Ich bin dafür, dass es einen Führerschein für Social Networks geben sollte – einen obligatorischen Test, der vor der Anmeldung abgelegt werden muss. Grundlegende Frage der Netiquette und zum technischen Know-How sollten gestellt werden. Und Datenschutz. Vor allem zum Datenschutz, Datenschutz, Datenschutz. Hatte ich schon Fragen zum Datenschutz gefordert?
Es ist nämlich immer wieder dasselbe: Völlig zu Recht knüppeln Netzaktivisten regelmäßig auf die Sammelwut der Regierung (Stichwort: Vorratsdatenspeicherung – hier übrigens eine aktuelle Stellungnahme des CCC) und der Target-orientierten Online-Werbeindustrie ein. Gleichzeitig lassen aber viel Nutzer im Netz noch immer ganz von alleine die Hüllen fallen, vollführen intimste Schleiertänze vor den Augen der ganzen Nation: „Hier die Party-Bilder vom Wochenende“, steht im VZ-Bilderbuch. „Ich hasse meinen Chef“, heißt es bei Twitter. Ich verstehe die Leute nicht…
Ein klassisches Beispiel virtueller Entblätterung (und ihrer fatalen Folgen) konnten wir am Wochenende in Großbritannien beobachten. Ich will der Gattin des künftigen MI6-Chefs nicht zu nahe treten, aber entweder hat die Dame zuviel an altem Teegebäck geknabbert oder hat von modernen Medien soviel Ahnung, wie Vattenfall von dem Betrieb eines Atomkraftwerks. Was war geschehen? Die Ehefrau von Sir John Sawers, der bisherige englische Uno-Botschafter und nun das designierte Oberhaupt des britischen Auslandsgeheimdienstes, hat Facebook entdeckt und munter drauflos genetworkt. Zuerst kommen ja die „Freunde“: Neben einigen Promis und anderen Sternchen der britischen Unterhaltungsindustrie, setzte Lady Shelley Sawers auch David Irving auf die Liste, seines Zeichens Historiker und nebenbei eifriger Holocaust-Leugner.
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Shelley plauderte regelmäßig aus dem Nähkästchen, etwa hieß es am Tag der Chef-Ernennung ihres Mannes: „Gratulation zum neuen Job, wer es weiß, nennt ihn bereits ‚Uncle C‘!“ – Das ist sein neuer Codename beim MI6, stellt ihn das Boulevardblättchen Mail on Sunday vor. Es folgten die rührseligen Fotoaufnahmen vom 80sten Geburtstag der Mutter von John Sawers: Wir sehen die nahen Verwandten, inklusive den Kindern des Ehepaars und ihren Freunden.
Na, jetzt wo ich schon so progressiv offen auf Facebook bin, mach ich auch direkt weiter, muss sich Shelley gedacht haben. Also schrieb sie jedem, der es nicht wissen wollte, wo sich die Wohnung des Ehepaares in London befindet und wo die Kinder zur Schule gehen. Achja – und dann waren da noch die privaten Urlaubsfotos, die Herrn Sawers spielend und planschend am Strand zeigen. Die „New York Times“ lachte sich später über die Bilder kaputt und betitelte die Story mit „Ein Spion wird auf Facebook aufgedeckt – und seine weißen, bleichen Beine auch“. UK-Außenminister David Miliband versucht derweil die Situation herunterzuspielen: „Dass er Speedo-Hosen trägt, ist kein Staatsgeheimnis“, sagt er im Interview. „Die Tatsache, dass es da ein Bild gibt, in dem der Chef von MI6 schwimmen geht – wow, das ist wirklich aufregend.“ Statements zu den anderen pikanten Details, die geleakt sind, konnte ich jedoch nirgendwo finden.
Vor Jahren hätten Staatsfeinde eine Menge Geld für derlei Informationen gezahlt – es ist gar nicht so lange her, dass die Namen des MI6-Personals so geheim gehalten wurden, dass nicht einmal britische Regierungsangehörigen sie kannten: Ich meine, wir reden hier von dem Verein, dem auch James Bond 007 angehört.
