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Wikipedia verliert erneut Rechtsstreit um Fotonutzung

Urheberrecht Kamera Video Foto
geschrieben von Boris Burow

Vor kurzem hatte ich noch darüber berichtet, dass die Wikipedia in Schweden einen Rechtsstreit verloren hatte. Die Wikipedia musste demnach Bilder von ihren Seiten entfernen, die bestimmte öffentliche Bauwerke zeigten. Nun gibt es ein neues Urteil aus Deutschland. Das Landgericht Berlin hatte über die Klage eines Mannheimer Museums zu entscheiden. Auch in diesem Fall ging es um die Veröffentlichung von Fotos.

Dass das Urheberrecht ein Minenfeld ist, in das man sehr schnell reingeraten kann, ist vielen Personen und auch Unternehmen bewusst. Das Urheberrecht unterscheidet auch nicht zwischen Privatperson und Unternehmen oder zwischen Kleinunternehmer und Dax-Konzern. Wer gegen Urheberrechte verstößt, macht sich in der Regel schadensersatzpflichtig und ist zur Unterlassung verpflichtet. Nun hat es erneut die Online-Enzyklopädie Wikipedia getroffen. Bei dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin ging es um Veröffentlichungen von Fotos auf dem Medienportal Wikimedia Commons. Das Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum stritt mit der Wikipedia darüber, ob die Wikipedia-Fotos, die das Mannheimer Museum in einem Sammelband veröffentlicht hatte, nutzen darf. 

Konkret ging es in dem Streit darum, dass das Museum einen Sammelband herausgegeben hatte, in dem Abbildungen der Gemälde veröffentlicht waren, die in dem Museum ausgestellt wurden. Die Lichtbilder selbst wurden von einem Mitarbeiter des Museums hergestellt. Es handelt sich dabei um ein reines Abfotografieren der vorhandenen Bilder. Wichtig ist hierbei zu betonen, dass die Wikipedia eben diese Bilder aus dem Sammelband verwendet und nicht eigene Bilder angefertigt hatte.


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Nutzung von Fotos stets schwierig 

In urheberrechtlicher Sicht bestand die Besonderheit weiterhin darin, dass die Gemälde an sich keinen urheberrechtlichen Schutz mehr genießen. Die urheberrechtliche Schutzfrist endet 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Wenn also Gemälde von Personen angefertigt wurden, die länger als 70 Jahre tot sind, so können diese Werke frei verwendet werden. Insofern konnte sich auch das Museum auf keinen urheberrechtlichen Schutz mehr berufen aber es berief sich eben auf den Schutz der angefertigten Lichtbilder. 

Auch hier gibt es wieder eine Besonderheit. Während das Urheberrecht verlangt, dass Werke eine gewisse Qualität aufweisen müssen, um geschützt zu sein, macht der Gesetzgeber bei Fotos eine Ausnahme. Grundsätzlich soll eben nicht jedes alltägliche Werk Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz genießen, sondern nur Werke, die eine gewisse Qualität aufweisen. Wobei Qualität in diesem Zusammenhang nicht bedeutet, dass die Werke besonders umfangreich sein müssen, auch kurze Zitate oder Gedichte können urheberrechtlich geschützt sein. Bei Lichtbildern gilt vom Grundsatz her das Gleiche.

Ein Lichtbild ist nur dann geschützt, wenn die Aufnahme gewissen qualitativen Ansprüchen genügt. Als Ausnahme hat der Gesetzgeber aber auch noch einfache Lichtbilder geschützt, so dass jeder Schnappschuss mit einer Kamera automatisch von dem jeweiligen Fotografen urheberrechtlich geschützt ist. Der Schutz ist dann allerdings nicht 70 Jahre ab Tod des Urhebers, sondern 50 Jahre ab Aufnahme. Im vorliegenden Fall argumentierte die Wikipedia damit, dass das originalgetreue Abfotografieren eines urheberrechtlich nicht mehr geschützten Werkes nicht als urheberrechtlich geschützt anerkannt werden kann. Wenn also nur eine originalgetreue Ablichtung eines nicht mehr geschützten Kunstwerks erstellt wird, so soll der Fotograf keinen Urheberrechtschutz genießen.

Fall Wikipedia: Doch kein Schutz für einfache Fotos?

Man wird sicherlich zugestehen müssen, dass es schon sehr weitgehend ist, wenn jeder Schnappschuss ohne Einschränkung zunächst urheberrechtlich geschützt ist. Man muss hierbei aber bedenken, dass der urheberrechtliche Schutz sich nur auf das konkrete Foto bezieht. Es ist jedem überlassen, eigene Fotos anzufertigen. So hätte es auch im vorliegenden Fall eine andere Lösung gegeben. Die Wikipedia hätte darauf achten müssen, Fotos von Personen zu verwenden, die mit einer solchen Nutzung einverstanden sind. Denn das grundsätzliche Abfotografieren der Gemälde ist urheberrechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn, das Museum hätte in einer Hausordnung festgehalten, dass Fotoaufnahmen innerhalb des Museums nicht erlaubt sind. 

