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#Netzmüll:er der Woche: Die Abgründe des Bendgate-Hoax

geschrieben von Michael Müller

Netzmüller

Danke, Apple. Danke, dass du so polarisierst. Und ein allerherzlichstes Danke für #Bendgate. Der Vorfall und all seine digitalen Auswüchse zeigen in all ihrer Lächerlichkeit die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Missstände auf. Im eigenen Selbstverständnis von Apple, im Journalismus, in der Öffentlichkeit und auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Thema im #Netzmüll:er der Woche.


Neu: In seiner Kolumne #Netzmüll:er der Woche schreibt unser Autor Michael Müller ab sofort regelmäßig mit spitzer Feder und klarer Kante über bedeutende und manchmal auch unbedeutende Netzphänomene.


#Bendgate also. An wem es vorüber ging: ein Social-Media-Schlagwort für den drohenden PR-Super-GAU leicht biegsamer iPhones. Das Netz tobte, Twitter pulsierte, beflügelt von Journalisten und Bloggern, die sabbernd in die Tasten hauten. Zugegeben, auch ich hätte mich vor Wonne zugespeichelt, wenn das neue iPhone 6 Plus tatsächlich biegsam gewesen wäre wie ein Löffel von Uri Geller. Was für eine Story!!!!111eins


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Wenn sie denn wahr wäre.

Nach dem öffentlichen Aufruhr, der Erquickung und Häme in Richtung Cupertino, folgte auf dem Zenit der aufgeladenen Bashing-Geilheit prompt deftige Ernüchterung – neun neue iPhone 6 Plus wurden auf Grund von akuter Verbiegung reklamiert und kostenfrei umgetauscht, gab Apple leicht verspätet gegenüber dem „Wall Street Journal“ bekannt. Weniger als 10 Geräte also, in Relation zu 10 Millionen verkauften iPhone 6 und iPhone 6 Plus am ersten Verkaufswochenende. Ein Promillewert, der nicht nur Bayern in Zeiten des Oktoberfestes mehr als lächerlich erscheint.

Ein Hoax: Olé

Kurz gesagt: #Bendgate ist nichts weiter als ein Hoax. Eine Falschmeldung. Netzmüll. Und doch so wichtig.

Die Reaktion der Presselandschaft zeigt einerseits, wie sehr die Öffentlichkeit auf Fehler der Marktmacht Apple giert. Ein eher deutsches, im Neid begründetes Phänomen? Durchaus auch mit witzigen Auswüchsen und Netzphänomenen, beispielsweise dem Nudelholz von Karsten Schmehl, das um die Welt ging:

Ebenso zeigt sich, wie müde die deutschen Leitmedien in puncto Recherche geworden sind. Wohin man blickt, stets nur zusammen recherchiertes Drumherum zu #Bendgate. Bei Apple nachgefragt hat keiner, so scheint es. Zugegeben, auch wir haben berichtet ohne nachzufragen. Woher kommt das? Weil die Erfahrung lehrt, dass Apple – wenn überhaupt – nur denen antwortet, die es wert sind. Verschwendete Kapazitäten also.

Wodurch sich die Brücke zum arg fragwürdigen Selbstverständnis von Apple schlagen lässt. Vielleicht hat nämlich sogar doch der ein oder andere Kollege bei den Göttern in Weiß nachgehakt, jedoch schlicht keine Antwort erhalten. Wäre stimmig. Darf aber nicht stimmig sein. Dazu passt die pikierte Reaktion von Apple auf ein #Bendgate-Video, das die „Computerbild“ teilte. Bisher eines der wenigen deutschen Medien, die von Apple größte Beachtung genossen, zu Keynotes geladen und vorab mit Testgeräten versorgt wurden. Doch jetzt: vorbei die Liebelei…

Humorloser Aktionismus

Zeigt sich eine weitere Schwäche, und zwar im öffentlichen Selbstverständnis von Apple. Statt die #Bendgate-Geschichte mit Humor zu nehmen und die Presse parallel aktiv darüber aufzuklären, wie lächerlich wenige iPhones reklamiert wurden, ein Schuss vor den Bug des Springer-Blattes. Eine langjährige fruchtbare Kooperation zu einem Leitmedium zerschossen. Unüberlegt. Aus Trotz. Etwas, das sich nur Apple erlauben kann, aber niemand erlauben darf.

