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Hate Speech: Ein gesellschaftliches Problem, das wir gemeinsam angehen müssen

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geschrieben von Fabian Mirau

Hate Speech  im Internet ist zu einem ernsthaften Problem angewachsen. Diskriminierende, menschenverachtende Kommentare im Netz lassen häufig selbst Hartgesottene staunen. Was wird bereits unternommen und wie können wir Nutzer dagegen vorgehen?

Ob in sozialen Medien, Nachrichtenportalen mit Kommentarfunktion oder anderen Plattformen, die den Dialog ihrer Nutzer ermöglichen: Hate Speech, Hetze im Internet, ist ein massives gesellschaftliches Problem geworden. Gleichzeitig herrscht allgemeine Ratlosigkeit, wie man der Problematik am besten begegnen kann.

Zahlreiche Initiativen wie beispielsweise das „Netz-gegen-Nazis“ der Amadeu-Antonio-Stiftung, die „Online Civil Courage Initiative“ oder das stark kritisierte Projekt „#nichtegal“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit Youtube und anderen Partnern kratzen nur an der Oberfläche, versuchen meist lediglich, Symptome von Hate Speech zu lindern. Oft gibt es nur Beratung für Betroffene und Aufklärung darüber, was Hetze im Netz eigentlich ist.


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Problematisch außerdem: Oft werden solche Initiativen selbst Opfer von Hasskommentaren, von Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie, die längst keine sachliche Kritik mehr enthalten, sondern absichtlich verletzend formuliert sind.

Was ist eigentlich Hate Speech?

Die Amadeu-Antonio-Stiftung definiert Hate Speech über den den juristischen Tatbestand der Volksverhetzung. Auch liegt Hate Speech vor, wenn sich bestimmte Gruppen durch den jeweiligen Kommentar herabgesetzt oder verunglimpft fühlen. Die meisten grenzwertigen, hasserfüllten Kommentare finden momentan, natürlich, zum Thema Einwanderung statt. Aber auch antisemitische oder homophobe Bemerkungen kommen immer noch sehr häufig vor.

Dabei sind sich einige Verfasser von Hasskommentaren nicht einmal bewusst, dass ihre Äußerungen für bestimmte Gruppen verletzend sein können. Und viele glauben sich unter dem Schutz der freien Meinungsäußerung zu wissen.

Und was hilft nun gegen Hate Speech?

Das rechtliche Vorgehen gegen Urheber und Plattformen wie Facebook, dass dieser Tage vor allem vom Bundesjustizminister Heiko Maaß gefordert wird, ist höchstens ein hilfreicher, erster Schritt im Kampf gegen Volksverhetzung im Internet. Es bekämpft die Symptome in gleichem Maße wie die vorher erwähnten zahlreichen Initiativen und übersieht möglicherweise die Tatsache, dass Hate Speech kein Problem der Plattformen ist, die diesen ermöglichen, sondern ein gesellschaftliches. Und doch ist dieser Schritt richtig.

Es genügt dabei ein Blick auf den Umgang mit Volksverhetzung und antidemokratischen Äußerungen in der „Offline-Welt“. Auch hier sind solche Hasskommentare verboten. Sie werden von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt, kommen viel seltener vor als online, weil sie durch die große Mehrheit durch Ausgrenzung der wenigen Hassredner präventiv verhindert werden. Warum funktioniert das auf Twitter, Facebook und Spiegel Online nicht genau so gut? Warum gibt es hier keine große Masse, die sich geschlossen gegen Hate Speech formiert?

Counter Speech als Wunderwaffe?

