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Start-up-Check! Artificial Ecosystems macht unsere Städte grüner

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Sorgen in Zukunft Moosfassaden für bessere Luft in unseren Städten? (Foto: Pixabay.com / Free-Photos)
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Artificial Ecosystems.

Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Artificial Ecosystems aus Kaiserslautern.


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Wer steckt hinter Artificial Ecosystems?

Leises Vogelzwitschern, das sanfte Rascheln der Bäume und weiches Moos unter den Füßen – das klingt automatisch nach Ruhe und Entspannung, oder?

So ein Spaziergang im Wald wirkt sich noch dazu positiv auf unseren Körper aus. Moos hat beispielsweise die Eigenschaft, Schadstoffe aus der Umgebung zu filtern und sorgt damit für frische, klare Luft in unseren Lungen.

Das Start-up Artificial Ecosystems aus Kaiserslautern will diesen Effekt in die Stadt bringen und begrünt deshalb unter dem Motto „We green the World“ Fassadenplatten mit Moos.

Die hinterlüfteten Vorhang-Fassaden kombinieren natürliches Pflanzenwachstum mit künstlicher Intelligenz und imitieren und überwachen so den natürlichen Lebensraum der Pflanzen. Damit das funktioniert, sind lediglich Regenwasser und ein Internet-Anschluss notwendig.

Hinter dem jungen Unternehmen stehen die Gründer Tobias Graf, Biologe und Pflanzenökologe, Bauingenieur Martin Hamp, IT-Spezialist Björn Stichler sowie Alexander Pohl, der Betriebswirtschaftslehre mit technischer Qualifikation in Maschinenbau studiert hat.

Dieser Kompetenzmix machte die Entwicklung des sogenannten „Byro Systems“ erst möglich.

Die Idee kam Tobias während seiner Diplomarbeit, als er sich mit der Diversität und den Wachstumsbedingungen von Moosen beschäftigte. Im Gespräch mit einem befreundeten Architekten diskutierte er bereits damals über die gestalterischen Optionen von Moosflächen im Bauwesen.

Eine Möglichkeit, Moose auf Flächen anzubringen, sah er zu dieser Zeit jedoch noch nicht. Erst einige Jahre später griff er die Idee während seiner Doktorarbeit zu computergestützten Bewässerungskonzepten für Pflanzen wieder auf und entwickelte sie mit dem Team weiter.

Das Unternehmen selbst steckt noch in den Kinderschuhen und wurde offiziell erst 2020 gegründet. Die Resonanz war bisher jedoch durchaus positiv. Die Gründer gewannen im vergangenen Jahr den Ideenwettbewerb des Landes Rheinland-Pfalz. Sie belegten außerdem den zweiten Platz im Businessplan-Wettbewerb 1,2,3 GO.

Aktuell hat Artificial Ecosystems eine Fassadenplatte von einem Meter Länge und 35 Zentimetern Breite im Repertoire. Durch die Förderungen und weitere Partnerschaften soll das Angebot weiter ausgebaut werden.

So möchte das Start-up die Fassadenplatten künftig in große Bauprojekte integrieren. Das Ziel: Die Natur zurück in die Großstädte holen, um diese grüner und lebenswerter machen.

Was macht Artificial Ecosystems?

Bei den Fassadenplatten von Artificial Ecosystems handelt es sich um hinterlüftete Vorhang-Fassaden, die mittels eines Agraffensystems an der Hauswand angebracht werden.

Sie bestehen aus speziellem Beton, der mit einer im Hintergrund agierenden mikroklimatischen Steuerung eine optimale Lebensbedingung für Moose schafft. Das System verhindert außerdem, dass die Moose über die Ränder der Platten hinauswachsen.

Die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen übernimmt das Bryo System. Für die Bewässerung kommt eine Regenwasserzisterne zum Einsatz. Auf diese Weise wird Regenwasser nutzbar gemacht und die Kanalisation entlastet. Eine zusätzliche Pflege der Pflanzen entfällt.

Apropos Moos: Allein in Deutschland gibt es übrigens rund 1.000 verschiedene Moosarten. Weltweit sind es sogar bis zu 15.000. Für seine Fassadenplatten nutzt das junge Unternehmen vier verschiedene Mischungen aus jeweils drei bis vier Arten.

