Die Nachricht machte am Montagabend die Runde – so viele „Breaking“-Hinweise in den Headlines sieht man selten: Google zieht China den Stecker. Dem Entschluss ging ein monatelanger Streit mit der dortigen Regierung voraus, Zensurforderungen wurden nur zur zum Teil und zähneknirschend durch die Suchmaschine umgesetzt. Schließlich brachte Mitte Januar ein Hackerangriff auf Google und zwanzig andere US-Unternehmen das Fass zum Überlaufen. In den vergangenen Tagen stieß Peking immer wieder diffuse Vorwürfe aus, Google sei ein Handlanger der amerikanischen Geheimdienste, dass China das Web in irgendeiner Weise filtere, wurde als „bösartige Lüge“ scharf zurückgewiesen. Das Thema gewann innerhalb Stunden an neuer, politischer Brisanz, die zuletzt auch auf die Beziehung zwischen den beiden Staaten drückte.
Gegen Mittag berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP, dass Google einen Rückzug in Betracht ziehe, laut der „China Business News“, die Quellen bei chinesischen Partnern von Google sitzen hat, könne es schon „Anfang April“ soweit sein. Doch der Schalter wurde nun früher umgelegt: Wer ab heute google.cn aufruft, wird umgehend auf das Pendant aus Hongkong umgeleitet. „Wir haben deutlich gemacht, dass die Attacken und die dadurch offengelegte Überwachung – zusammen mit den Versuchen der letzten Jahre, die Redefreiheit im Netz in China einzuschränken und Seiten wie Facebook, Twitter, YouTube, Google Docs und Blogger zu blocken – uns zu dem Entschluss geführt haben, dass wir nicht länger unsere Suchergebnisse auf google.cn filtern werden“, heißt es dazu erklärend im Google-Blog. Die Umleitung erlaube es allen Usern, eine „unzensierte Suche“ in chinesischer Sprache zu nutzen. Die Server dafür ständen ebenfalls in Hongkong, für einige Zeit könne es wegen der Überlastung zu einigen Verzögerungen bei Suchanfragen kommen – man arbeite bereits an einer Besserung.
Glaubt man den Google-Entscheidern, so hat man sich den Entschluss nicht einfach gemacht: „Wir wollen, dass soviele Menschen wie möglich Zugang zu unseren Diensten haben, auch jene, die in China leben. Doch die chinesische Regierung war während der Diskussion kristallklar in der Äußerung, dass eine Selbstzensur eine nichtverhandelbare, gesetzliche Bedingung sei.“ Google ist sich bewußt, dass der Entschluss eine Provokation sondergleichen ist und rechnet nun mit Gegenschlägen seitens Pekings. Um etwaige Repressionsmaßnahmen öffentlich zu machen (neue Sperren etc.) wurde eine Status-Seite ins Netz gestellt, die über die Verfügbarkeit aller Google-Dienste in China Auskunft gibt.
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Im selben Zug teilte die Suchmaschine mit, dass ein Großteil des bislang in China verbliebenen Personals abgezogen wird, Google will aber mit einer abgespeckten Vertriebszentrale weiter vor Ort sein – wie einflussreich diese operieren kann, hängt von Chinas Antwort auf google.com.hk ab. Offenbar hat Google Angst um die eigenen Mitarbeiter in China: „Wir möchten deutlich sagen, dass all diese Entscheidungen von unseren Managern in den Vereinigten Staaten forciert und umgesetzt wurden. Und dass keiner unserer Angestellten in China dafür verantwortlich gemacht werden kann oder sollte.“
(André Vatter)