Es war inmitten neuer iPods, Apple TVs und iOS‘ die eigentliche Überraschung gestern Abend: Apple steigt mit Ping in das Geschäft mit Social Networks ein. 160 Millionen potenzielle Nutzer, der letzte Nagel im Sarg von MySpace, ein Übertreten der bislang friedlich gehüteten Grenzneutralität mit dem Nachbarn Facebook. Nach ersten Tests legt sich der Staub jedoch langsam wieder: Ping ist zumindest im Moment noch kein Social Network, das Spaß macht oder irgend jemanden angreift.
Schon bei der Registrierung werden erste Fehler offenbar: Ping, das im Schlepptau des durchaus gelungenen neuen iTunes 10 daher kommt, akzeptiert mein Profilfoto nicht. Wie sich zeigt, geht das wohl nicht nur mir so: Bis auf die geförderten Stars hat fast niemand eins. Weitere Bugs ziehen sich quer durch die Software: Versuche ich einem Nutzer zu folgen, der jede Anfrage genehmigen will, poppt ein leeres Fenster auf. Bei Freunden, die bereits einen Antrag gestellt haben – ja, so die Formulierung – um mir zu folgen, muss ich ebenfalls einen Antrag zurückstellen, wenn ich ihren Stream lesen will. Das erinnert an finsterste Kaiserzeitbürokratie und kann kaum so gewollt sein.
Vom Design her gelungen: Ping-Lifestream mit Facebook-ähnlichen Funktionen
Die Navigation ist ein Graus
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Die Navigation erschließt sich mir derweil schwer. Erst nach ein wenig Übung wird klar, dass sich die Menüpunkte des Ping-Fensters in der rechten Seitenleiste nicht auf das Profil des Freundes beziehen, dessen Seite man gerade aufgerufen hat, sondern auf das eigene. Als Navigations-Alternative gibt es sonst nur noch die im iTunes Store bekannten Vor- und Zurücktasten in Pfeilform oben links. Und doch landet man schneller als man sich’s versieht durch eine Unachtsamkeit im iTunes Store. Auch „Meine Rezensionen“ werden im Ping-Fenster angezeigt, was aber noch lange nicht bedeutet, dass man damit eine Rezension schreiben kann. Dafür muss man nach wie vor in den iTunes Store wechseln. Wie komme ich von einer Freundesseite auf die Startseite von Ping zurück? Gute Frage. Nach viel Sucherei scheint der einzige Weg zu sein, herunterzuscrollen und in der Navigationsleiste, die über der Fußleiste platziert ist, auf „iTunes Store > Ping“ zu klicken.
Ersten von Apple geförderten Stars kann ich folgen, Coldplay zum Beispiel, Lady Gaga oder Katy Perry. Aktuelle Neuigkeiten: Linkin Park haben vor zwei Tagen geschrieben und freuen sich auf die neue Tour. Andrea hat darunter kommentiert: „Kommt nach Italien!“. Meng hingegen schreibt „so good“ unter ein Foto, das Jack Johnson vor zwei Tagen postet hat. Kommentare, wie sich selbst bei YouTube kaum banalere finden. Der Livestream erinnert stark an Facebook. Man kann Meldungen mögen oder selbst einen Kommentar schreiben. Stars können Fotos oder Videos posten. Ob es ein Fehler meiner Software ist, dass ich nichts davon sehe?
Schön, aber wo ist es denn?
Ganz nett geworden ist dafür das Tool „Charts“, das Empfehlungen von Freunden an mich weitergibt. Ich kann zum Beispiel sehen, dass ein Freund Fettes Brot hört, kann auf das Album-Cover klicken, die Songs via Store-Pop-up probehören und sogleich kaufen, wenn ich mag. Das ist nicht schlecht. Lieber wäre mir aber eigentlich, wenn ich die Playlists meiner Freunde sehen und darin kommentieren könnte. Kommt vielleicht in einer späteren Version. Ach ja, eigene Statusmeldungen scheint man nicht absetzen zu können. Also doch nicht so modern, das Network.
Nicht einmal annähernd 160 Millionen Nutzer
Alles in allem sehe ich bei Ping gute Ansätze, im Moment allerdings vom Fehler- und Leistungsstatus her eine sehr frühe Beta-Version, um es mal diplomatisch auszudrücken. Der Funktionsumfang ist spärlich. Was an allen Ecken und Enden fehlt, aber offenbar nicht vorgesehen ist, sind Entwicklerschnittstellen. Nur über Musik zu philosophieren, ist auf die Dauer fad. Warum diese Verschlossenheit, wenn doch nur die Integration von Twitter, Last.fm, YouTube, Facebook und Co. ein wenig Abwechslung bringen würde? Facebook-Chef Mark Zuckerbergs Schrecken, als Apple gestern Ping vorgestellt hat, dürfte mittlerweile einem zufriedenen Lächeln gewichen sein. So verschlossen und fehlerhaft und dazu noch an iTunes als Client-Software gebunden funktioniert ein erfolgreiches Social Network nicht.
Die 160 Millionen potenziellen Nutzer, von denen Steve Jobs gestern sprach, sind denn bei näherer Betrachtung lachhaft. Die meist-geförderten Bands haben derzeit 30.000 bis 40.000 Follower. Das dürfte der Zahl derer entsprechen, die sich zur Stunde ernsthaft mit Ping befasst haben. Die Zahl wird schon noch in den einstelligen Millionenbereich steigen. Dort dürfte dann aber Schluss sein.
(Jürgen Vielmeier)