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Tagebuch einer digitalen Nomadin: Was zum Geier sind digitale Nomaden?

Digitale Nomaden
geschrieben von Marinela Potor

Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Im Tagebuch einer digitalen Nomadin berichtet Marinela wöchentlich auf BASIC thinking von ihren Reisen, was es mit dem Leben aus dem Rucksack auf sich hat und warum es sich lohnen kann, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.

Cincinnati Ohio USA

Hier ist Marinela aktuell: Cincinnati, Ohio, USA

Liebes Tagebuch,

wir schreiben das Jahr 2010. Es ist das Jahr, in dem ich zur digitalen Nomadin werde. Ohne den Ausdruck jemals vorher gehört zu haben. Ohne zu wissen, dass dies zu meiner neuen Lebens- und Daseinsform werden wird. Im Jahr 2010 lebe ich in Chiles Hauptstadt Santiago. Eigentlich bin ich hier nur durch Zufall gelandet, als aus einem weinseligen Abend mit einer Freundin ein Flugticket nach Santiago de Chile wurde. Eigentlich wollte ich auch nach sechs Monaten wieder nach Deutschland zurückfliegen. Mittlerweile bin ich schon seit sieben Monate in Santiago. Ich lebe in einer Stadt, die mich fasziniert und arbeite in einem Job der mich begeistert – der aber neben der Miete auch leider so gut wie nichts zum Leben übrig lässt. Und so erinnere ich mich eines Tages daran, dass ich eine journalistische Ausbildung habe und schon immer gerne und viel geschrieben habe.


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„Da muss es doch irgendwo in diesem großen weiten Internet irgendwas für mich zu tun geben“, denke ich mir. Und das gibt es! Ich stoße auf eine Seite, in der Texter gesucht werden. Ich bin mir nicht ganz sicher was das heißt, aber es klingt nach Texte schreiben, und das kann ich. In meinem Bewerbungsgespräch werde ich gebeten, einen kurzen Text zu verfassen und werde dann gefragt, ob ich schon mal als SEO-Texterin gearbeitet habe. SEO? Ich habe keine Ahnung was das ist und sage: „Ja, natürlich.“ So stolpere ich mehr schlecht als recht in das weite Feld der digitalen Nomaden. Fünf Jahre später verdiene ich mein Geld nicht nur als SEO-Texterin und Online-Marktfrau, sondern auch als Bloggerin, Onlinejournalistin und Übersetzerin. Meinen festen Wohnsitz in Chile habe ich 2012 aufgegeben und reise seitdem mit meinem Rucksack, meinem Laptop und meinem Freund von Kontinent zu Kontinent.

Den digitalen Nomaden auf der Spur

Ich selbst habe mich lange nicht als digitale Nomadin gesehen. Ich habe einfach online gearbeitet und bin gereist. Erst als ich einmal einem Bekannten meine Lebenssituation erklärte, sagte dieser gleich: „Ach, du bist eine dieser digitalen Nomaden.“ Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass wohl nicht nur ich auf diese geniale Lebensform gekommen bin, sondern dass es „da draußen“ noch eine ganze Menge anderer verrückter Hühner (um es mit den Worten meiner Eltern zu sagen) gibt, die sich genau wie ich als digitale Nomaden durchschlagen. Doch wer sind diese digitalen Nomaden? Was macht sie aus? Wie leben sie? Und was steckt eigentlich hinter diesem Phänomen?

Die Geburt der der digitalen Nomaden

Wikipedia definiert den Begriff folgendermaßen: „Ein Digitaler Nomade ist ein Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und der einen Lebensstil führt, der eher als nicht sesshaft, ortsunabhängig oder multilokal zu bezeichnen ist.” Mit anderen Worten: ein digitaler Nomade ist sowas wie ein Nerd, der mehr oder weniger sesshaft ist. Das klingt viel nüchterner als die ersten idealistischen Zukunftsvisionen von digitalen Nomaden. Denn bereits in den 1960er Jahren hat der wohl bedeutendste und einflussreichste Medienwissenschaftler aller Zeiten, Herbert Marshall McLuhan, von einer Welt geträumt, in der sich Menschen durch digitale Errungenschaften blitzschnell durch Raum und Zeit bewegen können, ohne an einen Ort gebunden zu sein.

