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Lonely Planet schließt Büros – und ist größtenteils selbst Schuld daran

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Corona allein ist nicht Schuld an der Krise beim Lonely Planet. (Foto: Unsplash / Tobias Tullius)
geschrieben von Marinela Potor

Der Reisebuchverlag Lonely Planet hat angekündigt, dass er angesichts der Coronakrise seine Büros in Melbourne und London „fast vollständig“ schließen muss. Doch wer ehrlich ist weiß, dass Lonely Planet eine große Mitschuld daran trägt. Eine Einschätzung. 

Das Coronavirus trifft die Reisebranche besonders hart. Jetzt hat es aber einen der ganz Großen in der Branche erwischt: Lonely Planet. Der Reisebuchverlag hat angekündigt, dass er seine Büros in Melbourne und London fast vollständig schließen muss.

Die berühmten Reiseführer sollen weiterhin veröffentlicht werden, wenn auch mit Einschränkungen. Das bezeichnet das Ende einer Ära und ist für Reisende und Experten zugleich ein großer Schock. Doch wenn man ganz ehrlich ist: Das hat sich Lonely Planet durch schlampige Arbeit – und das seit Jahren – auch selbst eingebrockt.

Lonely Planet: Einst Reisebibel, nun Existenzkrise

Wer reist, kennt den Lonely Planet. Der blaue Reiseführer gehört zu den Platzhirschen unter den Reisebuchverlagen und galt lange als DER Reiseführer schlechthin.

Das liegt daran, dass Lonely Planet über Jahrzehnte hinweg seiner Linie treu blieb. Es war ein Reiseführer mit ehrlichen, authentischen und akribisch (vor Ort!) recherchierten Reisetipps – und das teilweise zu Regionen, in die sonst niemand reiste.

Der erste Lonely Planet, „Across Asia on the Cheap“, erschien 1972. Geschrieben hat ihn Tony Wheeler nach einer Reise mit seiner Ehefrau Maureen. Die beiden waren begeisterte Reisende und weil Freunde sie ständig nach ihren Tipps fragten, machten sie schließlich ein Geschäft daraus.


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Der große Durchbruch kam schließlich mit dem Band „Lonely Planet India“ im Jahr 1981. Daraus macht das Ehepaar schließlich einen weltweiten Konzern, der bis vor Kurzem 400 Mitarbeiter in Büros weltweit sowie 400 Autoren beschäftigte.

Vor allem das Aus im Flaggschiff-Büro in Melbourne ist ein Zeichen dafür, dass es dem Verlag wirklich schlecht geht. Dennoch, daran ist nicht nur die Coronakrise Schuld.

Seit Jahren schlampt Lonely Planet bei seinen Reiseführern, enttäuscht Leser und hat auch noch den Anschluss an die digitale Welt verpasst. Die aktuelle Krise ist also auch zu großen Teilen hausgemacht.

Reiseführer sind fehlerhaft, überholt, irrelevant

Ich verdeutliche das mal an einem Beispiel. Vor ein paar Jahren lieh mir eine Freundin für eine Reise ihren damals aktuellen Südostasien-Führer von Lonely Planet aus. Vor Ort stellte ich dann fest: Viele Informationen stimmten überhaupt nicht oder die empfohlenen Hotels und Restaurants gab es schon lange nicht mehr.

Wie kann das bitte in einem aktuellen Reisebuch sein?

Darüber hinaus waren die Informationen an sich auch nicht sehr außergewöhnlich. In jedem Hostel vor Ort bekam ich genau die gleichen, wenn nicht interessantere Tipps. Mal abgesehen davon, dass die empfohlenen Unterkünfte und Restaurants häufig überteuert wirken, vor allem, wenn man sich als Reiseführer für Backpacker mit kleinem Budget vermarktet.

Und das ist nicht nur bei diesem einen Reiseführer so gewesen.

Meine Erfahrung mit Lonely Planet ist: Es ist okay als Einstieg und Ideengeber, aber für die tiefergehende Reiserecherche finde ich die Bücher (insbesondere die Südamerika-Reihen) überholt, antiquiert und sie enthalten für mich keine Infos, die ich nicht woanders auch besser bekommen kann.

