. Vielleicht schreckt das andere ab die ähnliches vorhaben.

  • Jetzt lasst mal die Kirche im Dorf! Dumm und ungeschickt auf jeden Fall. Aber das kann doch mal passieren. Ich hatte auch die Aktion gesehen und mir war relativ schnell klar, dass die Mischung aus Geldgier, Einfachheit der Teilnahme und Benachrichtigungsfunktion zu einer theoretischen Unendlichkeit der Aktion führen wird – und mir die Teilnahme gespart. Aber nicht jeder ist so firm mit SM. Klar, eigentlich erwartet man, dass im Jahr 2013 Firmen mit SM Experten aufgerüstet haben. Vergesst nicht: Das ist ein kleiner Radiosender. Also regt euch lieber um wirklich böse und schlimme Dinge auf. Zum Beispiel Limburg oder die lächerlichen Koalitionsverhandlungen. Aber nicht um zwei ungelenke Moderatoren.

    • Limburg oder Koalitionsverhandlungen tangieren nur leider nicht die Themenbereiche von BASIC thinking. Und das hier hat nichts mit „zwei ungelenken Moderatoren“ zu tun, sondern mit einer jungen Hitwelle (!), die – und das unterstelle ich jetzt einfach mal – ganz genau weiß, wie Facebook funktioniert. Mit der Aktion ist ein Problem aufgetreten und wir haben es dokumentiert, demnach: Kirche ist im Dorf, alles gut.

  • An diesen wunderbaren Epic Fail kann man gut erkennen: Leute, die absolut keine Ahnung von Jura, kein Gespür dafür oder auf keine rechtlichen Informations-/Beratungsquellen zurückgreifen können, sollten bitte die Finger von Social Media lassen.

    Ich hoffe, es ist nicht zu dreist, wenn ich hier über meine Masterarbeit spreche: In einer sehr gut gelaufenen Umfrage habe ich Kommunikationsexperten aus DAX, MDAX und großen Agenturen gefragt, in wie weit rechtliche Fragestellungen im PR-/IR-Alltag auftauchen. Hier die Ergebnisse speziell für Personen, die oft oder sehr oft mit Social Media Kommunikation in Berührung kommen: http://www.slideshare.net/MHaker/ergebnisse-masterarbeit-social-media-2

  • Ich denke das Radio Charivari nicht das einzige Unternehmen ist, welches so unprofessionelle Gewinnspiele über die Sozialen Medien veranstaltet. Mir ist bisher kaum ein Berufszweig untergekommen, in dem Amateure oder schwarze Schafe unterwegs sind, als die bei den sog. Social Media Consultants.

  • Ich hab mal für ’nen Radiosender gearbeitet. Es gibt auch Gewinnspiele von kleinen Radiosendern, bei denen keiner anruft und man dann einfach nach einer Stunde ’nen Praktikanten schnappt, der anruft, damit der Kunde, der die Werbeaktion bezahlt Erfolgsergebnisse berichtet bekommt.

    Wir hatten damals auch Aktionen wie „3 Treffer hintereinander auf eine Torwand ergibt 5.000 €“, wobei klar war, dass das unwahrscheinlich ist und das Geld nie ausbezahlt werden muss.

    [Infos für die Admins: Ich hab meinen Namen hier geändert, die Mailadresse stimmt]

  • Ich glaube durch diese Gewinnspiele will man doch nur an potentielle Kunden kommen, bzw. ihre Daten ergattern. Im Endeffekt geht man auf die Bedingungen, wie Liken, ein und gewinnt wahrscheinlich trotzdem nichts. Es erscheint mir bei manchen Gewinnspielen alles nur gestellt. Scheinbar sieht man uns Facebookuser als leichte Beute an. Also ich denke man sollte diese Masche doch nicht weiterhin unterstützen!