Cincinnati, Ohio

Cincinatti, Ohio (Bild: Marinela Potor)

Er nannte sie „Nomaden“. Gut 20 Jahre später waren es schließlich Tsugio Makimoto und David Manners, die 1980 gemeinsam ein Buch herausbrachten*, in dem zum allerersten Mal der Ausdruck „digital nomad“ im Titel stand. Auch sie stellten sich eine Welt voller verrückter technischer Erfindungen vor, in der Menschen unabhängig von Zeit und Raum arbeiten würden. Doch was keiner dieser Visionäre vorhersehen konnte, war die Erfindung des Internets und, vor allem, des WLANs. Das mobile Internet ermöglicht es uns, an fast jedem Ort der Welt mit dem Rest der Welt verbunden zu sein – und das fast ohne jegliche Zeitverzögerung. So wurden dann auch in den 2000ern zum ersten Mal Menschen gesichtet, die entweder im Homeoffice oder vom Nachbarschaftscafé aus an ihren Computern arbeiteten – die urbanen oder digitalen Nomaden.

Unabhängigkeit statt Mobilität

Die digitalen Nomaden unterscheiden sich dabei von ihren wandernden Artgenossen. Während nomadische Völker tatsächlich nie lange an einem Ort verweilen, muss dies auf digitale Nomaden nicht unbedingt zutreffen. Ein digitaler Nomade kann ein jetsettendes Fotomodell sein, ein Jugendlicher an seinem Smartphone in Seoul oder jemand, der noch nie sein Heimatdorf in Bayern verlassen hat. Ein digitaler Nomade hat vielleicht noch nie in einem Flugzeug gesessen oder seine Adresse geändert und ist trotzdem ein digitaler Nomade. Was diese Lebensform also wirklich auszeichnet ist nicht örtliche Mobilität, sondern Unabhängigkeit vom Ort. Es geht nicht darum, wie oft und schnell man den Ort wechselt, sondern darum, dass man unabhängig von Ort und Zeit arbeitet.

Digitale Nomaden

Marinela arbeitet als digitale Nomadin, wo es ihr gefällt (Bild: Marinela Potor)

Genau deshalb kommen digitale Nomaden in vielen Farben und Formen daher. Ein Vater, der zu Hause bei den Kindern bleibt und von hier aus Webseiten programmiert. Ein Fotograf, der davon lebt, dass er alle 6 Monate seine Koffer packt, um Fotos aus allen Ecken dieser Welt zu machen. Ein Landwirt, der seine Produkte übers Internet vermarktet und verkauft. Sie alle sind digitale Nomaden. Das Internet, Smartphones und ständige Konnektivität haben diesen Lebensstil nicht nur möglich, sondern auch attraktiv gemacht. Auch wenn die digitalen Nomaden in ihrer Anfangszeit oft skeptisch beäugt, als skurrile Nerds oder, viel seltener, als innovative Vordenker bezeichnet wurden, ein neuartiges Phänomen sind sie mittlerweile nicht mehr. So langsam aber sicher etabliert sich das digitale Nomadendasein als eine akzeptierte, alternative Lebensform in unserer Gesellschaft.

Digitale Nomaden: Fragen über Fragen

Trotzdem gibt es rund um diesen Lebensstil noch viele Mythen, und noch mehr Fragen. Sind alle digitalen Nomaden Minimalisten? Wie wird man digitaler Nomade? Was solltet ihr als digitale Nomaden unbedingt wissen? Und, wie kann man eigentlich seinen Lebensunterhalt als digitaler Nomade verdienen? Genau diesen und vielen anderen Fragen möchte ich in dieser Kolumne auf den Grund gehen. Selbstverständlich könnt auch ihr eure Fragen stellen und diese hier beantwortet bekommen. Gibt es etwas, was ihr zum Thema unbedingt wissen wollt? Seid ihr selbst digitale Nomaden und wollt eure Geschichte erzählen? Findet ihr digitale Nomaden grundsätzlich blöd und wolltet schon lange mal aller Welt sagen warum? Dann nur her mit euren Meinungen, Fragen, Geschichten und Kommentaren, ich will alles hören, sehen und lesen!

