„Ich sagte, ich will keinen Streuverlust! Wenn wir schon die Kampagne in zweistelliger Millionenhöhe fahren, will ich, dass sie auch bei allen ankommt!“ So könnte der Markenchef von McDonald’s während eines „Meetings“ im „Konfi“ gedonnert haben. „Also noch einmal! Wie können wir unsere Kunden auf möglichst breiter Front erreichen? Mein Gott: Wer – bitteschön – mag keine BigMacs?“ Es ging ihm nicht um verschiedene Altersgruppen oder darum, die Anhänger der überkommenen Fitness-Welle mit Salaten wieder ins Boot zu holen. McDonald’s hatte viel höhere Ziele im Visier. Nichts Geringeres, als die gewinnbringende Völkerverständigung bei einem gemeinsamen Happy Meal: Die Markenabteilung wollte alle ethnischen Gruppen der USA an einen Tisch bringen. Genauer gesagt, ihren Tisch. Und den Anfang sollten die Schwarzen machen.
Viele US-Konzerne gelten – wenn nicht selbst durch jemanden mit afrikanischen Wurzeln geführt – gemeinhin nicht wirklich als große Freunde der schwarzen Hautfarbe. Wer ein Fast Food-Restaurant in den Staaten betritt, wird auf Farbige treffen – doch die meisten von ihnen stehen hinter und nicht vor dem Tresen. Die beruflichen und sozialen Nachteile, denen Schwarze bis heute in Amerika (und bekannterweise nicht nur dort) ausgesetzt sind, werfen auch ein schlechtes Licht auf Unternehmen, denen damit eine nicht zu unterschätzende Zielgruppe durch die Lappen geht.
Die zündende Idee in diesem Meeting hatte dann die Burrell Communications Group, die seit den siebziger Jahren regelmäßig an den Sitzungen teilnimmt. Wie wäre es, wenn man endlich den Quatsch mit der pauschalen Publikumsansprache knicken würde. „Weiße ticken eben anders als Schwarze“, so das Theorem der Diskussion. Die anderen waren schnell überzeugt, nicht zuletzt, weil der Chef der Werbeagentur von der der Vorschlag kam, Thomas Burrell, selbst Afro-Amerikaner ist.
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Die Kampagne läuft bereits seit einiger Zeit – mit Erfolg möchte man meinen, denn jüngst hat die „McDonald’s ist auch lieb zu Schwarzen“-Werbeaussage auch den Sprung ins Netz geschafft. Unter 365Black.com gibt es eine spezielle Website für Afroamerikaner. Dort steht zu lesen:
Wir bei McDonald’s glauben, dass die afrikanisch-amerikanische Kultur und ihre Errungenschaften 365 Tage im Jahr gefeiert werden sollten – nicht nur während des Black History-Monats. Das ist die Idee, die hinter 365Black.com steckt. Dies ist ein Ort, an dem man mehr über Bildung, Arbeit, Karrieresprünge und Möglichkeiten zum Unternehmertum lernen kann. Und um richtige Menschen zu treffen, deren Leben von McDonald’s berührt wurden.
Als die Seite das erste Mal bei Digg lanciert wurde, gab es ein geteiltes Echo. Von „Wo ist 365White.com?“ über ein paar weitere rassistische Kommentare bis hin zu folgendem Statement, das eine Neuinterpretation der Absichten zum Besten gibt:
Wir haben einen aufstrebenden Markt bei den unterprivilegierten Afroamerikanern entdeckt und hoffen nun, dick Kohle bei den Leuten zu machen, indem wir Verständnis vorgaukeln und ihnen Hühnchen, Melonen und Baseball-Camps bieten. Unsere Marktanalyse hat ergeben, dass dies die Schlüsselelemente innerhalb der afroamerikanischen Kultur sind und werden sie noch durch Gospel, Hip-Hop und glitzernde Sachen weiter aufwerten, indem wir diesen Leuten ‚Chancen‘ einräumen, Lohnsklaven für McDonald’s zu werden. – „I’m hatin‘ it!“
McDonald’s hat sich durch die Resonanz nicht aus der Ruhe bringen lassen. Im Gegenteil: die Fleischklopskette bastelt fleißig weiter an der Teilung der Gesellschaft. Im Fahrwasser der Kampagne sind nun weitere ethnische Gruppen in den Fokus gerückt und mit ihnen sogenannte „Markt-Sites“. Unter Meencanta.com sollen beispielsweise speziell Latinos mit einem warmen Händedruck begrüßt werden. Unter Digg tauchte auf folgende Frage auf: „Also Schwarze werden jetzt 365 Tage im Jahr gewürdigt – und die Asiaten bekommen nur einen Monat?“ Gemeint war MyInspirASIAN.com, das McDonalds aus dem Boden gestampft hat, um den Asian Pacific American Heritage Month und die asiatische Kultur zu feiern. Auf der Seite können unter anderem allseits bekannte Fast Food-Sprüche wie „Dieser Platz ist besetzt!“, „Wie esse ich das?“ und „Wo is’n hier das Klo?“ auf Koreanisch, Indisch, Philippinisch und in Mandarin trainiert werden.
Was kommt als nächstes? Man weiß es nicht. Ebenso weiß man auch nicht, ob nicht bald ebenso Deutschland in den Genuss dieser Markt-Seiten kommt. Bei Digg gibt es dafür schon zusätzliche Vorschläge, wie andere Teile der Gesellschaft umschmeichelt werden können, als da wären: „365Mexican.com, 365Poor.com, 365Beard.com – oh, and don’t forget: 365ExploitAnyIssueWeCan.com.“
(André Vatter)