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Chinesische Touristen stellen Bezahlsystem in Japan auf den Kopf: Ein Modell für Europa?

QR-Codes, Sicherheit, Zahlungsmethode, scannen
QR-Codes haben eine unerkannte Sicherheitslücke: die Verbraucher. (Foto: Pixabay.com / geralt)
geschrieben von Vivien Stellmach

In Japan hält man nicht viel vom Zahlen übers Smartphone. Bislang. Der große Schwung an chinesischen Touristen hat das aber drastisch geändert. Speziell für sie hat Japan nun das Zahlen per QR-Codes eingeführt. Davon profitieren auch andere Touristen. Kann das auch in Europa funktionieren?

Besucher in Japan haben oftmals ein Problem: Restaurants und Anbieter für verschiedene Attraktionen und Aktivitäten akzeptieren normalerweise keine mobilen Zahlungen.

„Viele kleine und mittlere Unternehmen in Japan nehmen keine Kreditkarte und andere mobile Bezahlmöglichkeiten an“, sagte Silvio Tavares dem Branchenmagazin Skift. Er ist SEO von Cardlinx, einem Verband für Online to Offline (O2O) Commerce. Weniger als eine von fünf privaten und beruflichen Transaktionen würde mit einer Kreditkarte durchgeführt werden.

In China dagegen hat Bargeld alles andere als einen hohen Stellenwert. Stattdessen hat das Land auch die Kreditkarten-Ära sofort übersprungen und gleich auf digitale Zahlungsplattformen gesetzt.

So ist es in China längst gang und gäbe, über QR-Codes zu bezahlen.

QR-Codes sind die Zahlungsmittel der Stunde

QR-Codes, das sind diese quadratischen, schwarz-weiß gepunkteten Grafiken, hinter denen sich individuelle Scan-Codes verbergen.

In China kann man damit überall bezahlen: Smartphone raus, Bezahl-App öffnen, QR-Code scannen – fertig. QR-Codes sind schließlich ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Digitalisierung. Das Zahlen mit Karte hat sich dagegen, wie gesagt, nie durchgesetzt.

Die beliebteste Plattform für das Zahlen mit QR-Codes in China ist Alipay. Die App stammt von der Alibaba-Tochtergesellschaft Ant Financial Services Group. Die chinesische Alibaba Group wiederum ist ein Unternehmen mit Sitz in Hangzhou und betreibt mit Alibaba die größte Business-to-Business beziehungsweise B2B-Handelsplattform der Welt.

Tourismus in Japan: Chinesen, überall Chinesen

Nun fragt man sich vielleicht: Warum stellt Japan seine Bezahlmethoden für ein paar Touristen aus China komplett um?

Ganz einfach: Es geht nicht nur um ein paar Touristen. 2017 reisten mehr als sieben Millionen Chinesen ins Land und allein im April 2019 besuchten 2,9 Millionen Chinesen Japan. Damit sind die chinesischen Touristen anderen fremden Besuchern in Japan zahlenmäßig weit überlegen.

Japan blieb so eigentlich gar nichts anderes übrig, als sich den vielen chinesischen Touristen anzupassen. Im September 2018 tat sich das beliebte Internet-Portal Yahoo Japan deshalb mit Alipay zusammen, um die Bezahlung mit QR-Codes für Besucher zu ermöglichen.

Im folgenden Oktober machte Yahoo Japan auch Paytm möglich. Paytm ist das größte indische E-Commerce-Zahlungssystem, bei dem Ant Financial auch seine Finger im Spiel hat.

Auch Japans beliebtestes soziale Netzwerk, Line, hat einen QR-Code für kleine und mittlere Transaktionen eingeführt: Nutzer können mit ihrem digitalen Wallet Line Pay bezahlen. Es kommt in Japan jetzt übrigens durchaus vor, dass man mit Line Pay bezahlen kann, aber mit der Kreditkarte nicht.

Mittlerweile folgen auch inländische Banken dem QR-Code-Trend. Im März 2019 hat die Mizuho Bank die digitale Plattform J-Coin Pay veröffentlicht. Auf dieser können Kunden ihre Transaktionen mit über 60 finanziellen Institutionen über QR-Codes tätigen.

Takeme Pay kombiniert die weltweit größten Zahlungsmethoden in einer App

Wir sehen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, beziehungsweise Plattformen, die die Bezahlung mit QR-Codes in Japan ermöglichen. Damit das nicht in einem Chaos tausender Systeme ausartet, erfordert das eine einfache Lösung für alle Zahlungen. Und hier kommt das Start-up Takeme Pay ins Spiel.

Takeme Pay ist ein Integrationsservice für alle Online-Zahlungen. Die Anwendung erlaubt es Nutzern, in Restaurants, öffentlichen Verkehrsmitteln, für Attraktionen und vieles mehr an einem digitalen Ort zu bezahlen.

Die Anwendung vereint Bezahlsysteme wie Alipay, WeChat Pay, Visa, Mastercard, Apple Pay, Line Pay, Rakuten und vieles mehr. Über 30.000 Kaufleute in Japan haben sich über den Service angemeldet.

Auch die Japan Railways Group, die den Japan Rail Pass für den öffentlichen Bahnverkehr stellt, ist an Bord.

So funktioniert das Bezahlen mit QR-Codes

Ein Beispiel: Du möchtest als ausländischer Tourist ein Restaurant besuchen, das keine elektronische Registrierkasse oder eine normale Kasse hat. Der Kellner übergibt dir nun die Rechnung. Als Chinese würdest du sie sicher mit Alipay begleichen wollen.

Der Kellner kann dir jetzt einen QR-Code zeigen, der extra für das Restaurant erstellt wurde, und mit einem Unternehmen wie Takeme Pay, Alipay oder Rakuten verbunden ist.

Als nächstes scannst du den Code mit deinem Smartphone, gibst den fälligen Rechnungsbetrag ein und kannst ganz einfach per persönlichem Code oder Fingerabdruck bezahlen.

Wenn du ein westlicher Tourist bist, könnte der Vorgang für dich gewöhnungsbedürftig erscheinen. Aber wenn du ein zeitgemäßes iPhone oder Android-Smartphone hast, kannst du den QR-Code mit deiner Handykamera scannen.

Der QR-Code-Leser sucht dann eine mögliche Zahlmethode heraus. In vielen Bezahlapps ist dieser bereits integriert. Du kannst aber auch einen allgemeinen Scanner im App-Store von Apple oder im Play Store von Android herunterladen. Bei einem iPhone wäre beispielsweise Apple Pay möglich.

Die Zahlung mit QR-Codes ist simpel

Nachdem sie sich also lange gesträubt haben, haben chinesische Touristen dazu geführt, dass die konservativen Japaner plötzlich selbst auf QR-Codes als Zahlungsmittel setzen. Warum? Ganz einfach, weil es am einheitlichsten und simpelsten ist.

Und hierzulande? In Deutschland und Europa sind wir für solche Zahlungsmethoden offenbar noch längst nicht bereit. Vielleicht würde es uns manchmal nicht schaden, etwas technologieoffener zu sein – und uns das ein oder andere von den Touristen, die ins Land reisen, abzuschauen.

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Über den Autor

Vivien Stellmach

Vivien Stellmach war von Mai 2019 bis November 2020 Redakteurin bei BASIC thinking.