Dann bis nächste Woche – aus irgendeinem Winkel dieser Welt,

Eure Marinela

P.S.: Kennst du schon unser neues Online-Magazin für digitale Nomaden, Reisende, Webworker und Querdenker? Nein? Dann aber schnell!

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

15 Kommentare

  • Habt ihr jetzt eure fragwürdige SEO-Reihe beerdigt und ersetzt sie durch dieses nichtssagende Blabla?

    • Oh je, unser Haustroll war aber auch schonmal kreativer. Aber zu deiner Frage: Nein, Hauke wird weiterhin das Thema SEO behandeln. Und Marinela zusätzlich das wunderbare Thema „digitale Nomaden“ behandeln – ob es dir gefällt oder nicht.

      Du bist übrigens der Einzige, der sich beschwert hat. Immer wieder bewundernswert, wie einfach das Pöbeln unter Pseudonym ist, nicht wahr? 😉

      • Ohne Verifikation ist alles ein Pseudonym, aber naja.
        Aber ich freue mich sehr, dass ich den Rang „Haustroll“ erreicht habe. Was muss ich tun, um „Haushaupttroll“ zu werden?
        Klar bin ich der einzige, der sich beschwert hat, sonst hat den Artikel bisher ja niemanden interessiert :). Und was in eurer Zensur hängen bleibt, weiß ja auch niemand.

        • Einfach weiter so, bist auf einem guten Weg, „Markus“. 🙂 Dass du aber Zugriff auf unsere Statistiken hast, wundert mich dann doch. Wenn dem so ist, kannst du ja sicher auch einsehen, wie unfassbar groß unser Zensurapparat ist. Schöne Grüße!

  • Hallo Marinela,
    wenn Du auf Deinen Reisen auch Coworking Spaces nutzt, um Deinen beruflichen Aufgaben nachzugehen: Unsere Coworkerin Samantha sucht für ihre Forschung nach Erfahrungen und Erlebnissen von digitalen Nomaden. Im Blog hat sie uns dazu mehr erzählt, und da findest Du den Link zu ihrer Umfrage, falls Du daran mit Coworking-Erfahrungen teilnehmen kannst.
    Keep on exploring!
    Sonnige Grüße von Mallorca,
    DoSchu

  • „Was diese Lebensform also wirklich auszeichnet ist nicht örtliche Mobilität, sondern Unabhängigkeit vom Ort.“

    Sind Familienvater und Landwirt wirklich ortsunabhängig? Können die sich mal eben 6 Monate zum Überwintern ans andere Ende der Welt abseilen?

    Ein ortsunabhängiges Einkommen allein reicht nicht um ortsunabhängig zu sein. Da kommen noch viele andere Faktoren dazu, z.B. Familie, Partnerschaft, Gesundheit, Essensgewohnheiten, Sicherheitsbedürfnis, Xenophobie, Unwillen, …

    Wir können ja nicht plötzlich jeden Selbstständigen zum digitalen Nomaden machen…

    • Danke, dass du das einbringst. Du hast Recht. Selbständigkeit ist nicht gleich digitaler Nomade und nicht jeder, der digital arbeitet, kann um die Welt reisen. Aber mit ortsunabhängigkeit ist gemeint: Du musst nicht von 9 bis 17 Uhr in einem bestimmten Büro sitzen, sondern kannst deine Arbeit von jedem Ort, den du möchtest, erledigen. Das kann im Fall von reisenden digitalen Nomaden Vietnam sein oder, bei einem Familienvater, das Wohzimmer zu Hause sein. Selbständig sein ist etwas ganz anderes. Ein digitaler Nomade muss seinen Lebensunterhalt komplett oder fast ausschliesslich über digitale Medien, also online, verdienen. Der selbständige Frisör um die Ecke gehört nicht dazu, der Landwirt, der aber seine Haupteinnahmen über seinen Bio-Onlineladen macht schon.