Ich will Lady Shelley gar nichts Böses, ich kann aber nur hoffen, dass ihr Mann ihr das Notebook weggenommen und „Du! Du! Du!“ gesagt hat. Oder der englische Steuerzahler, der nun erstmal eine neue Bleibe für die beiden und die Aufstockung des Bodyguard-Teams finanzieren darf. Auf der anderen Seite: Großbritanien ist ja bereits gewöhnt an Datenpannen, -unfälle und -skandale. Dann kann so etwas ja auch schon einmal in einem privaten Rahmen passieren…
(André Vatter)
die Gattin hat bestimmt zu viele Kekse gegessen. Sie sollte außerdem von Tee besser auf Kaffee umsteigen..das macht bekanntlich fitter…
Man kann sich ja über so einiges aufregen. Man kann auch so einiges fordern. Aber warum die Aufregung?
Warum regen sich so viele über die Leute auf, die Infos ins Netz stellen. Kann nicht mal jemand über die Leute meckern, die die Daten missbrauchen (wie beispielsweise Urlaubsfotos in Zeitungen und Blogs stellen)?
Die „gute“ Frau ist nun mal eine Privatperson die wie viele andere Ihr leben mit anderen Teilen will. Ich seh da nichts schlimmes bei… Vorwürfe würde ich wie gesagt den Leuten machen die diese Infos missbrauchen. Was habe ich denn beispielsweise auf einem Profil zu suchen den ich nicht kenne? Steckt da dann nicht schon eine gewisse Absicht hinter?
Ob ich nun laut in der S-Bahn telefoniere und jedem erzähle das dieses und jenes passiert ist oder es in mein FB-Account schreibe… Es ist doch die Gegenseite die was verwerfliches daraus macht.
@Nebra naja, aber ich denke mal dass der Gattin bewusst ist, welches Amt ihr Mann ausführt und sie ist aufgrund dessen bestimmt ein gewisses höheres Maß an Diskretion gewohnt. Von daher denke ich, dass Sie einfach so naiv war zu denken die Daten seinen in FB sicher *muhaha bzw. nur „Freunde“ könnten diese einsehen.
Würde man sie fragen, ob sie sich jemals die privacy settings vorgenommen hat, würde sie dies bestimmt verneinen.
@Nebra: Die Verbreitung von privaten Sachen ist ja immer davon abhängig, welche Kommunikationsmittel ich nutze. Selbst in der S-Bahn gibt es Leute, die sich für dein lautes Telefongespräch interessieren und es weitererzählen. Allerdings verpufft das ganze relativ schnell. Im Internet ist es eben nicht so… und darüber sollte sich jeder Nutzer bewusst sein – insbesondere dann, wenn man die Frau eines Geheimdienst-Chefs ist! Für mich klingt das einfach nur nach Blauäugigkeit… Schließlich sollte jeder soviel Grips im Hirn haben, um zu wissen, dass das world wide web seinen Namen nicht für umsonst hat. Denn jeder ist zunächst einmal selber verantwortlich, was er veröffentlicht und was nicht… Und dass man verlangen sollte, einfach nicht auf fremde Seiten zu gucken, widerspricht ja schon fast der Idee solcher Netzwerke…
Im Übrigen finde ich so einen Netzpass keine schlechte Idee…
@Daniela: *thumbsup*
In Ländern, die einen Hang zum Überwachen der eigenen Bevölkerung haben, ist es doch nur konsequent, wenn Staatsbedienstete erstmal bei sich selbst anfangen. Also nur zu 😉
Ach, immer diese Paranoia. Natürlich sollte man darauf achten, dass unliebsame Informationen nicht unbedingt an die große Glocke gehangen werden können, aber an sich finde ich diese Radikalisierung des Datenschutzwillens stellenweise etwas übertrieben. Wir könnten natürlich das Internet vollkommen unpersönlich gestalten, aber ich wage zu bezweifeln, dass dann noch irgendwer ein übergeordnetes Interesse daran hätte…