Im Juli hatten Leser in den Vereinigten Staaten einen kleinen Vorgeschmack erhalten, was passiert, wenn ein Buchhändler seine verkaufte Ware einfach wieder einzieht. Im Zuge von Urheberrechtsstreitigkeiten war Amazon davon ausgegangen, völlig legal zu handeln, als man auf tausenden Kindles ohne Vorwarnung die Orwell-Romane „1984“ und „Animal Farm“ löschte. Eine solche Aktion kostet nicht mehr als einen Knopfdruck, immerhin kann Amazons E-Book-Reader über das Mobilfunknetz mit Inhalten gefüttert oder eben auch auf Diät gesetzt werden.
Die Kunden schrien empört auf, doch kam die lauteste Stimme von Justin Gawronski, einem 17-jährigen Schüler aus Michigan. Amazon habe seine Hausaufgaben aufgefressen! Tatsächlich war es so, dass mit der Löschung von „1984“ nicht nur der Roman fort war – sondern damit auch die komplette Grundlage für seine Notizen, die er sich im Gerät gemacht hatte.
Amazon-Chef Jeff Bezos entschuldigte sich bei allen Kunden persönlich für das Vorgehen, nannte es “dumm und gedankenlos“. Doch Gawronski reichte das nicht, er besorgte sich einen Anwalt und zog vor Gericht. Er wollte einen Präzedenzfall schaffen und Amazon das Versprechen abringen, nie wieder unerlaubte Fernlöschungen vorzunehmen. Und er hat es geschafft…
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Im Internet ist jetzt die Abfindungsvereinbarung (PDF) aufgetaucht, die Amazon mit der Kanzlei geschlossen hat. Darin verpflichtet sich der Buchhändler, Schadensersatz in Höhe von 150.000 Dollar zu zahlen. Das Geld soll allerdings ohne Umwege einer gemeinnützigen Stiftung zufließen. Zusätzlich – und darauf kam es schließlich an – verpflichtet sich Amazon dazu, künftig keine verkauften Bücher mehr unerlaubt einzuziehen. Ausnahmen sind nur dann gestattet, wenn eine gerichtliche Anordnung vorliegt oder ein Computervirus gestoppt werden muss.
Beim Wall Street Journal lesen wir, dass sich Gawronskis Anwalt nach Abschluss des Deals erst einmal den Schweiß von der Stirn wischen musste. „Wenn ein CEO vor die Öffentlichkeit tritt und verspricht, dass so etwas nie wieder passiert, ist das so eine Sache. Es wird allerdings wesentlich glaubwürdiger, wenn das Versprechen in einem rechtsgültigen Dokument wieder auftaucht.“ Während der Gespräche habe Amazon eine „aggressive Verhandlungsposition“ eingenommen, so der Anwalt.
Und was kam für den Schüler dabei herum? Nichts. Gawronski war offensichtlich wirklich nicht auf die Kohle scharf, sondern wollte nur das juristische Feld rund um die neue Technologie neu abstecken. Vor einigen Wochen hatte Amazon seinen betroffenen Kunden einen Entschädigung in Form eines 30-Dollar-Gutscheins angeboten. Gawronski war damit einverstanden. Immerhin – seine Hausaufgaben hatte er letzten Endes ja auch ohne den Kindle fertig stellen können.
(André Vatter)