Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will die deutsche Energiepolitik umkrempeln. Statt auf Förderungen für Solaranlagen, setzt sie auf Gaskraftwerke und Versorgungssicherheit. Doch was bedeutet das für Klimaschutz, Strompreise und Verbraucher?
Hintergrund: Wende bei Energiewende
- Wirtschaftsministerin Reiche zieht ihre Schlüsse aus dem Energiewende-Monitoring ihres Ministeriums. Demnach kommt Deutschland zwar voran, es gibt aber Aufholbedarf. Der Ausbau der Windenergie auf dem Meer lässt etwa zu wünschen übrig. Außerdem bestehen Probleme im Stromsystem, denn: Einst produzierten überwiegend große Kraftwerke Strom. Heutzutage wird er in deutlich kleineren und mehreren Anlagen erzeugt.
- Laut Katherina Reiche braucht es Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, damit die Energiewende gelingt. Deshalb soll in erster Linie Geld gespart werden. Da der Monitoringbericht davon ausgeht, dass der Strombedarf bis 2030 sinkt, will Reiche beim Ausbau der Erneuerbaren sparen. Stattdessen will sie neue Gaskraftwerke bauen – allerdings in mehr als man eigentlich braucht.
- Ein weiterer wesentlicher Punkt: Die Bundesregierung will die staatliche Förderung für private Solaranlagen streichen, da sich diese laut Wirtschaftsministerium mittlerweile auch ohne Zuschüsse rentieren. Stattdessen sollen große Photovoltaik-Anlagen gefördert werden – auch um Schwankungen bei der Stromerzeugung besser ausgleichen zu können. Verbraucher und die Solarbranche verunsichert das.
Einordnung: Energiepolitik der Bundesregierung
Die Bundesregierung verkauft ihre Energiepläne als wirtschaftspolitischen Befreiungsschlag. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sie aber einen Drahtseilakt zwischen Pragmatismus und einem Rückschritt in die Vergangenheit. Denn: Die geplanten Gaskraftwerke gehen am tatsächlichen Bedarf vorbei.
Potenzielle Einsparung schleudert man damit langfristig wieder zum Fenster hinaus – zumal auch die Option auf eine Wasserstoff-Umrüstung über den Haufen geworfen wurde. Wer auf Gas setzt, setzt zudem auf geopolitische Abhängigkeiten, die spätestens seit die Energiekrise wie ein Damoklesschwert über Europa schwingen.
Um die eigenen Klimaschutzziele zu erreichen, schiebt man zudem Zahlen umher, um den eigenen Strombedarf in der Theorie zu drücken. Wirtschaftsministerin Reiche dürfte mit ihren Plänen vor allem den Geschmack der energiehungrigen Industrie treffen.
Während der Strompreis vor allem für Unternehmen sinkt, schauen Verbraucher langfristig in die Röhre. Die Energiepolitik der Bundesregierung dürfte kurzfristig zwar für Entlastung sorgen, langfristig aber neue Probleme schaffen. Getreu dem Motto: Nach mir die Sintflut.
Stimmen
- Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sieht die Energiewende an einem Scheidepunkt: „Wir erreichen Klimaneutralität nur, wenn wir Wachstum, Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen sichern. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sind ebenso zu betrachten und zu berücksichtigen wie der Klimaschutz.“
- Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) kritisiert, dass die Regierung ihre Aufgaben kleinreden würde und Wachstumschancen vergibt. ZVEH-Chef Alexander Neuhäuser dazu: „Statt die Energiewende als Wettbewerbsvorteil zu nutzen, wird sie wieder einmal als Last dargestellt. Im Grunde sendet die Bundesregierung das fatale Signal, dass es kein Wirtschaftswachstum geben wird“, warnt Neuhäuser.
- Auch die Grünen sind von den Energieplänen der Bundesregierung erwartungsgemäß alles andere als begeistert. Grünen-Parteivorsitzende Franziska Brantner kritisiert: „Dieses Gutachten macht eines glasklar: Die Energiewende braucht Planung, Kontinuität und Investitionssicherheit – nicht die Realitätsverweigerung von Reiche.“
Ausblick: Energiewende in Deutschland
Mit ihren aktuellen Plänen könnte die Bundesregierung die Energiewende verschleppen. Die Orientierung an einem vermeintlich „sinkenden Strombedarf“ klingt auf dem Papier zwar nach Effizienz, stellt in der Praxis aber einen Bremsklotz dar. Denn je mehr Industrie, Verkehr und Heizung elektrifiziert werden, desto größer wird der Bedarf an grünem Strom.
Eine Stromversorgung mit Gas ist nicht nur teurer, sondern auch weniger nachhaltig. Die Klimaschutzziele könnten deshalb verpasst werden. Investitionen in klimaneutrale Produktionsweisen brauchen Planungssicherheit und keine Milchmädchenrechnungen und wackelige Prognosen.
Das Streichen der Solarförderung in Kombination mit Milliardeninvestitionen in eine Überkapazität an Gaskraftwerken, lässt wiederum die Frage aufkommen, wer außer der Gaslobby profitiert.
Mit Blick auf die Strompreise bleibt die Rechnung für Verbraucher nämlich unklar. Die Energiewende könnte von einem Bürgerprojekt zudem zu einer Konzernangelegenheit werden.
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