Das ist auch das Feedback, das ich seit Jahren von anderen Reisenden höre.

Während der Lonely Planet mal für Reisen abseits der ausgetrampelten Pfade stand, kann man das von den aktuellen Büchern leider nicht mehr sagen.

Thorntree-Forum ist nur traurig

Gleichzeitig stehen Reisenden im Internet so viele neue Ressourcen zur Verfügung. Da hat der Lonely Planet eindeutig den Anschluss verpasst. Die eigene Website ist mehr eine Content-Maschine, wo es nur so von Listen-Artikeln (wahrscheinlich gut für die Klick-Rate) wimmelt. Wirkliche Insider-Tipps haben Seltenheitswert.

Spätestens seit 2013, als die BBC den Lonely Planet an Brad Kelley verkaufte und die Website und auch das dazugehörige Thorntree-Forum überarbeitet wurden, geht es meiner Meinung nach steil bergab. Das Forum war für mich bis dahin eine wahre Fundgrube. Jede Frage, die man hatte, konnte man entweder schnell finden oder innerhalb kürzester Zeit beantwortet bekommen.

Doch anstatt darauf aufzubauen, löschte man viele Threads, vergraulte Nutzer und das neue Forum ist jetzt einfach nur traurig.

Die Antworten sind veraltet und kaum jemand antwortet mehr auf Fragen. Kein Wunder, dass viele Reisende bei Bloggern, in Facebook-Gruppen oder auf Portalen wie Tripadvisor nach Informationen suchen – und nicht beim Lonely Planet.

Eine persönliche Facebook-Umfrage des Reisebloggers Matthew Kepnes (Nomadic Matt) zum Lonely Planet verdeutlicht dies.

Er wollte wissen, wer überhaupt noch den Lonely Planet nutzt. Ein Nutzer schreibt dazu: „Ich habe LP-Bücher seit 2001 mit auf allen meinen Reisen gehabt. […] Auf meiner letzten Reise jedoch fand ich den LP nicht so gut. Viele Infos fehlten, waren nicht korrekt … und ich hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr so gründlich waren wie früher.“

Eine andere Userin sagt: „Mir fällt verstärkt auf, wie es mehr und mehr Fehler gibt und die Preise stimmen NIE. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Updates aus der Ferne gemacht werden und dass sie nicht mehr zurückgehen und die Recherche selbst machen.“

Gekaufte Bewertungen?

Ein weiteres Gerücht, das in Reisekreisen immer wieder zu hören ist: Lonely-Planet-Autoren sind nicht mehr ehrlich. Angeblich bekommen sie sehr wenig Gehalt und lassen sich dieses durchaus häufig dadurch aufbessern, dass sie ihre Empfehlungen kaufen lassen.

Egal, ob das nun so stimmt oder nicht, wenn die Reise-Community das erstmal glaubt, hast du deine Glaubwürdigkeit als Reiseführer eigentlich verloren – und das ist eigentlich sehr schade.

Denn ich glaube durchaus, dass selbst in Zeiten des Internets ein physischer Reiseführer wie der Lonely Planet seine Berechtigung hat und erfolgreich sein kann.

Chance für Neuanfang

Es hat schon was, die wichtigen Informationen und Karten einfach dabei zu haben anstatt dafür auf das Internet angewiesen zu sein. Auch will nicht jeder Reisende immer Tablet und Smartphone mitnehmen. Und schließlich gibt es auch Menschen, die Bücher aus Papier bevorzugen.

Dafür musst du den Lesern aber etwas bieten, was sie im Internet nicht finden können. Daher hoffe ich, dass aus der aktuellen Krisensituation beim Lonely Planet etwas Positives entstehen kann.

Dass sich der Verlag auf seine Ursprünge besinnt und auf das, was die Reiseführer so beliebt und besonders gemacht hat: authentische, akribische und spannende Reisetipps, bei denen man weiß, dass die Autoren wirklich vor Ort waren und ECHTE Insider-Tipps geben.

Denn andernfalls ist die aktuelle Krise wirklich der Anfang vom Ende vom Lonely Planet.

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Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.