Laut offizieller Statistik des Kraftfahrt-Bundesamts lagen die Neuzulassungen von Elektroautos im ersten Halbjahr 2025 auf Rekordniveau. Das Kfz-Gewerbe kritisiert die Zahlen jedoch als irreführend, da eine echte Kundennachfrage fehle und Hersteller stattdessen vermehrt Eigenzulassungen vornehmen würden – auch, um ihre Bilanz aufzupolieren.
Hintergrund
- Das Kraftfahrt-Bundesamt spricht „von einem Rekordhalbjahr“, was die Neuzulassungen von E-Autos angeht. Laut Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) halte die Flaute dennoch an. Die Zahlen würden über die Realität und die schrumpfende Nachfrage bei privaten sowie die Stagnation bei gewerblichen Zulassungen hinwegtäuschen. Grund seien sogenannte Eigenzulassungen von Autobauern und Händlern.
- Eigenzulassungen umfassen Fahrzeuge, die Hersteller auf sich selbst zulassen – unter anderem für Angestellte oder ihren eigenen Fuhrpark. Viele Autobauer bieten Händlern zudem Rabatte, wenn sie ihnen Neuwagen abnehmen und als Test- oder Vorführwagen zulassen. Das ist üblich. Allerdings sinkt für Händler bei bereits zugelassenen Fahrzeugen gleichzeitig auch die Gewinnspanne.
- In der Regel sind zwei Drittel gewerbliche Neuzulassungen und nur ein Drittel private. Hersteller können mit Eigenzulassungen sogar ihren Absatz steigern. Viele nutzen sie sogar gewissermaßen als Rabatt-Aktion, ohne den Neupreis ändern zu müssen. Für Verbraucher ist das sogar von Vorteil.
Einordnung
Statistik kann verführerisch sein, aber auch den Blick trüben. Hersteller lassen sich etwa gewissermaßen selbst auf ihre eigenen Produkte ein, um ihre Bilanz aufzuhübschen. Das „Rekordhalbjahr“ bei den Neuzulassungen von E-Autos ist deshalb weniger Kaufrausch denn Rechenkunststück.
Eigenzulassungen sind zwar kein exotisches E-Auto-Phänomen, sondern auch bei Verbrennern seit Jahrzehnten gängige Praxis. Doch bei Elektroautos schwingt immer noch das Label „Experiment“ mit.
Die Branche rechtfertigt Eigenzulassungen oft damit, dass Kunden von günstigeren Preisen profitieren. Für Händler schrumpfen jedoch die Margen, während die Hersteller einen Absatzschub verzeichnen. Eigenzulassungen können die Bilanz zwar aufhübschen, E-Autos aber auch weiter auf dem Markt etablieren.
Zwischen Euphorie und Ernüchterung bleibt deshalb die Erkenntnis: Zahlen lügen nicht, sie flunkern aber durchaus. Denn ein Rekord kann auch selbst heraufbeschworen werden. Wer auf die nackten Zahlen vertraut, läuft daher Gefahr, statt Realität nur eine Maskerade zu sehen.
Stimmen
- Thomas Peckruhn, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), kritisiert: „Was statistisch als Erfolg erscheint, ist in der Realität häufig das Ergebnis von Eigenzulassungen durch Hersteller und Händler, Flottengeschäften oder taktischen Maßnahmen – nicht aber von echten Kundennachfragen im Handel.“
- Der Münchner Autobauer BMW widerspricht: „Einen überproportionalen Anteil an Eigenzulassungen können wir im deutschen Markt bei BMW und Mini im ersten Halbjahr 2025 nicht bestätigen. Wachstumstreiber bei den BEVs waren hier vielmehr private und gewerbliche Kunden.“
- Schriftsteller Ulrich Woelk in einem Interview: „Zahlen vermitteln in unübersichtlichen Zeiten ein verlässliches Gefühl. Das liegt vor allem daran, dass wir dazu neigen, Zahlen als eindeutig zu betrachten. Wenn ein Fußballspiel 3:0 ausgegangen ist, gibt es nicht mehr viel zu diskutieren. Aber leider ist die Eindeutigkeit von Zahlen in der komplexen Wirklichkeit, in der wir leben, nicht ganz so zwingend wie ein Fußballresultat.“
Ausblick
Die Eigenzulassungen bei E-Autos haben sich bei den Händlern in zwei Jahren verdoppelt und bei den Herstellern sogar vervierfacht. Das klingt nach Boom, ist aber eher ein Notnagel. Denn: Die Autobauer basteln sich ihre Erfolgskurve selbst, weil die Kundschaft lieber wartet, zweifelt oder beim Verbrenner bleibt.
Bis 2027 müssen die deutschen Hersteller ihre CO2-Bilanz aufpolieren – und das geht nur mit mehr E-Autos in der Flotte. Strafzahlungen wären andernfalls die Folge und ein wahrer Albtraum für VW, BMW oder Mercedes. Also wird zugelassen, was die Statistik hergibt, Kundeninteresse hin oder her.
Für den Durchbruch auf den Straßen braucht es aber mehr als Bilanzkosmetik: etwa Ladesäulen in Reichweite. Der Strompreis ist ebenfalls ein Bremsklotz – auch aufgrund des Tarifdschungels der Ladesäulen-Anbieter. Die Politik steht deshalb unter Strom: Sie muss Netze ausbauen, Preise drosseln und verloren gegangenes Vertrauen wieder aufladen.
Aber auch bei den Herstellern muss ein Umdenken stattfinden. Denn die deutschen Autobauer haben lange am Markt vorbei produziert. Getreu dem Motto: größer, teurer, will aber keiner haben. Mit preiswerten Einstiegsmodellen und politischer Unterstützung dürften die Zulassungszahlen weitaus weniger Mogelpackung sein.
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