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Der autofreie Tag bring nichts! [Kommentar]

Fahrrad, Park
Das Auto stehen lassen und stattdessen z.B. Fahrrad fahren - das ist die Idee am autofreien Tag. (Foto: Pixabay / Pexels)
geschrieben von Marinela Potor

Am 22. September zelebrieren viele Städte weltweit den autofreien Tag. Das heißt: Vor allem Transportanbieter und Umweltverbände rufen mit verschiedenen Aktionen dazu auf, das Auto stehen zu lassen. Die Idee ist gut, bringt aber langfristig herzlich wenig. Ein Kommentar. 

Autofreier Tag oder „Car Free Day“ wird am 22. September weltweit gefeiert. Dabei war seine Einführung eher aus der Not der Ölkrise geboren.

Mittlerweile hat der autofreie Tag aber eine andere Bedeutung angenommen. Umweltverbände, Kommunen und ÖPNV-Verbände tun sich dafür zusammen, um nachhaltige Mobilität zu fördern. Das heißt: Man soll das Auto mal stehen lassen und stattdessen Bus, Bahn oder Fahrrad fahren oder einfach mal zu Fuß gehen.

In Europa gibt es seit 2002 in einigen Städten eine Mobilitätswoche, in der der autofreie Tag ausgeweitet wird.

All das klingt sehr schön, doch seien wir ehrlich: Es ist nur Kosmetik.

Was ist mit den anderen 364 Tagen?

Natürlich finde ich es klasse, wenn man mal wenigstens einen Tag im Jahr (oder eine Woche lang) Menschen dazu animiert, alternative Transportmittel auszuprobieren.

Auch Aktionen wie beispielsweise der Berliner Verkehrsbetriebe, sind löblich. Die BVG möchte zum Beispiel in diesem Jahr Berliner für den Preis einer Einzelfahrkarte (2,80 Euro) den ganzen Tag lang transportieren.

Dagegen ist nichts einzuwenden. Was mich aber stört, ist, dass es damit dann oft getan ist. Man fühlt sich gut, weil man ja was zum autofreien Tag gemacht hat, aber was ist mit den anderen 364 Tagen im Jahr?

Genau genommen stören mich drei Dinge am autofreien Tag. Erstens, es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zweitens, fehlt mir die langfristige Vision. Drittens, geht er wirklich an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei.

Ein autofreier Tag pro Jahr: Wieso nicht jede Woche?

Wieso macht man das zum Beispiel nicht regelmäßiger?

In der kolumbianischen Stadt Medellín etwa – um nur ein Beispiel zu nennen, das ich sehr gut kenne – ist jeder Sonntag in bestimmten Zonen der Stadt autofreier Sonntag. Da werden ganze Stadtteile für Autos und Motorräder zur Sperrzone und die Einwohner lieben es.

Man sieht Fahrräder, Spaziergänger, Eltern mit Kindern, Menschen mit ihren Hunden, Jogger oder Skater, die sich sonst fast gar nicht auf die stark befahrenen Straßen trauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für einige ausgewählte Stadtteile in deutschen Großstädten ein unmögliches Unterfangen wäre.

Denn tatsächlich profitieren davon auch Geschäfte in diesen Gegenden. Anstatt, dass Menschen hier durchrasen, nehmen sie sich die Zeit für einen Kaffee oder nehmen überhaupt den kleinen Laden wahr, den sie sonst gar nicht gesehen hätten.

DAS fände ich wirklich mal ein Zeichen für nachhaltige Mobilität!

Autofrei nur in Großstädten möglich

Gleichzeitig muss sehr viel mehr passieren, wenn wir wollen, dass der Autoverkehr in Deutschland insgesamt zurückgeht.

Mich nervt es sehr, wie da aktuell die Großstädter die Landbewohner beschimpfen („Ihr lasst euer Auto nie stehen und pendelt damit von Montag bis Freitag in unsere Städte!“) oder Landbewohner die Städter anmeckern („Ihr rollt am Wochenende alle mit euren Autos an, um unsere frische Luft zu genießen!“).

Egal, wer da jetzt mehr oder weniger im Recht ist: Schön wäre es, wenn wir gemeinsam darauf hinarbeiten würden, dass niemand mehr auf ein Auto ANGEWIESEN ist.

Es ist nämlich totaler Unfug von Menschen zu verlangen, das Auto stehenzulassen, wenn sie keine guten Alternativen haben oder es sehr viel bequemer ist, mit dem eigenen PKW von A nach B zu gelangen.

Ich könnte zum Beispiel gut auf den Aktionstag am 22. September verzichten, wenn ich dafür Aktionen an anderen Tagen im Jahr sehen würde. Also etwa:

  • Kleinstädte besser an Bahnhöfe anbinden
  • ÖPNV (auch auf dem Land und als Pendeloption in die Stadt) attraktiver machen
  • Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger in Städten verbessern
  • Fördermittel für Kommunen schaffen, die selbst im ländlichen Raum auf geteilte Mobilität setzen möchten
  • Anreize schaffen, um das Auto stehenzulassen – und das langfristig

Natürlich gibt es Beispiele für all das. Doch sehr vereinzelt und meist stecken dahinter engagierte Kommunen oder Bürger. Das ist ja nicht schlecht.

Doch wenn man wirklich eine Verkehrswende möchte, dann muss man sich schon auch als gesamtes Land dazu bekennen und nicht darauf hoffen, dass ein Bürgermeister hier oder ein Verein dort es reißen.

Ein autofreier Tag im Jahr ist daher gut und schön und definitiv unterstützenswert. Wenn es aber nur dabei bleibt, ist er langfristig vielleicht nicht völlig sinnlos, aber wenig mehr als ein Lippenbekenntnis.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.