Die Argumentation der Wikipedia überrascht im  vorliegenden Fall etwas. Dass jedes einfache Foto in Deutschland nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz umfassend geschützt ist, ist bekannt. Die Gerichte machen  hier auch keinerlei Ausnahmen. Selbst wenn ich völlig sinnlose Schnappschüsse anfertige und diese auf meiner Webseite veröffentliche ist es Dritten verwehrt, diese Bilder in irgendeiner Form zu nutzen. Die einzige Ausnahme bilden private Vervielfältigungen. Da die Bilder aber im vorliegenden Fall auf einer Webseite veröffentlicht wurden liegt keine private Vervielfältigung vor.

 Hauptgrund für die Klage: kommerzielle Verwertung

Das Mannheimer Museum hatte noch argumentiert, dass es ihm gar nicht zu sehr auf die Veröffentlichungen der Fotos bei Wikimedia Commons ankomme. Der Schwerpunkt lag darin, dass durch eine Veröffentlichung bei Wikimedia Commons auch eine kommerzielle Nutzung der Fotos erlaubt wird. Dies sei bereits geschehen. Das Museum habe bereits feststellen müssen, dass nach Veröffentlichung der Fotos bei Wikimedia Commons die Fotos von einem amerikanischen Händler für Merchandising Artikel verwendet wurden. Diese Nutzung ging dem Museum zu weit, so dass es sich insgesamt gegen die Nutzung der Fotos bei Wikimedia Commons wendete. Wikipedia hat angekündigt, gegen das Urteil des Landgerichts Berlin in Berufung zu gehen. Ich erachte die Erfolgsaussichten hier für sehr gering.

Insbesondere kann meines Erachtens auch nicht der amerikanische Fair-Use Gedanke herangezogen werden. Nachdem US-amerikanischen Fair-Use-Gedanken sollen gewisse urheberrechtliche Nutzungen erlaubt sein, wenn sie prinzipiell in die Rechte des Urhebers nicht stark eingreifen und z.B. Bildungszwecken dienen oder zu einer eigenen urheberrechtlichen Leistung anregen. Eine solche Regelung ist im deutschen Urheberrecht allerdings fremd. Da das deutsche Urheberrecht bedingt durch internationale Verträge faktisch nahezu weltweit gilt und die streitgegenständlichen Fotos eben auch in Deutschland abrufbar waren, wird meines Erachtens auch das Kammergericht Berlin keine andere Wahl haben als so zu entscheiden, wie es das Landgericht Berlin getan hat.

Fotoverwendung immer kritisch prüfen

Weiterhin ist zu beachten, dass alle Personen und Unternehmen, die die Fotos, die bei Quellen wie Wikimedia unrechtmäßig veröffentlicht wurden, verwenden, sich einem immensen Risiko aussetzen, selbst abgemahnt zu werden. Denn wenn die Fotos auf der Seite (und natürlich auch auf sämtlichen anderen Quellen) nicht rechtmäßig veröffentlicht wurden, so kann auch eine weitere Verwendung nicht rechtmäßig sein. Ein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten ist dem deutschen Recht unbekannt. Es wird immer nur gefragt, ob jemand die entsprechenden Rechte wirksam erwerben konnte oder nicht. Liegt ein wirksamer Rechtserwerb nicht vor, handelt es sich um eine rechtswidrige Nutzung mit allen Folgen.

Ob man die Quelle dann entsprechend in die Haftung nehmen kann, ist eine andere Frage. Diese Frage wird sich vor allen Dingen auch daran orientieren müssen, welches Recht zur Anwendung kommt. Problematisch ist jedenfalls, dass die Fotos auf Wikimedia Commons für jeden unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, was in Deutschland zumindest zu einem eingeschränkten Haftungsmaßstab führen würde.

Zusammengefasst sieht man – leider – wieder einmal, dass das Urheberrecht durchaus einige Tücken aufweist. Das Urheberrecht macht auch nicht vor der Wikipedia halt, die zwar sehr noble Ziele verfolgt, sich letztlich aber auch an das deutsche Urheberrecht halten muss. Wenn man also Fotos verwendet, sollte man sich immer klar machen, dass im Prinzip jeder Schnappschuss zunächst einmal urheberrechtlich geschützt ist. Im zweiten Schritt sollte ich immer sehr genau prüfen, ob und wie ich Fotos verwenden darf, wenn ich diese nicht selbst angefertigt habe.

Über den Autor

Boris Burow

Boris ist Rechtsanwalt aus Karlsruhe und hat seine Begeisterung für IT, Medien und Internet zum Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht.

2 Kommentare

  • Bei allem Respekt für ihre sonst sehr scharfsinnig verfassten Kommentare Herr Burow,
    aber mit dieser Einschätzung liegen sie daneben.