      • Du legst viel Wert auf „digital“ und keinen Wert auf „Nomade“. Wie wär’s mit alternativen Begriffen für das ortsunabhängige Einkommen, das Du meinst:
        „Webpreneur“ – Unternehmer im Netz
        „Remote/Web Worker“ – Arbeiten über das Internet (Freiberufler oder Angestellter)

        Im Deutschen heißt letzteres Telearbeit, aber das finde ich ein wenig anachronistisch, daher der Anglizismus. Ein sehr deutscher Begriff ist auch „Digitale Boheme“ (Sascha Lobo, Holm Friebe)
        http://www.amazon.de/Wir-nennen-Arbeit-Intelligentes-Festanstellung/dp/3453120922

        Wenn mit ortsunabhängigem Einkommen allein Deine Vorstellung vom digitalen Nomaden abgedeckt ist, wären das doch treffendere Formulierungen, oder?

        Ich verstehe , dass digitales Nomadentum ein Trend ist, der gerne aufgegriffen wird. Aber wenn nun Menschen zu digitalen Nomaden gemacht werden, die gar nicht ortsunabhängig leben können oder wollen, dann verwässert der Begriff total.

        Ich hatte einige Remote-Worker in der Firma, die statt in’s Büro zu gehen von daheim arbeiten. Das waren gesetzte Familienväter mit absolut keiner Chance und auch keinen Ambitionen Nomade zu werden. Wenn die sich plötzlich digitale Nomaden nennen würden, fände ich das ziemlich albern und irreführend…

        Ich finde man darf ortsunabhängigen Lifestyle und ortsunabhängiges Einkommen nicht miteinander vertauschen.

        Grüssle,
        Florian

        P.S.
        Sorry für die späte Antwort, hatte wohl keine Email-Benachrichtigung aktiviert.

        • Die Sache mit Definitionen ist ja immer die: Es gibt immer Ausnahmen und man kann mit einer Definition selten wirklich alles Aspekte abdecken, gerade wenn es um eine doch eher schwammige Lebensform geht, also einem Lifestyle, der ja auch derzeit immer wieder neu erfunden wird. Daher möchte ich meine Idee von digitalen Nomaden nicht nur auf reisende Nomaden beschränken, da viele z.B. auch eine interessante Aufteilung von Arbeiten und Reisen haben: http://malmini.de/warum-ich-kein-digitaler-nomade-sein-moechte/

          Es wird also schwer, einen 100%ig genauen Begriff zu finden, der nicht zu weit oder zu eng gefasst ist, denn ich sehe auch Nicht-Reisende, je nach ihrem Lebensstil, als digitale Nomaden.

          Im Englischen wird auch oft der Begriff „location independent worker“ verwendet, der ein bisschen in die Richtung geht. Aber ich denke, worauf du hinweist ist auch wichtig, da nicht jeder der digital arbeitet, sich mit dem Lifestyle und der Community der digitalen Nomaden identifiziert.

          Ich habe mal versucht in einer Übersicht der nomadischen Lebensvorstellungen auf deinen Punkt ein wenig einzugehen: https://www.basicthinking.de/blog/2015/11/11/nomadische-lebensformen/

          Letzendlich finde ich es aber auch nicht schlimm, wenn die Definition ein wenig offen bleibt, denn ich denke nicht, dass diese Lebensform als eine „geschlossene“ Daseinsform gesehen wird.

  • Ich habe zwar immer noch nicht verstanden, was digitale Nomaden sind, aber es liest sich trotzdem irgendwie spannend. 🙂