Bidirektionales Laden kann Elektroautos nicht nur zu Energiespeichern machen, sondern Verbraucher können damit auch Geld verdienen. Die Technologie galt jedoch lange als Batterie-Killer, der die Lebensdauer von E-Auto-Akkus deutlich reduziert. Eine Studie gibt nun Entwarnung.
Hintergrund: Bidirektionales Laden
- Bidirektionales Laden meint das Laden in zwei Richtungen. Heißt konkret: Elektroautos beziehen sowohl Energie aus dem Netz und speisen ungenutzte Energie zurück. Dieses Prinzip ist auch unter dem Namen Vehicle-to-Grid (V2G) bekannt. E-Autos können dadurch als Energiespeicher genutzt werden.
- Laut einer Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und des Ladeanbieters The Mobility House Energy altern E-Auto-Batterien durch bidirektionales Laden in zehn Jahren gerade einmal um 1,7 bis 5,8 Prozent. Die Technologie verspricht E-Autobesitzern demnach Einnahmen von bis zu 600 Euro jährlich.
- Die Treibhausgasminderungsquote ermöglicht es E-Autofahrern bereits, eingesparte CO2-Emissionen an Unternehmen zu verkaufen, die ihre Quote nicht einhalten können. Das ist mit Blick auf das bidirektionale Laden möglich. Denn im Jahr 2019 wurde die EU-Richtlinie 2014/94/EU in nationales Recht umgesetzt.
Einordnung: E-Auto als Energiespeicher
Strom, der bei Überproduktion verpufft, wird mittels bidirektionalem Laden in E-Autobatterien zwischengespeichert und abgerufen, wenn im Stromnetz Bedarf besteht. Elektroauto-Besitzer sollen dafür eine finanzielle Kompensation erhalten.
Politiker, Automobilhersteller und Medien sprechen vor diesem Hintergrund gern von einer Schlüsseltechnologie für die Energiewende oder rollenden Kraftwerken. Praxistauglich ist die Technologie aus Kostengründen, einem geringen Bestand an V2G-fähigen Fahrzeugen und regulatorischen Hürden aber noch nicht.
Die größte Herausforderung: Um Strom vom Auto in das hauseigene Stromnetz zu speisen, ist ein Wechselrichter erforderlich – entweder im Fahrzeug oder der Ladestation. Allerdings unterstützen derzeit nur wenige Elektroautos und Wallboxen diesen Prozess. Eine Nachrüstung ist zwar möglich, häufig aber sehr kostspielig.
Die Studienergebnisse der RWTH Aachen und von The Mobility House Energy nehmen Kritikern jedoch den Wind aus den Segeln. Denn das Argument, dass bidirektionales Laden den Batterien von E-Autos massiv schadet, konnte widerlegt werden – zumal moderne E-Autobatterien ihre Fahrzeuge mittlerweile längst überdauern.
Stimmen
- Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen, prophezeit dem bidirektionalen Laden eine rosige Zukunft: „Intelligentes Laden und Vehicle-to-Grid sind Game Changer für die Elektromobilität. Die häufige Sorge, dass dies der Batterie schadet und eine vorzeitige Alterung bewirkt, kann damit aus dem Weg geräumt werden, wenn ein intelligentes Management eingesetzt wird.“
- Thomas Raffeiner, Gründer und CEO von The Mobility House, denkt natürlich zuerst an sein Unternehmen – sieht aber auch Stellschrauben: „Durch unsere Erfahrung, die wir mit unterschiedlichen Automobilherstellern im Bereich der Vermarktung von Batterien erlangt haben, können wir maximale finanzielle Werte für unsere Kund:innen herausholen. Umso wichtiger ist es jetzt, die regulatorischen Weichen zu stellen, damit wir insbesondere in Deutschland den größtmöglichen Nutzen herausholen können.“
- Johanna Bronisch, Head of Energy Innovation am Innovations- und Gründungszentrum UnternehmerTUM, gibt weitere Dinge zu bedenken: „Im Falle des bidirektionalen Ladens sind die zentralen Hindernisse sicherlich der Mangel an Anreizen für Endkunden, fehlende oder heterogene technische Standards und die schlechte Verfügbarkeit interoperabler und erschwinglicher Hardware. Die „Koalition der Willigen“ arbeitet seit über einem Jahr intensiv daran, diese Hürden zu überwinden. Ich würde mir jedoch eine noch breitere Unterstützung aus der Politik wünschen!“
Ausblick: Bidirektionales Laden
Das bidirektionale Laden könnte sich mit Blick auf die anvisierten zehn Millionen Elektroautos in Deutschland 2030 zu einem wichtigen Baustein der Energiewende entwickeln. Die Technologie könnte nicht nur die Stromnetze stabilisieren und flexibler machen, sondern auch die Strompreise senken.
Elektroautobesitzer könnten sogar Geld mit ihren Fahrzeugen verdienen oder in Kombination mit Solaranlagen ihren Energieverbrauch optimieren. Zwar sinken derzeit die Kosten für bidirektionale Wallboxen, doch für einen flächendeckenden Einsatz stehen noch erhebliche Hürden im Weg.
In Deutschland sind etwa Fragen mit Hinblick auf das EEG, das Energiewirtschaftsgesetz oder Garantiebedingungen der Fahrzeughersteller ungeklärt. Sollten diese Herausforderungen überwunden werden, könnte das bidirektionale Laden ab 2030 flächendeckend verfügbar sein.
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