Die vielgenannte, derzeit erfolgsversprechendste Lösung gegen Hate-Speech ist gleichzeitig die für Justiz, Politik und Plattformbetreiber bequemste Lösung. Sie nennt sich Counter-Speech und fordert friedliche, „normale“ Internetnutzer dazu auf, aktiv gegen Hasskommentare vorzugehen, ihnen etwas bewusst zu entgegnen. Das greift die Problematik viel näher an der Wurzel auf als lediglich die Betreiber von Online-Plattformen aufzufordern, fragwürdige Posts zu löschen. Argumentativ oder mit Humor, nicht mit Hass, soll so ein friedlicherer Diskurs im Netz beispielsweise über Einwanderung stattfinden können. Und dabei soll nicht nur der einzelne Urheber von Hasskommentaren umgestimmt und zur Mäßigung bewegt werden.

Wichtig ist vor allem die virale Wirkung, die Verbreitung von friedlichen Botschaften, auch für passive Internetnutzer, die Kommentare überwiegend lesen und nicht selbst formulieren. Denn Hate Speech ist meist lauter und auffälliger als alles andere. Es kann unter Umständen schnell der Eindruck entstehen, ein Großteil der Internetnutzer teile diskriminierende, menschenverachtende Meinungen (dabei spielen Social Bots übrigens ebenso eine tragende Rolle).

Geschlossenes Vorgehen der friedlichen Mehrheit

Counter Speech ist also der vielversprechende Versuch, ein Bewusstsein über den Umfang von Hate Speech zu entwickeln, ihn gleichzeitig präventiv zu bekämpfen. Denn ist erst einmal ein eindeutiges Verständnis darüber in den digitalen Raum transportiert, was Hate Speech überhaupt ist, was es für Urheber und Opfer an Konsequenzen haben kann und wie damit umgegangen werden sollte, sind menschenverachtende, diskriminierende Äußerungen online von der Mehrheit ähnlich verachtet wie offline. Je größer die Gruppe derer ist, die Hasskommentare ablehnt, desto erfolgsversprechender kann Counter Speech sein, weil geeignete Maßnahmen eher bekannt sein dürften.

Es braucht also vor allem ein breiteres Verständnis über Hate Speech, ein Bewusstsein darüber, welche Auswirkungen solche Kommentare haben können. Politische und rechtliche Schritte sind richtig, können aber nicht die einzige Lösung sein. Absolut notwendig ist ein geschlossenes Vorgehen der großen, friedlichen Mehrheit gegen menschenverachtende und diskriminierende Äußerungen im Internet.

Auch interessant: Drohungen gegen Flüchtlinge: Wie viel Hass ist erlaubt, Facebook? und Imagefilm zeigt, wie Facebooks Anti-Hass-Abteilung arbeitet

Über den Autor

Fabian Mirau

Fabian ist Politik-Student und arbeitet in Berlin für ein Redaktions- und Medienproduktionsbüro. Für BASIC thinking schreibt er beinah wöchentlich über Netzpolitik, Social Media und den digitalen Wandel. Also eigentlich über fast alles, was mit diesem Internet zu tun hat.

12 Kommentare

  • Wenn eine ehemalige Stasi-Mitarbeiterin inzwischen definiert, was „Hatespeech“ ist und was nicht, dann ist in diesem Land ALLES verloren. Ein demokratisches Land sollte es aushalten und dulden, wenn man bei Facebook postet, dass Merkel eine Gesetzesbrecherin ist und Millionen Menschen illegal in das Land geschleust hat, von denen einige bereits andere Menschen getötet haben. Das hat nichts mit Hatespeech zu tun, sondern das sind belegbare Fakten.

    • Kurz mal zur Klärung: Nein, so formuliert ist das kein Hate Speech. Aber: Das sind keine belegbaren Fakten.

  • If you can’t stay the heat, get out of the kitchen.
    Die Welt wird immer mimosenhafter, nicht jede abweichende Meinung ist gleich als persönliche Attacke zu werten,
    oder gar als Hass.

    Wer justiziabel Volksverhetzend schreibt ist ein Fall für die Stastsanwälte.
    Mit Gegenreden wird man nichts Erreichen.