Bleibt zu hoffen, dass Apple irgendwann von seinem hohen Ross herabsteigt. Denn so wunderbar die Lösungen auch sein mögen, so seltsam abgehoben ist doch das öffentliche Selbstverständnis.

In diesem Sinne,

Der Netzmüll:er

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

16 Kommentare

  • Wow, Apple muss die Journalisten hart getroffen haben, sehr hart.

    Worin besteht das Recht einer Publikation Testgeräte von einer Firma zu bekommen? Warum ist es Macht, wenn eine Firma kein Testgerät an eine Publikation schickt?

    Schreibt doch einfach nicht mehr über Apple, das war früher auch schon so, also nichts Neues.

    Das ist ja wie bei Google: man will nicht mit ihnen (weil eigentlich total doof) und will aber auch nicht ohne…

  • Wirklich nur eine Ente? Natürlich lassen sich die verbogenen iPhones auf unsachgemäßen Umgang zurückführen aber dabei sei doch angemerkt, dass ähnliche Produkte auf dem Markt bei gleicher Belastung scheinbar nicht zu plastischer Verformung neigen. Zugegeben das Video von Computerbild ist sehr polarisierend und stellt sicher kein reproduzierbares Experiment dar aber deshalb wird daraus wohl noch lange keine Falschmeldung. Letztendlich war wohl die Reaktion von Apple, also keine Reaktion zu zeigen, PR-technisch die beste Entscheidung. So gab es ein paar Wochen lang eine Menge zu lachen, und nachdem die Aufmerksamkeitsspanne der Netzgemeinde erschöpft war, hat Apple die Fakten rausgerückt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Shitstorm ganz andere Ausmaße angenommen hätte, wenn Apple gleich gegengerudert hätte. Im Gegensatz dazu ist wohl die Abstrafung von Computerbild mit Sicherheit keine Glanzleistung und in meinen Augen der eigentliche Skandal.

  • Haben die jedes zurückgegebene Iphone auf Biegungen untersucht und dann auch mitgezählt? Wohl kaum! Da gibt es ja auf Youtube allein schon mehr verbogene iphones („bend iphone“ hat 286.000 treffer!). Ausserdem wenn man das Ding statt einer Woche 2 Jahre benutzen will muss man die Biegewarcheinlickeit mit 104 Multiplizieren dann ist man vermutlich nicht mehr im Promillebereich. Zumal die meisten vermutlich mit nem ganz neuen iPhone umgehen wie mit einem Rohen ei. Mit altgeräten geht man aber ganz bestimmt anders um.

  • Na ja! Das mit der Offenheit ist so eine Sache. Man hat eher den Eindruck, dass was zugedeckt werden soll. Dein Kommentar weißt ebenfalls in die Richtung, wenn ohne jede Sachauseinandersetzung von einem „hoax“ die Rede ist, basierend auf der dünnen Apple-Stellungnahme, es seien nur neun Geräte reklamiert worden. Letzteres muss offensichtlich geglaubt werden, sonst ist man ein Verschwörungstheoretiker.
    Wie dem auch sei. Werdet glücklich mit euerem iphone 6!

  • @Bernhard

    Wenn Du eine „Verschwörung“ aufdecken willst, dann verbring doch einen Tag in einem Apple Store an der Genius Bar, um zu sehen, wie viele wütende Kunden ihr iPhone reklamieren.
    Ist alles öffentlich!

  • Obwohl ich selbst ein iPhone 6 gekauft hab, bin ich genau wie ihr äußerst unzufrieden mit dem Umgang mit #Bendgate seitens Apple.
    Aber als iP6 Besitzer hat man momentan ein hartes Los! – Blöde Kommentar wie: „Und ist deines auch schon verbogen“ höre ich ständig

  • Wie genau ist „der Woche“ eigentlich gemeint, wenn das Ding dann auch nicht wöchentlich erscheint?!

  • Da will ein riesen Unternehmen einfach mal schnell die Pressefreiheit lenken und das klappt meist wohl auch noch… Die Frage die sich mir hier stellt ist allerdings in diesem Zusammenhang: Wollte Apple vllt. frühzeitig verhindern dass der Hoax publik gemacht wird? Immerhin sind heutzutage mittlerweile ja eigentlich alle der Meinung, dass Bendgate ein Hoax war… Das Verbiegen mit roher Gewalt stellt auch nicht wirklich einen Beweis dar.