    Einige ihrer Darlegungen sind sogar schlicht falsch:

    1. „Dass jedes einfache Foto in Deutschland nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz umfassend geschützt ist, ist bekannt. Die Gerichte machen hier auch keinerlei Ausnahmen.“

    Das ist unzutreffend. Der BGH hat bereits 1989 in seinem grundlegenden Bibel-Reproduktionsurteil grundlegende Ausnahmen vom Lichtbildschutz für reine Reproduktionsfotografien geschaffen. Selbst ein Lichtbild bedürfe danach einer gewissen „geistigen Leistung“. Diese sah der BGH in der Foto-Reproduktion einiger Merian-Drucke nicht gegeben. In seinem Telefonkarten Urteil bestätigte der BGH diese Linie im Jahre 2000 noch einmal.
    Auch das Berliner Landgericht hat diese Rechtsprechungslinie des BGH in seinem Urteil grundsätzlich anerkannt. Es war lediglich der Ansicht, dass die Reproduktion der farbigen Ölgemälde, um die es in dem Fall ging, eine höhere „geistige Leistung“ erfordere, als die Reproduktion von Grafiken und Drucken.

    2. „So hätte es auch im vorliegenden Fall eine andere Lösung gegeben. Die Wikipedia hätte darauf achten müssen, Fotos von Personen zu verwenden, die mit einer solchen Nutzung einverstanden sind. Denn das grundsätzliche Abfotografieren der Gemälde ist urheberrechtlich nicht zu beanstanden, es sei denn, das Museum hätte in einer Hausordnung festgehalten, dass Fotoaufnahmen innerhalb des Museums nicht erlaubt sind. “

    Das ist ebenfalls unzutreffend. Das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim hat in seinen Räumlichkeiten die Fotografie verboten. Für die Wikipedia bestand keinerlei Möglichkeit an eigene Fotografien der Original zu kommen. Dies war ausdrücklich Teil von Wikicommons rechtlicher Argumentation: Wikicommons hatte argumentiert, durch die Praxis des RME werde §64 UrhG in seinem eigentlich intendierten Ziel aufgehoben. Die Urheberrechte sind in Deutschland auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers beschränkt, damit sie über einen gewissen Zeitpunkt hinweg nicht mehr monopolisiert werden können. Durch die Kombination von Fotografie-Verbot in den Museumsräumen und Lichtbildschutz für eigene Reproduktionen der Werke, werden aber faktisch diese Werke wieder monopolisiert.
    Ein Amtsgericht in Nürnberg hatte dieser teleologischen Rechtsauslegung übrigens in einem früheren Verfahren bereits einmal statt gegeben.

    Diese zwei falschen Tatsachenbehauptungen, lassen leider nur den Schluss zu, dass Sie Herr Burow die Urteilsbegründung gar nicht studiert hatten, bevor Sie diesen Kommentar verfasst haben.

    Noch trauriger ist aber, dass sie offenbar der Propaganda des Reiss-Engelhorn-Museums auf den Leim gegangen sind. Dem Museum geht es nämlich offensichtlich sehr wohl um knallharte Geschäfte. Nach einer Pressemeldung aus dem letzten Jahr verlangt das RME für Bildnutzungen 250 Euro pro Stück. In der gleichen Meldung begründete das Museum sein Vorgehen gegen verschiedene Webmaster ausdrücklich damit, dass es durch die Vermarktung der Gemäldereproduktionen Geld generieren möchte.

    Auch mit Ihrer Zwischenüberschrift: „Hauptgrund für die Klage: kommerzielle Verwertung“ leiten Sie Ihre Leser fehl. Das Reiss-Engelhorn-Museum ist im März letzten Jahres mit Massenabmahnungen gegen viele Websites vorgegangen. Die wenigsten davon würden ihre Leser als „kommerziell“ bezeichnen. Kaum gilt das etwa für die Kinder-Website musical-co.net , die das Reiss-Engelhorn-Museum mit ihren Abmahnungen aus dem Geschäft gedrängt hat.

    Dass die Wikipedia als „Flagschiff der der digitalen Kultur“ einen solchen Generalangriff auf die Kulturschaffenden im Internet nicht einfach so hinnehmen kann, ist glaube ich verständlich. Auch wenn ich wie Sie fürchte, dass auch höhere Instanzen der Wikipedia nicht Recht geben werden.

    Ich würde es sehr schätzen, wenn Sie zukünftig Gerichtsurteile erst dann kommentieren, wenn Sie sich näher damit auseinander gesetzt haben.

  • Ohne jetzt näher auf die Frage „Was ist ein schützenwertes Werk?“ / „Schöpfungshöhe“ eingehen zu wollen nur kurz folgende Anmerkung:
    Wenn (!!) das reine Abfotografieren eines Bildes, dessen Schutzfrist abgelaufen ist, Urheberschutz geniessen soll, dann sollte das Museum (oder jede andere verwahrende Institution) vom Gesetzgeber dazu gezwungen werden der Allgemeinheit das Abfotografieren zu erlauben.
    Alles andere kommt einer Unterwanderung des Urheberrechts und seiner Fristen gleich.
    Oder anders formuliert:
    Es kann nicht angehen das auf diese Weise gemeinfreie Werke plötzlich faktisch doch nicht mehr gemeinfrei sind.