Wirtschaft

(Noch) Nicht lieferbar und schon ein Gadget-Renner – Thermodo macht Smartphones mit findiger Technik zur sozialen Wetterstation

geschrieben von Michael Müller

thermodo

In Dänemark ist es oft kalt. Trotzdem sehr schön. Jedenfalls in Kopenhagen, wo ich zufällig letztes Jahr Silvester verbrachte. Dass die nordische Frische auch pfiffige Ideen hervorbringt, zeigt das Gadget Thermodo der dänischen Softwareschmiede Robocat. Das Projekt schlägt gerade ein wie eine Bombe – und übertrumpfte durch die extrem hohe Nachfrage in kürzester Zeit sein Vorfinanzierungs-Ziel um ein Vielfaches. Das kleine Mini-Thermometer ist noch gar nicht lieferbar, doch schon jetzt eine Erfolgsgeschichte. Crowdfunding sei Dank!

Gadget aus dem Norden

Die Idee ist so simpel wie das äußere Erscheinungsbild des kleinen Steckerchens. Schnell erklärt ist sie auch: Ein Thermometer. Für Smartphones. Misst die Temperatur. Das wars. Okay, ganz so einfältig ist Thermodo dann doch nicht. Ja, der kleine Klinken-Stecker erfasst die Temperatur. Nicht mit Chemikalien, sondern elektronisch. Die Methodik ist dabei so genial, dass ich sie mit meinem physikalischen Laienwissen nur schwer verstehe und vor dem Blick auf den Kalender als Aprilscherz einordne: Thermodo sendet dauerhaft ein Audiosignal aus, das je nach aktueller Temperatur durch den Thermosensor abgeschwächt und verändert wird. Den Ton vernimmt dann das Mikrofon des Smartphones und lässt so eine Auswertung durch entsprechende Software zu. Anders gesagt: die Technik konvertiert die Temperatur in eine elektrische Impedanz. Der Umweg über Schallwellen und Mikro ist nötig, da der analoge Kopfhöreranschluss keinen Rückkanal besitzt. Immerhin, den nötigen Niedrigststrom stellt die Klinke bereit. Thermometer 2.0 könnte man sagen.

Ehrlich gesagt, losgelöst von der raffinierten und spannenden Technik: aus den Latschen geblasen hätte mich diese so schlichte Idee nicht. Über 2.500 freiwillige Vorfinanzierer sehen das anders. Zum Glück! Wäre Thermodo wohl nie realisiert worden, hätten alle so lethargisch reagiert wie ich. Umso besser. Beim Fundraising-Portal Kickstarter stellte die dänische und in der Vergangenheit schon sehr Wetter-affine Entwicklerfirma Robocat vorgestern das Konzept samt Prototypen ein. Gespickt mit einem Vorfinanzierungs-Ziel von 35.000 Dollar, das bereits nach sieben Stunden erreicht wurde. Am heutigen Freitag steht die Dollar-Uhr bereits bei einem mehr als doppelt so großen Wert: nämlich satten 87.063 Dollar (17 Uhr), zusammengetragen durch 2.545 Unterstützer. Tendenz steigend. Ein Hoch auf die Crowd, möchte ich da glatt in die Welt herausschreien!


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Thermometer 2.0 - in schwarz und weiß erhältlich.

Thermometer 2.0 – in schwarz und weiß erhältlich.

Ab 25 Dollar

Der Aufruf zum freudigen Vorfinanzieren läuft noch über 30 Tage und endet am 9. April. Wer sich also noch keinen Thermodo-Stecker gesichert hat, der hat noch ein wenig Zeit die Anschaffung zu durchdenken. Die Preise sind jedenfalls fair.

So verlangt Robocat 25 Dollar für ein wahlweise weißes oder schwarzes Thermosteckerchen. Frühe Vögel erhielten 6 Euro Rabatt – allerdings sind diese allesamt schon ausgeflogen. Zu spät.

Der, die, das Premium-Thermodo mit Aluhülle kostet 39 Dollar. Wer seine Glücksgefühle über das Projekt kaum bändigen kann oder will, für den stehen noch Pakete mit T-Shirts, Stickern und handgemachten Prototypen bereit. Wobei nein, falsch, die frühen Muster sind auch schon weg. Wieder zu spät.

Alle, die ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen und zudem noch programmieren können, erhalten früheren Zugriff auf das Software Developer Kit (SDK) und die iOS-App als der Rest, müssen dafür aber dann mindestens 99 Dollar auf den Tisch legen. Stichwort SDK: Robocat wird eine eigene App für iOS entwickeln. Allerdings geben die Nordlichter der ganzen Welt mit dem SDK die Macht in die Hand, den kleinen Stecker anzusprechen und seine Daten zu verwerten. One Kit to rule them all, sozusagen.

Das Klinken-Thermometer in einem iPad.

Das Klinken-Thermometer in einem iPad.

SDK auf dem Weg – Finanzierungsziel erweitert

Mittlerweile hat Robocat auf Grund des großen Erfolges die Anreize zur Mitfinanzierung ausgebaut. Ab 125.000 Dollar entwickeln die Dänen die Thermodo-App neben iOS auch für Android. Werden 250.000 Dollar eingenommen, findet ein rotes Thermodo seinen Weg ins Portfolio. Sollten sogar 500.000 Dollar ihren Weg zu Robocat finden, erhalten alle Unterstützer des Crowdfunding-Märchens ihre(n) Thermodo in robustem Alu. Ohne Aufpreis.

