Die Europäische Union hat beschlossen, eine Lautstärkebegrenzung bei iPods und MP3-Playern einzuführen. Außerdem sollen sämtliche Hersteller gezwungen werden, dicke Warnschilder auf der Verpackung anzubringen. Die Volume-Höchstgrenze soll nach der Vorstellung der Kommission bei maximal 80 Dezibel liegen.
Um sich dem Thema ein wenig zu nähern, lasst mich mal zunächst aus dem Nähkästchen plaudern: Als ich 16 Jahre alt war, rannte ich mit einem Sony Discman durch die Gegend (so sah er aus), das Ding war klobig und übersprang beim Treppensteigen ganze Tracks. Doch der Player passte in die Jackentasche und die Laufzeit betrug nach Einlegen neuer Batterien volle drei Stunden. Ich glaube, ein Jahr später fiel mir das Piepen zum ersten Mal auf, zwei Jahre später wurde dann irreversibler Tinnitus (Hörprobe) diagnostiziert. Es folgten Pentoxifilin-Tabletten, Infusionen, Akupunktur, Akupressur – ich wurde sogar mit einem halben Dutzend anderer mitten auf dem Land in eine Kompressionskammer für Taucher verfrachtet, wo ich reinen Sauerstoff durch eine Maske atmen musste, während wir drucktechnisch auf 30 Meter Tiefe gebracht wurden. Es half alles nichts. Am Ende muss man sich eingestehen: Eine erfolgreiche Heilung des Tinnitus besteht darin, dass er zwar noch da ist – aber nicht mehr als störend empfunden wird. Dabei hatte ich meiner Meinung nach nie das Volume-Rädchen bis zum Anschlag aufgedreht.
So, diese autobiografische Drohkulisse schiebe ich vor die nun folgende Diskussion. Brüssel schlägt also 80 Dezibel vor. Wie viel ist das eigentlich? Ich habe einmal einige Quellen angezapft und verschiedene Vergleichswerte herangezogen. Hier eine kleine Übersicht der
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Dezibel-Hitparade:
10 dB – Atmen
20 dB – Blätterrauschen
30 dB – Flüstern
40 dB – Kühlschrank
50 dB – Fernseher
60 dB – vorbeifahrender PWK
70 dB – Staubsauger
80 dB – Hauptverkehrsstraße
85 dB – Gehörschaden droht bei längerer Belastung
90 dB – Lastwagen
100 dB – Disko, Presslufthammer
110 dB – Kampfflugzeug (100 m entfernt)
120 dB – Gehörschaden droht bei kurzer Belastung
134 dB – Schmerzschwelle
140 dB – Gewehrschuss (1 m entfernt)
Ihr seht, dass die EU den Schnitt kurz vor der Grenze von 85 Dezibel angeordnet hat – die allerdings nur dann gefährlich wird, wenn das Ohr der Lautstärke regelmäßig und über lange Zeit ausgesetzt ist. Heutige MP3-Player bringen es locker auf bis zu 115 Dezibel. Die Hersteller werden von Brüssel zwar angehalten, eine Maximallautstärke vorzugeben – diese Standardeinstellung sollen die Nutzer allerdings jeder Zeit auf Wunsch überschreiten können.
Ich habe nicht aufgehört, Musik über Player zu hören und auch wenn der iPod den Menüpunkt „Maximallautstärke“ bietet, ist sie bei mir nicht in Gebrauch. Was sich verändert hat, ist vielleicht die Wahl der Ohrhörer, bei der ich klar In-Ear-Modelle bevorzuge, die einen Großteil der Außengeräusche filtern: es macht ja auch keinen Sinn, die Lautstärke aufzudrehen, nur weil ein Lastwagen vorbeifährt. Bestimmt höre ich auch ein paar Dezibel leiser als früher – man wird ja auch älter. Übrigens ist das Hörvermögen völlig intakt geblieben, nur seit der Jugendzeit singt mich eben ein leises Pfeifen in den Schlaf – wenn ich darauf achte. Dennoch kann ich niemandem einen Tinnitus (oder natürlich Schlimmerers) wünschen; es dauert bestimmt sechs bis acht Jahre, bis der richtige Umgang mit dem Ton gelernt wurde.
So, aber jetzt seid ihr dran: Wann ist bei euch die akustische oder vielleicht auch politische Schmerzgrenze erreicht? Heißt ihr die neue Verordnung willkommen? Werdet ihr euch daran halten oder die Warnsticker und Voreinstellungen ignorieren?
(André Vatter)