Diese sind auf unterschiedliche Klimabedingungen ausgelegt: sehr sonnig, schattig, gemäßigt kühl und gemäßigt heiß. Auf diese Weise können die Platten flexibel eingesetzt werden.

Was macht Artificial Ecosystems so besonders?

Fassadenbegrünungen werden vor allem bei Smart-City-Konzepten als absoluter Trend eingestuft. Das große Problem: Bislang sind die laufenden Kosten für die Instandhaltung der grünen Fassaden sehr hoch.

Artificial Ecosystems stellt laut eigener Aussage als erste Firma überhaupt Grünfassaden ohne laufende Kosten her. Das klappt vor allem dank der oftmals unterschätzten Pflanzengruppe der Moose.

Größere Pflanzen überleben den Winter nicht und müssen im Frühjahr erneuert werden. Noch dazu können sich Kletterpflanzen weiter ausbreiten, da sich ihr Wachstum nur schwer kontrollieren lässt.

Moose hingegen sind das ganze Jahr über grün und können problemlos 365 Tage im Jahr draußen bleiben. Abgestorbene und braune Pflanzenreste gibt es damit nicht.

Sie können sich an den verschiedensten Gebäuden festsetzen und weiterwachsen, wenn genug Feuchtigkeit vorhanden ist. Moose haben außerdem keine Wurzeln und nehmen daher Nährstoffe aus der Luft aus.

Das bedeutet auch, dass sie Feinstaub binden und die Luft filtern. Sie dienen zudem als Wärmeisolation und können so die Überhitzung von Gebäuden vermeiden.

Diese perfekten Wachstumsvoraussetzungen stellt das Start-up technisch her. Durch den Einsatz der richtigen Arten und ihrem kontrollierten Wachstum entstehen so wartungsfreie Grünfassaden, deren Umweltleistung das Unternehmen sogar noch visualisieren kann.

Gibt es Kritikpunkte?

Artificial Ecosystems ist nicht das erste Start-up, das mit einem Mooswandsystem den Markt erobern will. Laut den Gründern besteht ihr großer Vorteil jedoch darin, dass sie keine ausgewachsenen Moose auf die Fassaden setzen und versuchen, diese künstlich am Leben zu erhalten.

Die Gründer kultivieren die Moose stattdessen schon sehr früh an ihrem Einsatzort. Auf diese Weise können sich die Pflanzen rechtzeitig an das jeweilige Klima anpassen, was ihr Überleben fördert.

Die Vorteile des Systems liegen natürlich auf der Hand. Das Start-up löst Probleme wie Überhitzung und Luftverschmutzung und verbessert obendrein durch den Einsatz von Gebäudegrün die Lebensqualität in der Stadt – und das ohne großen Wartungsaufwand.

Das Start-up plant, zukünftig ganze Stadtteile auszustatten und so eigene, künstlich geschaffene Ökosysteme mit einer Pflanzen- und Insektenvielfalt zu schaffen.

Anfragen kommen aktuell jedoch eher von Architekten und Bauherren, die mit den Fassadenplatten einen Akzent setzen wollen. Auch private Kunden planen, den eigenen Hauseingang zu verschönern.

Auswirkungen auf die Luftqualität oder die Wärmedämmung hat das in diesem Format natürlich nicht. Dazu braucht es große Flächen und damit große Aufträge.

Damit diese umsetzbar sind, muss über kurz oder lang auch die Produktion optimiert werden. Die Platten werden bislang noch in mühevoller Kleinarbeit hergestellt. Nun ist eine Produktionskette in Planung, die die Arbeitsschritte automatisieren und beschleunigen soll.

Fazit

Weltweit stehen Städte vor großen klimatischen Herausforderungen. Gefragt sind dabei vor allem Lösungen, die Klimaprobleme lokal angehen und auch global langfristig Wirkung zeigen.

Artificial Ecosystems will mit seiner Vision der grünen und smarten Stadt der Zukunft einen Beitrag leisten: Pflanzen, ökologisch imitiert, in Bauwerke integrieren und technisch detailliert überwachen.

Es bleibt zu hoffen, dass das Potenzial der Gründer erkannt wird und sich das noch sehr junge Unternehmen auf dem Markt durchsetzen kann. Ich werde das definitiv im Auge behalten. Mein Fazit lautet: Ein wahrhaft famooses Start-up.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.

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