Ich bin gespannt, welche App-Perlen das Projekt zu Tage fördern wird. Im Gespräch mit TechCrunch sagte Robocat-Gründer Willi Wu, durch die Thermodo-Technik könne man alle möglichen Daten in elektrische Impedanzen umwandeln. Beispielsweise Windstärke, Luftdruck oder Helligkeit. Schier unerschöpfliche Möglichkeiten also, wenn die Technik denn tatsächlich und vor allem zuverlässig funktioniert. Die Nachfrage ist jedenfalls riesig.

Eine gute Basis für eine Erfolgsgeschichte, Made in Denmark. Deshalb schreie ich es nun wirklich heraus: Ein Hoch auf die Crowd!

Bilder: Kickstarter (Screenshots) / Thermodo

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

9 Kommentare

  • Der Audio/Micro Stecker wird wohl nur zur Datenübertragung verwendet – die Temperatur wird mit einem normalen Sensor gemessen (basierend auf temperaturabhängigem Stromwiderstand)

  • Ich frage mich aber wirklich, wozu ich das brauche. Außerdem ist das Smartphone doch sowieso die meiste Zeit in der Hosentasche, oder? Aus meiner Sicht ein nutzloses Gadget…

  • Ok, da wir haben einen simplen Temperatursensor, der über die Klinkenbuchse mit Strom versorgt wird. Die gemessene Temperatur wird analog in ein Audiosignal konvertiert, welches eine App über das Smartphone-Micro erkennt.

    Um so eine simple Nummer wird so ein Aufstand gemacht?! Und was ist daran Sozial? Vielleicht werde ich ja alt, aber da bringt jemand ein Thermometer heraus, verpasst ihm ein hippes Design und Logo und schon drehen alle am Rad und kaufen sogar T-Shirts. Ich kapier die Leute nicht mehr…

  • @ben
    Einfach Mitmachen und für den Sommer einen Sensor erfinden welcher die Wasser Themperatur im Baggersee an Hand der Schniedelwurzgröße erkennt, in ein Audiosignal konvertiert und direkt auf Facebook postet ……
    vielleicht wirst damit Reich? 😉

  • Hehe, da müsste ich aber eine Art Loudness einbauen, sonst kauft das Ding doch niemand. Stell dir mal vor, herrlichstes Badewetter und jemand im Wasser brüllt: Mein Thermometer zeigt aber nur 5°C an… 😀
    Um keine Egos zu verletzen, müsste das Gerät bei 15°C Wassertemperatur mindestens 30 anzeigen (wie Kondome, die fangen ja auch erst bei Größe L an) und dann bin ich nachher noch an der Klimaerwärmung schuld. Ne, lass mal. 😉

    Schade, dass es vor 20 Jahren noch kein Kickstarter gab. Sonst hätte ich meine via GPS und Gyroskop nachgeführte Sat-Schüssel für Reisebusse, Schiffe, Wohnmobile usw. entwickeln können und könnte heute als reicher Mann den Idioten in einer TV-Serie spielen. 😀

  • Ich merke langsam, dass ich ins gewisse Alter komme.

    Die Idee ist sicher pfiffig, aber wofür braucht man sowas? Ich habe Thermometer zuhause, wenn’s draussen kalt ist, habe ich das 40 Jahre lang hervorragend immer auch so gemerkt. Übersehe ich da etwas?

    Und stört so ein Klinkenstecker nicht in der Schutzhülle?

  • Ich denke die Grundidee ist eher, das Wetter durch Echtzeitdaten besser abbilden zu können. Ist ja schon so, dass die Daten der Wetterdienste immer etwas ungenau und/oder zeitverzögert aktualisiert werden, bspw. in den Wetter Apps von Android oder iOS. Innerhalb der Thermodo-Community wären die Live-Daten sehr viel genauer, sofern sich eine weite Verbreitung mit vielen Nutzern findet. Gibt sicher Leute für die solche Infos wichtig sind..

  • Ob so ein Gadget genauer ist, als ein Gerät des Wetterdienstes, wage ich zu bezweifeln. Vor 20 Jahren habe ich Geräte für die Luftwaffe kalibriert, Thermometer sind ganz schön kritisch.
    Was wird da die Temperatur messen? Eine 1n4148 für 0,005$ im Großhandel?
    Hinzu kommt, dass frisch aus der Innen-/Hosentasche gefischte Handys erst mal einige Minuten Zeit zum akklimatisieren benötigen. User lassen das Ding dann wahrscheinlich 15 Minuten in der Mittagssonne braten, während sie am Badestrand-Imbiss was essen und posten dann stolz Rekordtemperaturen. 😉
    Wie genau die Audioübermittlung bei Mikrophonen ist, die auf Sprache optimiert sind, ist auch noch die Frage.

    Sorry, für mich bleibt das Ding totaler Quatsch. 😉

  • Ich vermute mal das die Phasenverschiebung des vom Sender ( kein echter Lautsprecher evtl. Ultraschall ? ) stammenden Signals gemessen wird. Die Schallübertragung in Luft ist temperaturabhängig ! Ein Smartphone hat sicherlich gleich mehrere Halbleiter intus die Temperaturen messen können – alle sind allerdings abhängig von der Eigenerwärmung. Die Laufzeitmessung der Luftstecke (eigentlich Phasenverschiebung) scheint zumindest eine geniale Idee zu sein. Ob in der Praxis tatsächlich alles so toll funktioniert – man wird sehen.