    Aber wie schon im Realen Leben verliert auch im Netz der Staat seine Handlungsfähig, das Gewaltmonopol hat er schon Silvester 2015/16 verloren.

    Zu glauben das NGOs hier Abhilfe schaffen ist ein weiterer Beweis für die Hilflosigkeit der Politik.
    Kleine oft undurchsichtige Organisationen ohne demokratische Legitimierung können nicht die Lösung sein.

  • „Auch liegt Hate Speech vor, wenn sich bestimmte Gruppen durch den jeweiligen Kommentar herabgesetzt oder verunglimpft fühlen.“

    Hass um Netz (und außerhalb ist ein Problem). Die Deklaration von Hate Speech m.E. aber keine Lösung.
    Im oben Zitierten liegt genau das Problem: Das alles basiert auf Gefühlen… sobald ich mich von etwas angegriffen *fühle* kann ich das Scheinargument Hate Speech bringen und seien wir mal ehrlich – was kann man dem dann schon entgegensetzen?
    Ich sehe diese Entwicklung sehr kritisch weil ich immer wieder sehe, wie dadurch durchaus valide Ansichten als Hate Speech deklariert werden um sie zu entkräften. In den USA hat das teilweise schon groteske Ausmaße angenommen, da werden dann einfach unliebsame (z.B. Demokratennahe) Blogs komplett als Hate Speech verunglimpft.
    Wenn sich das hierzulande auf politischer Ebene durchsetzt hat man bald einen super Vorwand, um z.B. Indymedia usw. dichtzumachen. Da könnte sich ja schließlich auch jemand von „verunglimpft“ fühlen. Z.B. die Regierung oder Rechte Kräfte.
    Oh Mann…

  • Stimmt, es braucht natürlich eine viel klarere Definition des Begriffs von einer übergeordneten Instanz (Politik?). Allerdings braucht es für gesetzliche Regelungen eben meist „Kleine oft undurchsichtige Organisationen ohne demokratische Legitimierung“ (@Ironmace) um auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen.

    Und unsachliche Beleidigungen vor allem gegen Minderheiten fallen so oder so unter den Begriff Hate Speech.

  • Fabian, warum sollte es kleinen NGOs möglich sein Gesetze zu beeinflussen?

    Ich wähle den Bundestag nicht dafür das er seine grundlegende Arbeit Ausserpalamentarisch erledigen lässt.

    Zumal es gar keiner Änderung oder Erneuerung bedarf.
    Beleidigung, Volksverhetzung usw sind alle schon Strafbar.
    Wie diese Gesetze dann ausgelegt und Recht gesprochen wird ist Sache der Justiz. Auch das ist grundsätzliche Arbeit selbiger.

    Legislative, Judikative, Executive.
    Von NGOs steht in meinen Büchern zu unserem Staat nichts.

    Und schau doch mal selbst wie transparent diese NGOs sind.
    Greenpeace z.b. Da kannst du gerne mitmachen und bezahlen, aber mehr auch nicht. Eine Vorstand wählen oder an einer Jahreshauptversammlung gar entlasten kannst du nicht.
    Ist auch gar nicht gewollt.

    Und ich wiederhole noch mal, nicht alles was einem nicht in den Kram passt oder dem eigenen Empfinden nach störend ist ist deshalb justiziabel.

    Mir gehen diese Debatten um Hass und/oder Dummheit auch auf den Sack,
    nur muss ich das Gutmenschentum genau so aushalten wie die Gutmenschen mich.

    Beispiel:
    Ich bin 48, Weiß, Bi-Sexuell und aus Franken.
    Du kannst mich deshalb als alte Weiße Schwuchtel bezeichnen die Angst vor Veränderungen hat.
    Juckt mich nicht, das ich Alt bin weiß ich selbst, an meiner Haufarbe kann ich so wenig ändern wie an meiner Sexualität und Angst habe ich nur davor das mir der Himmel auf den Kopf fällt. Und ich muss nicht jeder Veränderung zustimmen, das System gibt mit das Recht auf eine eigene und auch Abweichende Meinung.

