Eine mittels Künstlicher Intelligenz generierte Kunstfigur hat in der Schauspiel-Branche für einen Aufschrei gesorgt. Geht es nach ihrer Schöpferin, soll die KI-Schauspielerin Tilly Norwood schon bald in Filmen mitspielen. Echte Schauspielerinnen und die US-Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA sind entzürnt.
KI-Schauspielerin: Wer ist „Tilly Norwood“?
- Tilly Norwood ist eine Kunstfigur des KI-Studios Particle 6 Productions, die auf dem Zürich Film Festival (Zurich Summit) vorgestellt wurde. Studioleiterin ist die niederländische Künstlerin Eline Van der Velden, die als Schauspielerin, Autorin und Produzentin in London arbeitet. Bislang hatte sie nur kleinere Auftritte in britischen TV-Serien. Seit der Vorstellung von Norwood steht Van der Velden im Rampenlicht.
- Kurz vor der Veröffentlichung eines KI-generierten YouTube-Videos, in dem auch Tilly Norwood vorkommt, hat Van der Velden offiziell die Gründung des KI-Talentstudios Xicoia bekannt gegeben. Die Particle6-Tochter soll hyperrealistische digitale Schauspieler erschaffen, managen und monetarisieren. Auch wenn Tilly Norwood nicht echt ist, soll ihr Webauftritt offenbar einen anderen Eindruck erwecken.
- Bereits 2023 hat KI die Schauspiel-Branche in Aufruhr versetzt. Ein Streik legte Hollywood damals komplett lahm, was zu zahlreichen Filmverzögerungen führte. Hauptstreitpunkt zwischen Gewerkschaften und Filmstudios: der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Filmproduktionen – vor allem im Textbereich. Im vergangenen Jahr einigte man sich auf bestimmte Regeln zum Einsatz von KI.
Einordnung: Künstliche Intelligenz in Hollywood
Hollywood ist wieder einmal in Aufruhr, ausnahmsweise aber nicht aufgrund eines Aftershow-Skandals. Denn KI-Schauspielerin Tilly Norwood hat keine Star-Allüren. Doch genau das ist das Problem. Denn die KI-Technologie hinter der Kunstfigur könnte so manch einen Schauspieler aus dem Rampenlicht drängen.
Das KI-generierte Video, in dem Norwood zu sehen ist, wirkt zwar noch recht steif und auch Laien dürften erkennen, dass es sich darin nicht um echte Schauspieler handelt. Doch KI-Technologien entwickeln sich derzeit rasend schnell weiter. Darauf spekulieren auch Firmen wie Particle 6 und Gründerin Eline Van der Velden.
Denn in der Theorie könnten KI-generierte Kunstfiguren echte Schauspieler schon arbeitslos machen und sich kaum noch von diesen unterscheiden lassen. Für Filmstudios wäre das in puncto Kosten und Effizienz ein echter Gewinn. Doch viele namhafte Hollywood-Stars schlagen bereits Alarm.
Während sich die großen Stars mit ihren Namen und Gesichtern wohl kaum Sorgen machen müssen, stellen KI-Produkte wie Tilly Norwood für weniger renommierte Schauspieler eine echte Bedrohung dar. Die Debatte dürfte jedoch weniger eine Frage der Technologie sein, sondern der Deutungshoheit, künstlerischen Darstellung und Authentizität der Filmbranche.
Stimmen
- KI-Studioleiterin Eline Van der Velden erklärte gegenüber Broadcast International: „Wir möchten, dass Tilly die nächste Scarlett Johansson oder Natalie Portman wird, das ist das Ziel unserer Bemühungen. Die Menschen erkennen, dass ihre Kreativität nicht durch ein Budget eingeschränkt werden muss – es gibt keine kreativen Zwänge, und deshalb kann KI wirklich positiv sein. Es geht nur darum, die Sichtweise der Menschen zu ändern.“
- Schauspielerin und Hollywood-Star Emily Blunt zeigte sich in einem Interview entsetzt, als ihr Tilly Norwood gezeigt wurde: „Nein, ist das Ihr Ernst? Das ist eine KI? Meine Güte, wir sind verloren. Das ist wirklich sehr beängstigend. Bitte, Agenturen, tun Sie das nicht. Bitte hören Sie auf damit. Bitte hören Sie auf, uns unsere menschliche Verbindung zu nehmen.“
- Auch die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA übt Kritik: „Kreativität ist und sollte auch weiterhin menschenzentriert sein. Die Gewerkschaft lehnt den Ersatz menschlicher Darsteller durch synthetische Figuren ab.“
Ausblick: KI-Schauspieler als Jobkiller?
Dass Gewerkschaften und Schauspieler aufgrund von technischen Spielereien à la Tilly Norwood Alarm schlagen, ist kein hysterischer Reflex, sondern Teil berechtigter Sorgen. Obwohl Hollywood wohl eine der kapitalistischsten Branchen der Welt ist, haben Gewerkschaften großen Einfluss und konnten diesen bislang auch nutzen.
KI-Darsteller können derzeit zwar noch keine echten Schauspieler ersetzen, aber hinter den Kulissen dürften sich viele Produktionsfirmen bereits die Hände reiben. Denn: Aus Arbeitgebersicht sind Kunstfiguren wie Tilly Norwood ein Traum. Beispielsweise weil sie nicht an gewerkschaftlich organisierten Streiks teilnehmen können.
Aktuell würden Produzenten mit den gewerkschaftlichen Verträgen brechen, wenn sie Norwood vor die Kamera bringen würden. Angesichts der Geschwindigkeit des Fortschritts im KI-Bereich, dürfte die Frage aber sein, ob und wie die Karten bei der nächsten Verhandlungsrunde neu gemischt werden.
Ob sich KI-Schauspieler durchsetzen werden, wird letztlich auch das Publikum entscheiden. Denn: Einerseits lieben Menschen technologischen Fortschritt. Andererseits sind sie aber auch Fans von bekannten Gesichtern, Skandalen und dem Glamour in Hollywood.
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