    Kein Grund mich angegriffen zu fühlen.

    • Das Parlament kann in einer repräsentativen Demokratie unmöglich alle Interessen der Bevölkerung allein aufnehmen, bündeln und zu Gesetzen ausformulieren. Es braucht in einer Demokratie unter anderem Organisationen aus verschiedenen Richtungen, die gesellschaftliche Interessen vertreten. Ohne Lobbyismus wäre Politik in Deutschland kaum möglich.

      Das bedeutet keineswegs, dass politische Gesetzgebung außerparlamentarisch stattfindet.

  • Es ist richtig und auch m.E. wichtig, dass die Masse der normal-friedlichen Nutzer gegen die Hass-Parolen redet. Es ist aber auch längst überfällig, dass der Gesetzgeber etwas tut um auch die Betreiber der Plattformen zum Handeln zu bewegen.
    Ich bin ein großer Freund von Meinungsfreiheit. Diese hat aber auch ihre Grenzen.
    Ich freue mich immer über jeden Beitrag von Bloggern, die sich positionieren.

  • In Deutschland gilt der Strafbestand der Volksverhetzung §130 StGB https://dejure.org/gesetze/StGB/130.html und der Beleidigung §185 StGB https://dejure.org/gesetze/StGB/185.html.

    Nach meinem Wissen kann ich als Deutsche wegen z.B. rassistischen Äußerungen, – gepostet auf einer US-amerikanischen Pattform (bin auf Devianart) – angezeigt werden. Im Gegenzug habe ich aber keine Chance, wenn der Poster kein deutscher Staatsbürger ist und sein Wohnsitz außerhalb Deutschlands ist, weil in den USA die Grenzen der Meinungsfreiheit anders geregelt sind (ich habe es schon versucht). Zudem hat natürlich jede Plattform noch ihren eigenen Regeln.
    Und hier liegt nach Meinung nach das Problem: Internetnutzer treiben sich fast (virtuell) überall auf der ganzen Welt rum, das Netz selber ist aber nicht internationalisiert.

    Und wo fängt Hate Speech an? (Wurde schon in den obereren Kommies erwähnt.)

    Counter Speech wäre eine Option, halte ich aber ebenfalls für problematisch, weil es ja wieder „gegen“ etwas agiert. Angesichts der aktuellen angespannten Stimmung (nicht nur in Deutschland) befürchte ich eher eine zunehmende Verschärfung der Situation. Zudem wäre „Counter Speeching“ gegen Social- und Chat bots wahrscheinlich eher nutzlos, da müssen wieder andere bots ran (und das käme einem Wettrüsten gleich, welches wir schon genug haben). Desweiteren sehe ich die Gefahr einer Zensur.

    Mein Vorschlag geht in eine andere Richtung: Statt Counter Speech, „Stay Relaxed-Speech“. Dazu gehört erstmal, sich bewusstbar machen, dass hinter jedem Post ein Mensch ist oder mehrere Menschen stehen (ja, klingt oberklug ;)). Und sich selber immer fragen, wie würde ich mich im RL verhalten? Zudem ein bis zweimal ein- und ausatmen, bevor ich irgendetwas in die Tasten haue. Und was ich für sehr dringend halte: Medienkompetenz, Medienkompetenz, Medienkompetenz! Das wird vielleicht zwar nicht die Menschen erreichen, die bewusst rassistische Kommies schreiben. Dies muss straftrechtlich geahndet werden, zudem ist diesen Menschen ein Anti-Aggressionstraining zu empfehlen. Allerdings gibt es noch die Menschen, die quasie Mitläufer sind (da hinter kann sich natürlich auch ein social bot befinden).

    Fazit: Nicht noch mehr Spaltung, sondern mehr Zusammenfinden.